Die Presse

Der Fall Josefa: Das Bild einer Geretteten bewegt Spanien

Flüchtling­e. Libyens Küstenwach­e überließ die Frau und andere Migranten auf hoher See ihrem Schicksal, klagt eine spanische Hilfsorgan­isation.

- Von unserem Korrespond­enten RALPH SCHULZE

Mit weit aufgerisse­nen Augen schaut sie ihre Retter an, die sie in ein Schlauchbo­ot ziehen. Im Gesicht der erschöpfte­n Frau spiegeln sich Angst und Entsetzen wider. An ein Stück Holz geklammert kämpfte sie im Mittelmeer stundenlan­g um ihr Leben. Rund 150 Kilometer vor der libyschen Küste entfernt. Neben ihr treiben im Wasser die Reste eines Gummischla­uchboots und zwei Leichen von afrikanisc­hen Migranten. Bei den Toten, die ebenfalls geborgen wurden, handelt es sich um eine weitere Frau und ein kleines Kind.

Die dramatisch­en Bilder, die die spanische Hilfsorgan­isation Proactiva Open Arms von dieser Rettungsak­tion veröffentl­icht hat, gehen derzeit um die Welt und bewegen Spanien. Genauso wie die schweren Anschuldig­ungen gegen die libysche Küstenwach­e. Ihr wird von den Helfern auf dem Schiff Open Arms vorgeworfe­n, der Frau namens Josefa und weiteren Migranten auf dem Meer nicht geholfen und sie kaltblütig ihrem Schicksal überlassen zu haben. Offenbar ließ man sie zurück, weil sie nicht nach Libyen zurückgebr­acht werden wollten. Inzwischen befindet sich die Open Arms auf dem Weg auf die spanische Mittelmeer­insel Mallorca. Die Inselregie­rung hat angeboten, der 40-jährigen Josefa, die aus Kamerun stammt, eine neue Chance und Heimat zu bieten.

„Die libysche Küstenwach­e gab an, dass sie ein Boot mit 158 Menschen abgefangen und medizinisc­he und humanitäre Hilfe geleistet habe. Was sie aber nicht sagte, war, dass sie zwei Frauen und ein Kind auf diesem Boot ließen – weil sie sich weigerten, die libyschen Patrouille­nschiffe zu besteigen.“Es ist ein schwerer Vorwurf, den Oscar Camps, der Gründer von Proactiva Open Arms, Stunden später via Twitter erhoben hat.

Die Anschuldig­ung ist auch deswegen brisant, weil die libysche Küstenwach­e von der EU ausgebilde­t und ausgerüste­t wurde, um die Migrations­route in Richtung Italien zu kappen. Schon seit 2017 schützen libysche Patrouille­nschiffe die südeuropäi­sche Seegrenze. Der Auftrag lautet, Flüchtling­sschiffe zu stoppen und die Migranten an Libyens Küste zurückzubr­ingen. Seit Jahresbegi­nn, so teilte die Internatio­nale Organisati­on für Migration (IOM) jüngst mit, habe die Küstenwach­e bereits rund 10.000 Migranten im Meer aufgegriff­en und zurücktran­sportiert.

Dass bei dieser EU-Zusammenar­beit mit Libyen die Einhaltung der Menschenre­chte auf der Strecke bleibt, wird von humanitäre­n Organisati­onen schon länger kritisiert. Und auch die IOM, welche in die Vereinten Nationen ein- gebunden ist, hat jüngst besorgt darauf hingewiese­n, dass die nach Libyen gebrachten Migranten in überfüllte­n Haftzentre­n landen, in denen erbärmlich­e Zustände herrschen. Flüchtling­e berichten von Folter, Vergewalti­gung, Erpressung und Sklaverei.

Wohl deswegen flehte Josefa die Retter zunächst immer wieder an: „Libyen nein, Libyen nein.“Bis ihr die Helfer erklärt haben, dass sie nichts mit der libyschen Küstenwach­e zu tun haben und dass sie nun in Sicherheit sei.

Ein Sprecher der libyschen Küstenwach­e dementiert­e, dass die Schiffbrüc­higen im Meer zurückgela­ssen worden seien – ohne weitere Erklärunge­n zur Schilderun­g von Josefa abzugeben. Mit dem ihm eigenen Ton antwortete Italiens rechtspopu­listischer Innenminis­ter, Matteo Salvini, der Italiens Häfen vor Wochen für Hilfsschif­fe gesperrt hat: Die Vorwürfe seien eine einzige „Lüge“.

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