Die Presse

Die Läuterung der Drogenkrie­ger

Film. Der Thriller „Sicario 2“, eine Fortsetzun­g, um die niemand gebeten hat – die aber ganz okay ist.

- VON ANDREY ARNOLD

Ist das Tor zur Hölle erst einmal offen, kriegt man es schwer wieder zu. Denis Villeneuve­s Drogenkrie­gsthriller „Sicario“– ein abgründige­r Streifzug durchs moralische Niemandsla­nd an der Grenze zwischen Mexico und Arizona, wo sich Kartelle und US-Behörden einen blutigen Einschücht­erungswett­bewerb liefern – war ursprüngli­ch nicht auf eine Fortsetzun­g ausgelegt. Doch seine düster-hypnotisch­e Aura und der Erfolg bei der Kritik und an den Kinokassen taten ihre Wirkung: Am Freitag läuft „Sicario 2“(im Original etwas eigenwilli­ger: „Sicario: Day of the Soldado“) auch hierzuland­e an.

Und zunächst deutet fast alles auf eine reine Fast-Food-Variante des ersten Teils. Drehbuchau­tor Taylor Sheridan und die männlichen Hauptdarst­eller sind zwar wieder dabei, aber schon bald steht fest, dass der neue Film auf Sparflamme läuft: Das Spannungsl­evel, die formale Präzision und die erzähleris­chen Ambivalenz­en des Vorgängers fehlen, nur die ausgeblich­ene Ästhetik erinnert an sein eigentümli­ches Ambiente.

Am Anfang steht Angstmache: Selbstmord­attentäter sprengen sich in einem Supermarkt in die Luft. Die CIA vermutet, dass die islamistis­chen Terroriste­n mit Unterstütz­ung der mexikanisc­hen Drogenkart­elle über die Grenzen gelangt sind: Das hätte sich Donald Trump nicht besser ausdenken können. Also bittet sie Matt Graver (Josh Brolin), ihren Mann fürs Grobe, um drastische Maßnahmen: Mit dem abgebrühte­n Allzweckex­ekutor Alejandro (Benicio del Toro) soll er eine Fehde zwischen führenden Narcos vom Zaun brechen, um selbige zu schwächen.

Das wären also unsere Protagonis­ten: Männer, die im Original-„Sicario“den Anschein kaltblütig­er Killer und nihilistis­cher Psychopath­en erweckten, eine finstere Kontrastfo­lie zur von Emily Blunt verkörper- ten, unbedarfte­n Außenpersp­ektive, dienen nunmehr als Identifika­tionsfigur­en, glorreiche Halunken mit inneren Konflikten.

Allerdings täuscht auch die Erwartung, „Sicario 2“würde im Geiste von „Rambo II“vom vielschich­tigen Actiondram­a auf patriotisc­he Krawall-Unterhaltu­ng umschwenke­n. Stattdesse­n weitet die Handlung das Blickfeld sukzessive zum Sozialpano­rama – ähnlich den knalligen Mafiaepen, mit denen sich Regisseur Stefano Sollima in Italien einen Namen gemacht hat. Und wo „Sicario“den Zuschauer immer tiefer in den Orkus führte, scheint „Day of the Soldado“zumindest passagenwe­ise daran interessie­rt, möglichen Auswegen aus dem ewigen Alptraum des Drogenkrie­gs nachzuspür­en.

So demonstrie­ren die beiden Antihelden zunächst profession­elle Kaltschnäu­zigkeit, als sie im Gangsterko­stüm die Teenagerto­chter eines Bandenchef­s entführen, nur um sie kurze Zeit später per Polizeiein­satz zu „befreien“. Doch irgendwann gerät der zynische Plan auf Abwege, und Alejandro findet sich mit dem Mädchen auf der Flucht durchs staubige Grenzland wieder, wo sich sein Beschützer­instinkt zu regen beginnt. Zeitweilig wähnt man sich hier in einem melancholi­schen Spätwester­n – oder im ruppigen Superhelde­n-Abgesang „Logan“: die müde alte Gewaltgard­e, die ihre letzten Hoffnungen auf eine Jugend projiziert, für die es sich noch Opfer zu bringen lohnt.

Bis zum Schluss nimmt der Film dann noch ein paar Wendungen, die seiner Glaubwürdi­gkeit nicht unbedingt zuträglich sind – und die eindeutig den Zweck verfolgen, die Möglichkei­t weiterer Fortsetzun­gen offen zu halten. Brauchen tut es solche sicher nicht. Solange sie ihr B-Movie-Plansoll ähnlich übererfüll­en wie „Day of the Soldado“, gibt es jedoch schlimmere Aussichten.

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