Im Schrebergarten der Bundesländer
Die geplanten Änderungen der Kompetenzen in der Kinder und Jugendhilfe stoßen auf Kritik. Ist diese gerechtfertigt?
Groß ist die Aufregung über den vom Justizministerium eingebrachten Entwurf über die verfassungsgesetzliche Änderung der Kompetenzen im Bereich der Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge – schlicht der Kinderund Jugendhilfe. Ausgehend von der im Regierungsprogramm verankerten Entflechtung der Kompetenzverteilung soll die bisher im Rahmen der Grundsatzgesetzgebung des Bundes und der Ausführungsgesetzgebung sowie Vollziehung der Länder geregelte Zuständigkeit zur Gänze an die Länder übergehen.
Gemäß Entwurf wären daher die Länder für die Gesetzgebung und Vollziehung zuständig. Die vielerorts geäußerte Kritik weist dabei vor allem auf die Gefahr der Uneinheitlichkeit der Regelungen für Kinder und Jugendliche hin. Diese Gefahr ist tatsächlich gegeben, allerdings ist sie nichts anderes als eine Auswirkung des in der Bundesverfassung verankerten Föderalismus.
Das Vorhaben der Entflechtung der in den Artikeln 10 bis 15 Bundesverfassungsgesetz verankerten Kompetenztatbestände, die die Zuständigkeiten für die Gesetzgebung und Vollziehung aufteilen, ist ein notwendiges Vorhaben. Die Frage ist nur, in welche Richtung sie gehen soll.
Die Entrümpelung der hier gegenständlichen Aufteilung in Grundsatzgesetzgebung Bund sowie Ausführungsgesetzgebung und Vollziehung Land ist geboten: ein schwerfälliges, untaugliches Instrument der Kompetenzverteilung. Der Bund soll quasi die Richtung vorgeben, die Länder sollen die Details regeln.
Das Grundsatzgesetz muss einerseits den Ländern Spielraum bieten, darf aber andererseits nicht zu unbestimmt sein. Es liegt schon im Wesen dieser Zuständigkeitsregelung, dass die Länder im Detail abweichende Bestimmungen treffen. Schon bisher war die fehlende Einheitlichkeit der Bestimmungen Realität. Dies zeigte sich deutlich im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. Beispiele hierfür gibt es viele: unterschiedliche Entlohnung von Pflegeeltern, unterschiedliche Angebote im Bereich der ambulanten Hilfe für Familien, unterschiedliche Anforderungen an die in sozialpädagogischen und sozialtherapeutischen Einrichtungen tätigen Fachkräfte und so weiter.
Auch die Sozialhilfe (Tatbestand „Armenwesen“) fällt in diese überholungs- bzw. entsorgungsbedürftige Kompetenzverteilung der Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung. Auch dort zeigen sich die unterschiedlichen Zugänge der Länder. Eine bundeseinheitliche Vorgabe fehlt.
Teilweise sorgen sich die Länder aber nicht nur um ihren eigenen Schrebergarten, sondern sprechen sich auch untereinander ab. So einigten sie sich, das Schutzalter der Minderjährigen für den Erwerb und Konsum von Tabakerzeugnissen auf das vollendete 18. Lebensjahr in den Jugendschutzgesetzen zu erhöhen. Diese Regelung wird vermutlich ab 1. Jänner 2019 in allen Ländern gelten. Dann heißt es für die Jugendlichen vom 16. bis zum 18. Lebensjahr: Du darfst wählen, aber nicht rauchen.
Der Vorwurf der Uneinheitlichkeit ist nichts anderes als eine Kritik am bundesstaatlichen Charakter Österreichs. Es ist zwar sicher nicht mit der Eigenart eines Bundeslandes zu begründen, dass etwa die Größe einer sozialpädagogischen Wohngruppe für Kinder und Jugendliche in Wien und Salzburg jeweils acht Kinder, in Kärnten dagegen zwölf umfasst und im Burgenland (noch) keine Beschränkung vorgesehen ist. Sich auf einzelne Materien zu beschränken greift aber zu kurz. Die Sinnhaftigkeit der derzeitigen Ausgestaltung des föderalen Wesens ist mit Sicherheit zu hinterfragen.