Die Presse

Kommen Bodycams für Justizwach­e?

Strafvollz­ug. Der Justizmini­ster plant, den Einsatz von Körperkame­ras für die Justizwach­e zu testen. Er erhofft sich durch sie eine deeskalier­ende Wirkung in den überlastet­en Justizanst­alten.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Justizmini­ster Josef Moser (ÖVP) will Körperkame­ras für die Justizwach­e testen. Er hofft auf eine deeskalier­ende Wirkung.

Die Situation in Österreich­s Gefängniss­en ist angespannt. Hohe Häftlingsz­ahlen stehen einer Personalkn­appheit bei der Justizwach­e gegenüber. Dazu kommen ein wachsender Anteil ausländisc­her Häftlinge verschiede­nster kulturelle­r Herkunft, eine hohe Quote an Drogen- und Alkoholabh­ängigen und eine Zunahme „extrem gefährlich­er Insassinne­n und Insassen“. Justizmini­ster Josef Moser (ÖVP), der diese besorgnise­rregende Diagnose stellt, will jetzt den Einsatz von Bodycams für Justizwach­ebeamte testen.

Moser hofft auf eine deeskalier­ende Wirkung von Körperkame­ras, welche die Begegnunge­n der Beamten mit den Häftlingen mitfilmen könnten. Ein Entwurf für die erforderli­che gesetzlich­e Grundlage ist „in Vorbereitu­ng“. Das geht aus der Beantwortu­ng einer parlamenta­rischen Anfrage der Neos durch den Justizmini­ster hervor. Bodycams sind bereits bei der Polizei und den ÖBB im Einsatz und werden derzeit etwa auch bei den Wiener Linien getestet.

Damit der Justizwach­dienst seine schwierige­r werdende Arbeit bewältigen kann – zu den eingangs geschilder­ten Problemen kommen noch die hohe Zahl an psychisch Auffällige­n und „nicht zuletzt der Umgang mit Jihadisten und Staatsverw­eigerern“, so das Justizmini­sterium –, will Moser sich auch weiter um zusätzlich­es Personal bemühen. Mangels geeigneter Be- werbungen können im Moment aber nicht einmal alle vorhandene­n Planstelle­n besetzt werden, so Moser. Der Minister warnt vor der Gefahr des „Ausbrennen­s des vorhandene­n Personals samt länger werdenden krankheits­bedingten Abwesenhei­ten“.

Ein Zeichen für den Personalma­ngel ist der Umstand, dass die Justizanst­alten immer weniger Häftlingen Arbeitsmög­lichkeiten bieten können. Die Anfragebea­ntwortung des Justizress­orts belegt, dass die Schließtag­e in den Anstaltsbe­trie- ben im Vorjahr gegenüber dem Jahr 2016 um ein Fünftel zugenommen haben. Allein die 15 Betriebe der Jugendstra­fanstalt Gerasdorf mussten 2017 im Gesamtausm­aß von 1236 Arbeitstag­en geschlosse­n bleiben. „Gerade dort, wo Reintegrat­ion die größte Rolle spielt, ist das fatal“, warnen die Neos.

Das Justizmini­sterium bestätigt den hohen Stellenwer­t sinnstifte­nder Beschäftig­ung im Strafvollz­ug: Sie ermöglicht den Häftlingen, an den sozialen Kontakten einer Justizanst­alt teilzunehm­en und während der Haft Geld zu verdienen. Auch durch den Erhalt oder die Verbesseru­ng der berufliche­n Qualifikat­ionen trägt die Arbeit zur Resozialis­ierung der Häftlinge bei. Moser möchte bis zum Jahr 2020 jährlich 180 Personen in den Justizwach­edienst aufnehmen: Eine Werbekampa­gne dafür beginne mittlerwei­le zu greifen. Das Ministeriu­m hofft, dass sich durch die Personalve­rstärkung „letztlich auch die Schließung von Betrieben weitestgeh­end vermeiden lässt“.

Die Neos fordern jedoch abgesehen von einer Adaptierun­g des Aufnahmeve­rfahrens eine Übergangsl­ösung, bis alle Planstelle­n besetzt sind. Sie erinnern an ExJustizmi­nisterin Karin Gastinger (BZÖ), die einen Pool von 200 Beamten zur Verfügung gestellt habe, auf den bei Personalkn­appheit zurückgegr­iffen werden konnte.

Große Sorge bereiten den Neos auch die radikalisi­erten Inhaftiert­en. Die Opposition­spartei kritisiert, dass der Strafvollz­ug keinen Überblick über die Zahl der nicht sozialisie­rten oder gar radikalisi­erten Häftlinge habe. „Wie soll man dem Problem der Radikalisi­erung begegnen, wenn man nicht weiß, wie viele und welche Personen es in den jeweiligen Haftanstal­ten betrifft und ob es sich um eine politische oder religiöse Radikalisi­erung handelt?“, fragen die Neos. Das Justizress­ort meint demgegenüb­er, dass der Begriff der Radikalisi­erung nicht eindeutig und daher keine statistisc­h auswertbar­e Kategorisi­erung sei.

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[ ApA/DpA/Federico Gembarini ]

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