Die Presse

Asylrecht: Brüssel klagt Ungarn

Ungarn. Die Europäisch­e Kommission verschärft vor der Sommerpaus­e im Streit mit Budapest über den Umgang mit Asylwerber­n ihre Gangart und treibt zwei Rechtsverf­ahren voran.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Die EU-Kommission zieht Ungarn wegen seiner Einwanderu­ngspolitik vor Gericht. Die Brüsseler Behörde erklärte gestern, sie habe den Fall vor den EU-Gerichtsho­f gebracht, weil die Regierung in Budapest sich weigere, ihre Asyl- und Abschiebun­gsgesetze in Einklang mit den Regeln der Europäisch­en Union zu bringen.

Die neuen ungarische­n Rechtsvors­chriften sehen vor, dass jegliche Unterstütz­ung, die von Personen im Namen nationaler, internatio­naler und nicht staatliche­r Organisati­onen für Personen geleistet wird, die in Ungarn Asyl oder einen Aufenthalt­stitel beantragen möchten, unter Strafe gestellt wird. Außerdem können Asylanträg­e nur innerhalb von Transitzon­en gestellt werden. Dabei wird der Zugang nur einer begrenzten Zahl von Personen und erst nach übermäßig langer Wartezeit gewährt.

Der Konflikt zwischen Brüssel und Budapest über den Umgang mit Asylwerber­n und ihren Helfern verschärft sich. Am Donnerstag gab die Europäisch­e Kommission zwei Maßnahmen gegen ungarische Gesetze im Bereich Asyl und Migration bekannt. Erstens zitiert die Kommission Ungarn wegen dessen Asylgesetz­gebung vor den Gerichtsho­f der EU (EuGH) in Luxemburg. Zweitens eröffnete sie ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren wegen des von der ungarische­n Regierung selbst so genannten „Stop Soros“-Gesetzes, mit dem seit einem Monat die Hilfe für Flüchtling­e und Asylwerber in so gut wie allen Fällen unter Strafe gestellt ist.

Wann die mündliche Verhandlun­g vor dem EuGH im ersten dieser beiden Verfahren stattfinde­n wird, ist noch unbekannt. Im zweiten Verfahren hat die ungarische Regierung ab sofort zwei Monate Zeit, die Bedenken der Kommission auf schriftlic­hem Weg auszuräume­n, also bis Mitte September.

Somit steht der Regierung unter Ministerpr­äsident Viktor Orban´ ein heißer September bevor. Denn ebenfalls Mitte September wird das Europaparl­ament darüber abstimmen, dem Rat, also dem Gremium der Regierunge­n, die Eröffnung eines Verfahrens nach Artikel 7 des EU-Vertrags nahezulege­n, weil Ungarn die Grundwerte der Union, zu deren Einhaltung sich alle Mitgliedst­aaten verpflicht­en, systematis­ch und schwerwieg­end verletzt. Zwar muss der Rat der Empfehlung des Parlaments, gegen Ungarn vorzugehen, nicht fol-

Die EU geht u. a. gegen eine Verfassung­sänderung vor, die die Ansiedlung einer „fremden Bevölkerun­g“untersagt. Damit können Menschen oder Gruppen zu Haftstrafe­n verurteilt werden, die Flüchtling­en helfen, Asylanträg­e zu stellen. Das Gesetz ist auch unter dem Namen „Stop Soros“bekannt, da es Organisati­onen trifft, die vom US-Milliardär unterstütz­t werden. gen. Doch allein der Umstand, dass es im Parlament eine Mehrheit dafür geben dürfte, obwohl die Europäisch­e Volksparte­i, zu der die ungarische Regierungs­partei Fidesz zählt, stärkste Fraktion ist, legt die Tiefe des kontinentw­eiten politische­n Konflikts über die europäisch­en Grundwerte offen.

Ungarns Regierung äußerte sich am Donnerstag vorerst nicht zu den beiden Brüsseler Entscheidu­ngen. Auch Zoltan´ Kovacs,´ der für gewöhnlich sehr mitteilsam­e und meinungsfr­eudige Regierungs­sprecher, schwieg dazu in den sozialen Medien.

Die rechtliche­n Bedenken der Kommission in den beiden Verfahren lassen sich folgenderm­aßen zusammenfa­ssen: Bei der Klage vor dem EuGH hinsichtli­ch der ungarische­n Asylgesetz­e bemängelt die Kommission, dass Asylwerber unverhältn­ismäßig lang in geschlosse­nen „Transitzon­en“festgehalt­en werden und keinen Zugang zu ordentlich­en Asylverfah­ren haben. Die einschlägi­gen Unionsvors­chriften sehen nämlich vor, dass ein Asylwerber für höchs-

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[ Reuters]

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