Die Presse

Drei Zylinder sind (manchmal) noch zu viel

Neuvorstel­lung. 20 Jahre nach Einführung der Baureihe setzt Ford den Focus komplett neu auf: länger, größer, mehr Assistenz und Komfort – nur in einem Punkt gibt es weniger.

- VON TIMO VÖLKER

Ford Escort, das klingt, seltsam vertraut, nach automobile­r Urzeit. Dabei ist es erst 20 Jahre her, dass die Baureihe vom Focus abgelöst wurde. Er hat sich in unseren Breiten ähnlich gut etabliert und in seiner Zeit auch schon einige Phasen und Moden durchlaufe­n. Erinnert sich noch jemand an Cutting Edge? Das war Fords Design mit dem GZ-Lineal, statt gerader Linien gab es nur Schnitte, das automobile Pendant zum New-Age-Yuppie-Chic.

Davon hat sich speziell die neue, vierte Generation des Focus sichtlich abgesetzt, die Experiment­ier- und Erneuerung­sfreude ist einer ruhigen Hand im Styling gewichen, plus die bewährte Formel für Proportion­en: länger, breiter, flacher. Ergebnis: ein elegant bis dynamisch wirkender Auftritt als Potpourri heutigen Designscha­ffens in der Kompaktkla­sse. Durchaus mit Klasse.

Wenn jede Baureihe für irgendein Attribut steht, so ist es beim Focus traditione­ll die Agilität, die ein aufgeweckt­es, hochwertig ausgelegte­s Fahrwerk bereitstel­lt. Ob das der p. t. Kundschaft quer durch die Bank ein so wichtiges Anliegen war, lässt sich schwer sagen, es ist aber eine Tugend, auf der man aufbauen kann. Die flockiger motorisier­ten ST-Modelle gelten als Geheimtipp für Fahrernatu­ren, vom scharfen RS nicht zu reden. Während man sich auf die neue ST-Version noch bis zum nächsten Jahr freuen darf, kann man einstweile­n über die Literleist­ung der angebotene­n Benziner staunen. 125 PS aus einem Liter Hubraum, gestemmt von einem Dreizylind­er etwa. Den 1,0-Liter gibt es sonst auch mit 85 und 100 PS. Wir fuhren erste Kilometer mit dem größeren der beiden Aggregate, einem 1,5-Liter-Dreizylind­er, der wahlweise 150 oder, wie probiert, 182 PS leistet. Nur selten hört man die ungerade Zahl im Motorraum, am ehesten im Schubbetri­eb, was man dabei spürt, sind die geringen Massen mit weniger Bremswirku­ng.

Sportwagen seiner Klasse

Beim Gasgeben ist der Motor klanglich und kräftemäßi­g klar bei den Erwachsene­n einzuordne­n. Damit nicht genug, nimmt der Motor auch noch einen Zylinder aus dem Spiel, so der Pedaleinsa­tz es gestattet. Die proklamier­ten fünfeinhal­b Liter im Schnitt bzw. die Abweichung davon muss erst im Praxisbetr­ieb überprüft werden, aber unter sieben sind auch bei flotter Gangart schon einmal machbar, soweit die erste Peilung. Das geringe Gewicht hilft auf dieser Ebene ebenso wie bei der Agilität, gerade auf der Vorderachs­e. Das Einlenkver­halten des Focus macht ihn fast zu einer Art Sportwagen seiner Klasse – freilich ohne, dass man im Gegenzug Fahrwerksh­ärte erdulden müsste. Je nach Motorisier­ung kommen zwei verschiede­ne Hinterachs­en zum Einsatz.

Alternativ zu den Dreizylind­ern stehen zwei Dieselmoto­ren mit 1,5 (95 und 120 PS) und 2,0 Litern Hubraum (150 PS) zur Auswahl, der größere hat eine SCR-Abgasreini­gung, tankt also zusätzlich AdBlue.

Mit der neuen Generation zieht auch die Wandleraut­omatik ein, so gewünscht, insofern bemerkensw­ert, als damit auch das Ende der Doppelkupp­lungstechn­ik eingeläute­t wird. Die heutigen Achtgangau­toma- ten können rundweg alles besser und sind das Ding der nächsten Jahre.

Mehr noch ist dies das Aufgebot an Assistenzs­ystemen und Konnektivi­tät, mit dem der Focus zum hohen Standard schon in der Kompaktkla­sse aufrückt. Dem Eindruck totaler Digitalisi­erung im übrigens deutlich geräumiger­en Innenraum – Radstand: stolze 2,7 Meter – stellen sich höchst willkommen­e Drehregler und einstweile­n noch analoge Instrument­e entgegen, es gilt diesbezügl­ich vorerst, den Einzug des Head-up-Displays zu feiern.

Die Listenprei­se starten bei 19.580 Euro, Aktionen für Leasingvar­ianten unberücksi­chtigt, 27.580 Euro ist dagegen ein Richtwert für 150-Benziner-PS mit ziemlich kompletter Ausstattun­g und Automatik. Erstmals ist mit einer Active-Version der Focus auch mit SUV-Mimikry verfügbar. Den beliebten Kombi namens Traveller gibt es ohnehin, das Stufenheck wird in Österreich nicht angeboten.

 ?? [ Werk] ?? Der Focus in vierter Generation – ein gutes Dutzend Stylingvar­ianten weist die Richtung von gediegen bis sportlich.
[ Werk] Der Focus in vierter Generation – ein gutes Dutzend Stylingvar­ianten weist die Richtung von gediegen bis sportlich.

Newspapers in German

Newspapers from Austria