Asylrecht: Brüssel klagt Ungarn
Ungarn. Die Europäische Kommission verschärft vor der Sommerpause im Streit mit Budapest über den Umgang mit Asylwerbern ihre Gangart und treibt zwei Rechtsverfahren voran.
Die EU-Kommission zieht Ungarn wegen seiner Einwanderungspolitik vor Gericht. Die Brüsseler Behörde erklärte gestern, sie habe den Fall vor den EU-Gerichtshof gebracht, weil die Regierung in Budapest sich weigere, ihre Asyl- und Abschiebungsgesetze in Einklang mit den Regeln der Europäischen Union zu bringen.
Die neuen ungarischen Rechtsvorschriften sehen vor, dass jegliche Unterstützung, die von Personen im Namen nationaler, internationaler und nicht staatlicher Organisationen für Personen geleistet wird, die in Ungarn Asyl oder einen Aufenthaltstitel beantragen möchten, unter Strafe gestellt wird. Außerdem können Asylanträge nur innerhalb von Transitzonen gestellt werden. Dabei wird der Zugang nur einer begrenzten Zahl von Personen und erst nach übermäßig langer Wartezeit gewährt.
Der Konflikt zwischen Brüssel und Budapest über den Umgang mit Asylwerbern und ihren Helfern verschärft sich. Am Donnerstag gab die Europäische Kommission zwei Maßnahmen gegen ungarische Gesetze im Bereich Asyl und Migration bekannt. Erstens zitiert die Kommission Ungarn wegen dessen Asylgesetzgebung vor den Gerichtshof der EU (EuGH) in Luxemburg. Zweitens eröffnete sie ein Vertragsverletzungsverfahren wegen des von der ungarischen Regierung selbst so genannten „Stop Soros“-Gesetzes, mit dem seit einem Monat die Hilfe für Flüchtlinge und Asylwerber in so gut wie allen Fällen unter Strafe gestellt ist.
Wann die mündliche Verhandlung vor dem EuGH im ersten dieser beiden Verfahren stattfinden wird, ist noch unbekannt. Im zweiten Verfahren hat die ungarische Regierung ab sofort zwei Monate Zeit, die Bedenken der Kommission auf schriftlichem Weg auszuräumen, also bis Mitte September.
Somit steht der Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orban´ ein heißer September bevor. Denn ebenfalls Mitte September wird das Europaparlament darüber abstimmen, dem Rat, also dem Gremium der Regierungen, die Eröffnung eines Verfahrens nach Artikel 7 des EU-Vertrags nahezulegen, weil Ungarn die Grundwerte der Union, zu deren Einhaltung sich alle Mitgliedstaaten verpflichten, systematisch und schwerwiegend verletzt. Zwar muss der Rat der Empfehlung des Parlaments, gegen Ungarn vorzugehen, nicht fol-
Die EU geht u. a. gegen eine Verfassungsänderung vor, die die Ansiedlung einer „fremden Bevölkerung“untersagt. Damit können Menschen oder Gruppen zu Haftstrafen verurteilt werden, die Flüchtlingen helfen, Asylanträge zu stellen. Das Gesetz ist auch unter dem Namen „Stop Soros“bekannt, da es Organisationen trifft, die vom US-Milliardär unterstützt werden. gen. Doch allein der Umstand, dass es im Parlament eine Mehrheit dafür geben dürfte, obwohl die Europäische Volkspartei, zu der die ungarische Regierungspartei Fidesz zählt, stärkste Fraktion ist, legt die Tiefe des kontinentweiten politischen Konflikts über die europäischen Grundwerte offen.
Ungarns Regierung äußerte sich am Donnerstag vorerst nicht zu den beiden Brüsseler Entscheidungen. Auch Zoltan´ Kovacs,´ der für gewöhnlich sehr mitteilsame und meinungsfreudige Regierungssprecher, schwieg dazu in den sozialen Medien.
Die rechtlichen Bedenken der Kommission in den beiden Verfahren lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Bei der Klage vor dem EuGH hinsichtlich der ungarischen Asylgesetze bemängelt die Kommission, dass Asylwerber unverhältnismäßig lang in geschlossenen „Transitzonen“festgehalten werden und keinen Zugang zu ordentlichen Asylverfahren haben. Die einschlägigen Unionsvorschriften sehen nämlich vor, dass ein Asylwerber für höchs-