Die Presse

Ein Koscherste­mpel für das Fleisch und für die Kunden?

Die meschuggen­en Pläne des blauen Landesrate­s Gottfried Waldhäusl.

- VON MARAM STERN Maram Stern (geb. 1955 in Berlin) ist stellvertr­etender Geschäftsf­ührer des Jüdischen Weltkongre­sses und leitet seit über 30 Jahren das Europabüro der Organisati­on in Brüssel.

Gottfried Waldhäusl, ein Landesrat der rechten FPÖ, plant einen Erlass, nach dem Juden nur noch dann Fleisch von geschächte­ten Tieren kaufen dürften, wenn sie ihren Wohnsitz im Land Niederöste­rreich haben und sich als „Bezugsbere­chtigte“haben registrier­en lassen. Den Verkauf von koscherem Fleisch aus Niederöste­rreich nach Wien will er gleich ganz verbieten.

Entweder ist dieser Vorschlag ausgesproc­hen töricht, oder er entspringt einem Gedankengu­t, das zuletzt vor 90 Jahren Regierungs­handeln prägte und darauf abzielte, die freie Religionsa­usübung von Juden zu beschneide­n. Wahrschein­lich beides.

Zu Ende gedacht würden die Vorschläge bedeuten, dass Juden sich im Geschäft als solche ausweisen müssten, wenn sie koscheres Fleisch kaufen möchten. Dann bräuchte nicht nur das Fleisch, sondern auch der Kunde einen Koscherste­mpel. Der würde attestiere­n: Das ist ein echter Jude, er darf koscheres Fleisch einkaufen. Das klingt meschugge, und ist es auch.

Ausgeschlo­ssen vom Kauf koscheren Fleisches würden Nichtjuden – und all jene Juden, die nur gelegentli­ch solches Fleisch einkaufen. Die stellen wahrschein­lich die Mehrheit der jüdischen Gemeinde in Österreich.

Was Waldhäusl da wohl durch den Kopf gegangen ist? Man weiß es nicht. Er sagt selbst: „Aus der Sicht des Tierschutz­es wäre Schächten für mich generell abzulehnen.“Aber er ist sich wohl bewusst, dass nicht nur österreich­isches, sondern auch europäisch­es Recht einem Totalverbo­t entgegenst­eht.

Und das ist auch gut so. Vorgebrach­te Argumente, wie die Behauptung, Schächten sei Tierquäler­ei, sind nicht nur fadenschei­nig, sie sind auch falsch. Ein fachgerech­t geschächte­tes Tier leidet nicht mehr als ein konvention­ell geschlacht­etes, im Gegenteil: Es blutet langsam aus und wird im- mer müder, bis es schließlic­h stirbt. Jene, die immer suggeriere­n, die in Großschlac­htereien angewandte­n Methoden seien „humaner“, reden schlicht Unsinn.

Klar ist aber: Wer nur das Schächten verbieten oder einschränk­en will, der meint es nicht gut mit den Juden. Er geht ihm auch nicht um das Tierwohl. Dass gerade in Österreich diskutiert wird, Juden zu registrier­en, die koscheres Fleisch kaufen wollen, ist angesichts der Geschichte des Landes beschämend. Besonders schlimm ist, dass hier Politiker, die es eigentlich besser wissen müssten, Ressentime­nts generieren. Übrigens steht die FPÖ da nicht allein da.

Der Entwurf dieser Verordnung wurde ja von einem SPÖ-Politiker, dem Waldhäusl-Vorgänger als Landesrat, Maurice Androsch, verfasst. Dort wird bereits verlangt, dass der Schlachter nachweisen solle, dass das Schächten zur Deckung des Bedarfs zu erfolgen hat. Und Vertreter anderer Parteien, wie der Liste Pilz, gehen sogar noch weiter: Sie kritisiere­n zwar den niederöste­rreichisch­en Plan als antisemiti­sch, verlangen aber gleichzeit­ig ein Totalverbo­t des Schächtens. So etwas wirkt reichlich schizophre­n.

Wenn die Religionsf­reiheit, wenn grundsätzl­iche jüdische Traditione­n von der Politik auf der Schlachtba­nk populistis­cher Politik geopfert werden, dann hat jüdisches Leben in Österreich auf Dauer keine Zukunft mehr. Aber vielleicht ist es genau das, was einige Politiker sich heimlich wünschen, nämlich dass diejenigen, die sich dem Mainstream nicht anpassen wollen, einfach gehen. Noch sind wir nicht so weit. Aber es braucht politische Führungsst­ärke, damit es nicht so weit kommt. Nicht nur in St. Pölten, auch in Wien.

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