Genskalpell Crispr ist so präzise nicht
Molekularbiologie. Das Wunderwerkzeug der Gentechnik richtet auch Ungewolltes in Zielzellen an. Und in Säugern schwächelt es beim Manipulieren ganzer Populationen.
1989 fiel dem spanischen Biologiestudenten Francisco Mojica im Genom eines Archebakteriums, das im Brackwasser gedeiht, Haloferax mediterranei, etwas auf: Wiederholungen von 30 Basen langen Sequenzen, dazwischen Texte aus 36 anderen Basen. Erklären konnte das keiner, in voller Länge war es zudem unaussprechlich: „clustered regulary interspaced palindromic repeats“hatte Mojica das Phänomen getauft, die Abkürzung geht flüssiger über die Lippen: Crispr.
Unter diesem Namen machte der Fund über 20 Jahre später sprunghafte Karriere: Crispr ist ein präzises Instrument des Immunsystems von Bakterien: Wenn die von Viren (bzw. Phagen) attackiert werden, speichern sie Sequenzen des Virengenoms im eigenen, in den 36 Basen. Damit erkennen sie die Viren bei der nächste Attacke und töten sie, indem sie die 36 mit den flankierenden Sequenzen aus dem Virengenom schneiden.
2011 dann bemerkte Emanuelle Charpentier (damals Uni Wien), dass sich mit Crispr alle Genome punktgenau ändern lassen, auch die von Säugetieren. Bald zeigte sich zudem, dass Crispr noch etwas kann: mit ihm veränderte Gene auf das andere Chromosom kopieren, dann ist die Veränderung doppelt da (und sonst ist von diesem Gen nichts im Genom). Und wenn sie das in den Vorläuferzellen von Keimzellen ist, kann man sie mit „gene drive“sehr rasch in ganzen Populationen verbreiten. Das bemerkten Valentino Gantz und Ethan Bier (UC San Diego) 2014 an Fruchtfliegen, sie sahen sofort eine mögliche Nutzanwendung: Mit Crispr-Einbau etwa eines Unfruchtbarkeitsgens könnte man Moskitos bzw. die von ihnen übertragenen Krankheiten ausrotten, Malaria vor allem. Bald folgten analoge Pläne, mit Crispr Inseln von Rattenplagen zu befreien.
Die sind jetzt etwas ins Stocken geraten, wieder durch Bier/Gantz: Sie testeten den „gene drive“an Mäusen, und dort funktioniert er nicht so optimal wie bei Fliegen. Die erwünschten Gene kommen nicht auf 100 Prozent des Nachwuchses, sondern nur auf knapp über 70 (bioRxiv 10.1101/362558).
Auch im anderen Anwendungsbereich geht der Höhenflug von Crispr nicht mehr allzu steil, sondern weckt Erinnerungen an zwei andere Mirakel der Molekularbiologie: Zu Beginn der 1990er-Jahre versprach die Gentherapie die Heilung aller genbedingten Leiden, von ihr hört man kaum noch etwas, seit 2001 ein Patient zu Tode kam. Da waren schon die nächsten Heilsbringer im Aufschwung, die embryonalen bzw. induzierten pluripotenten Stammzellen, aus denen man beliebiges Transplantationsmaterial gewinnen kann, im Prinzip, in der Praxis sind offenbar die Mühen der Ebene erreicht. Und man ist vorsichtig, so etwas wie bei der Gentherapie darf nicht passieren.
Natürlich auch nicht bei Crispr, mit dem erste Therapieversuche an Menschen laufen. Deshalb sind die Ohren offen für Alarmsignale aus dem Feld, eines kam Mitte Juni. Da bemerkten gleich zwei Gruppen, dass nicht alle Zellen Crispr-Eingriffe in ihr Genom dulden, viele wehren sie ab, mit dem Gen p53, es ist das häufigste Tumorsuppressor-Gen, wehrt die Bildung von Krebs dadurch ab, dass es bzw. sein Protein leichte Schäden im Genom repariert und bei schweren die Zelle in die Apoptose schickt, den Selbstmord.
Deshalb funktioniert Crispr am besten in Zellen, in denen p53 nicht aktiv ist, aber das sind eben auch die, die schwächer gegen Krebs geschützt sind und deren Vermehrung deshalb eher riskant ist (Nature Medicine 12. 6.).
Und nun fiel Allan Bradley (Wellcome Sanger Institute) auf, dass Crispr nicht immer so fein schneidet wie ein Skalpell bzw. dass die Reparaturversuche, mit denen Zellen auf die Schnitte reagieren, einiges im Genom durcheinanderbringen können, es können Stücke anders arrangiert werden, es können Stücke verloren gehen (Nature Biotechnology 16. 7.). Die Zunft reagierte beruhigend – Bradley habe eine veraltete Version von Crispr getestet –, an der Börse brachen die Kurse einschlägiger Biotech-Unternehmen ein.