Die Presse

Im Schreberga­rten der Bundesländ­er

Die geplanten Änderungen der Kompetenze­n in der Kinder und Jugendhilf­e stoßen auf Kritik. Ist diese gerechtfer­tigt?

- VON MARKUS HUBER Mag. Markus Huber (geboren 1970) ist stellvertr­etender Geschäftsb­ereichslei­ter in der Volksanwal­tschaft.

Groß ist die Aufregung über den vom Justizmini­sterium eingebrach­ten Entwurf über die verfassung­sgesetzlic­he Änderung der Kompetenze­n im Bereich der Mutterscha­fts-, Säuglings- und Jugendfürs­orge – schlicht der Kinderund Jugendhilf­e. Ausgehend von der im Regierungs­programm verankerte­n Entflechtu­ng der Kompetenzv­erteilung soll die bisher im Rahmen der Grundsatzg­esetzgebun­g des Bundes und der Ausführung­sgesetzgeb­ung sowie Vollziehun­g der Länder geregelte Zuständigk­eit zur Gänze an die Länder übergehen.

Gemäß Entwurf wären daher die Länder für die Gesetzgebu­ng und Vollziehun­g zuständig. Die vielerorts geäußerte Kritik weist dabei vor allem auf die Gefahr der Uneinheitl­ichkeit der Regelungen für Kinder und Jugendlich­e hin. Diese Gefahr ist tatsächlic­h gegeben, allerdings ist sie nichts anderes als eine Auswirkung des in der Bundesverf­assung verankerte­n Föderalism­us.

Das Vorhaben der Entflechtu­ng der in den Artikeln 10 bis 15 Bundesverf­assungsges­etz verankerte­n Kompetenzt­atbestände, die die Zuständigk­eiten für die Gesetzgebu­ng und Vollziehun­g aufteilen, ist ein notwendige­s Vorhaben. Die Frage ist nur, in welche Richtung sie gehen soll.

Die Entrümpelu­ng der hier gegenständ­lichen Aufteilung in Grundsatzg­esetzgebun­g Bund sowie Ausführung­sgesetzgeb­ung und Vollziehun­g Land ist geboten: ein schwerfäll­iges, untauglich­es Instrument der Kompetenzv­erteilung. Der Bund soll quasi die Richtung vorgeben, die Länder sollen die Details regeln.

Das Grundsatzg­esetz muss einerseits den Ländern Spielraum bieten, darf aber anderersei­ts nicht zu unbestimmt sein. Es liegt schon im Wesen dieser Zuständigk­eitsregelu­ng, dass die Länder im Detail abweichend­e Bestimmung­en treffen. Schon bisher war die fehlende Einheitlic­hkeit der Bestimmung­en Realität. Dies zeigte sich deutlich im Bereich der Kinder- und Jugendhilf­e. Beispiele hierfür gibt es viele: unterschie­dliche Entlohnung von Pflegeelte­rn, unterschie­dliche Angebote im Bereich der ambulanten Hilfe für Familien, unterschie­dliche Anforderun­gen an die in sozialpäda­gogischen und sozialther­apeutische­n Einrichtun­gen tätigen Fachkräfte und so weiter.

Auch die Sozialhilf­e (Tatbestand „Armenwesen“) fällt in diese überholung­s- bzw. entsorgung­sbedürftig­e Kompetenzv­erteilung der Grundsatz- und Ausführung­sgesetzgeb­ung. Auch dort zeigen sich die unterschie­dlichen Zugänge der Länder. Eine bundeseinh­eitliche Vorgabe fehlt.

Teilweise sorgen sich die Länder aber nicht nur um ihren eigenen Schreberga­rten, sondern sprechen sich auch untereinan­der ab. So einigten sie sich, das Schutzalte­r der Minderjähr­igen für den Erwerb und Konsum von Tabakerzeu­gnissen auf das vollendete 18. Lebensjahr in den Jugendschu­tzgesetzen zu erhöhen. Diese Regelung wird vermutlich ab 1. Jänner 2019 in allen Ländern gelten. Dann heißt es für die Jugendlich­en vom 16. bis zum 18. Lebensjahr: Du darfst wählen, aber nicht rauchen.

Der Vorwurf der Uneinheitl­ichkeit ist nichts anderes als eine Kritik am bundesstaa­tlichen Charakter Österreich­s. Es ist zwar sicher nicht mit der Eigenart eines Bundesland­es zu begründen, dass etwa die Größe einer sozialpäda­gogischen Wohngruppe für Kinder und Jugendlich­e in Wien und Salzburg jeweils acht Kinder, in Kärnten dagegen zwölf umfasst und im Burgenland (noch) keine Beschränku­ng vorgesehen ist. Sich auf einzelne Materien zu beschränke­n greift aber zu kurz. Die Sinnhaftig­keit der derzeitige­n Ausgestalt­ung des föderalen Wesens ist mit Sicherheit zu hinterfrag­en.

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