Die Läuterung der Drogenkrieger
Film. Der Thriller „Sicario 2“, eine Fortsetzung, um die niemand gebeten hat – die aber ganz okay ist.
Ist das Tor zur Hölle erst einmal offen, kriegt man es schwer wieder zu. Denis Villeneuves Drogenkriegsthriller „Sicario“– ein abgründiger Streifzug durchs moralische Niemandsland an der Grenze zwischen Mexico und Arizona, wo sich Kartelle und US-Behörden einen blutigen Einschüchterungswettbewerb liefern – war ursprünglich nicht auf eine Fortsetzung ausgelegt. Doch seine düster-hypnotische Aura und der Erfolg bei der Kritik und an den Kinokassen taten ihre Wirkung: Am Freitag läuft „Sicario 2“(im Original etwas eigenwilliger: „Sicario: Day of the Soldado“) auch hierzulande an.
Und zunächst deutet fast alles auf eine reine Fast-Food-Variante des ersten Teils. Drehbuchautor Taylor Sheridan und die männlichen Hauptdarsteller sind zwar wieder dabei, aber schon bald steht fest, dass der neue Film auf Sparflamme läuft: Das Spannungslevel, die formale Präzision und die erzählerischen Ambivalenzen des Vorgängers fehlen, nur die ausgeblichene Ästhetik erinnert an sein eigentümliches Ambiente.
Am Anfang steht Angstmache: Selbstmordattentäter sprengen sich in einem Supermarkt in die Luft. Die CIA vermutet, dass die islamistischen Terroristen mit Unterstützung der mexikanischen Drogenkartelle über die Grenzen gelangt sind: Das hätte sich Donald Trump nicht besser ausdenken können. Also bittet sie Matt Graver (Josh Brolin), ihren Mann fürs Grobe, um drastische Maßnahmen: Mit dem abgebrühten Allzweckexekutor Alejandro (Benicio del Toro) soll er eine Fehde zwischen führenden Narcos vom Zaun brechen, um selbige zu schwächen.
Das wären also unsere Protagonisten: Männer, die im Original-„Sicario“den Anschein kaltblütiger Killer und nihilistischer Psychopathen erweckten, eine finstere Kontrastfolie zur von Emily Blunt verkörper- ten, unbedarften Außenperspektive, dienen nunmehr als Identifikationsfiguren, glorreiche Halunken mit inneren Konflikten.
Allerdings täuscht auch die Erwartung, „Sicario 2“würde im Geiste von „Rambo II“vom vielschichtigen Actiondrama auf patriotische Krawall-Unterhaltung umschwenken. Stattdessen weitet die Handlung das Blickfeld sukzessive zum Sozialpanorama – ähnlich den knalligen Mafiaepen, mit denen sich Regisseur Stefano Sollima in Italien einen Namen gemacht hat. Und wo „Sicario“den Zuschauer immer tiefer in den Orkus führte, scheint „Day of the Soldado“zumindest passagenweise daran interessiert, möglichen Auswegen aus dem ewigen Alptraum des Drogenkriegs nachzuspüren.
So demonstrieren die beiden Antihelden zunächst professionelle Kaltschnäuzigkeit, als sie im Gangsterkostüm die Teenagertochter eines Bandenchefs entführen, nur um sie kurze Zeit später per Polizeieinsatz zu „befreien“. Doch irgendwann gerät der zynische Plan auf Abwege, und Alejandro findet sich mit dem Mädchen auf der Flucht durchs staubige Grenzland wieder, wo sich sein Beschützerinstinkt zu regen beginnt. Zeitweilig wähnt man sich hier in einem melancholischen Spätwestern – oder im ruppigen Superhelden-Abgesang „Logan“: die müde alte Gewaltgarde, die ihre letzten Hoffnungen auf eine Jugend projiziert, für die es sich noch Opfer zu bringen lohnt.
Bis zum Schluss nimmt der Film dann noch ein paar Wendungen, die seiner Glaubwürdigkeit nicht unbedingt zuträglich sind – und die eindeutig den Zweck verfolgen, die Möglichkeit weiterer Fortsetzungen offen zu halten. Brauchen tut es solche sicher nicht. Solange sie ihr B-Movie-Plansoll ähnlich übererfüllen wie „Day of the Soldado“, gibt es jedoch schlimmere Aussichten.