Sturm im Mikrokosmos Fußball
Sturm Graz. Obwohl die Champions-League-Qualifikation gegen Ajax Amsterdam lockt, ist beim Cupsieger fast kein Stein auf dem anderen geblieben. Ein „Presse“-Gespräch mit Trainer Heiko Vogel.
Beim Cupsieger aus Graz ist kein Stein auf dem anderen geblieben.
Es waren endlich gute Nachrichten, die der SK Sturm nach Wochen der Enttäuschungen vermelden durfte. Peter Zulj, der beste Spieler der abgelaufenen Bundesligasaison, bleibt den Grazern zumindest für die ChampionsLeague-Qualifikationsspiele gegen Ajax Amsterdam (25. Juli, 1. August) erhalten, das bestätigte Sturm-Geschäftsführer Günter Kreissl. Der ÖFB-Teamspieler wird seit geraumer Zeit etwa mit Hertha BSC, FC Fulham und Besikta¸s¸ Istanbul in Verbindung gebracht, ein Wechsel bis zum Ende der Transferperiode am 31. August ist keineswegs ausgeschlossen.
„Es kann noch viel passieren“, wusste Trainer Heiko Vogel die Situation am Rande der Saisonauftakt-Pressekonferenz der Bundesliga am Mittwochabend in Wien richtig einzuschätzen. Schließlich habe das Transferkarussell gerade erst etwas Fahrt aufgenommen. „Die WM ist jetzt vorbei, einige große Transfers stehen noch bevor. Die Vereine arbeiten sich jetzt bei den Ablösesummen nach un- ten.“Im Gespräch mit der „Presse“sagt Vogel schmunzelnd: „Wenn wir bei 50 Millionen Euro angekommen sind, dann können wir über Peter reden.“Viel zu lachen hatte der Deutsche in den vergangenen Wochen nicht. Nach Platz zwei in der Meisterschaft und dem Gewinn des Cup-Titels wurden in Graz Auflösungserscheinungen registriert. 15 Spieler stehen bereits auf der Seite der Abgänge, darunter Leistungsträger wie Deni Alar, Marvin Potzmann (beide Rapid), James Jeggo (Austria) oder Thorsten Röcher (Ingolstadt).
Vogel kennt das Spiel mitsamt all seinen Geschäften. Die gegenwärtige Situation erinnert ihn an seine Zeit beim FC Basel im Sommer 2012, auch damals sei ihm nach einer sehr erfolgreichen Saison „die Achse weggebrochen“. Natürlich hätte der 42-Jährige gern die gesamte Mannschaft in Graz behalten, die Realität aber sieht anders aus. Der etwas Größere frisst den etwas Kleineren. Rapid und Austria holen Spieler von Sturm, Sturm holt Spieler der Admira.
„Das ist ein Stück weit auch der Lauf der Evolution. Die Menschheit ist immer im Wandel, nichts bleibt so, wie es ist. Im Mikrokosmos Fußball ist das nicht anders.“Ein klein wenig spricht der Frust über die vielen Spielerabgänge immer noch aus Vogel. Aber was sind die Beweggründe, wird etwa in der Bundeshauptstadt so viel besser bezahlt als in Graz? „Dann würde man den Spielern ja reine Geldgier unterstellen, das will ich nicht“, sagt der Fußballlehrer.
Sturm wisse, wo man sich finanziell einzuordnen habe, „wir können mit anderen Dingen aufwarten“. Eine Aussage mit Aussagekraft. „Wenn du in Graz vor diesen Fans aufläufst, dann ist das ein Genuss für jeden Spieler. Und eine derartige Lautstärke wie beim Cupfinale habe ich in meiner Trainerkarriere überhaupt noch nie erlebt.“In Graz hofft man, bis zum 31. August von weiteren Verkäufen verschont zu bleiben, die neu formierte Mannschaft soll sich finden. Die erste Aufgabe wartet am Samstag mit dem Cup-Auftakt beim ASV Siegendorf (16.30 Uhr, live, ORF eins).
Zum neuen Hoffnungsträger der Grazer könnte Ligaheimkehrer Philipp Hosiner avancieren. Der Stürmer wurde in der Meistersaison der Wiener Austria 2012/2013 unter Peter Stöger mit 32 Treffern Torschützenkönig, landete nach Engagements bei Stade Rennes, 1. FC Köln und Union Berlin vor wenigen Tagen in Graz. Schon in den ersten Trainingseinheiten, das versichert Vogel, habe Hosiner seine Torjägerqualitäten bewiesen. „Er kann uns definitiv helfen.“