Die Presse

Lonely Cowboy aus Margareten

Singer-Songwriter. Zehn Jahre ist es her, dass Ian Fisher von einer Farm in Missouri nach Wien zog: da es sich, sagt er, hier am ehesten nach Heimat anfühlt.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Singer-Songwriter Ian Fisher zog einst von Missouri nach Wien.

Ian Fisher sitzt schon im Kleinen Cafe,´ vor sich ein „pretty damn good Butterbrot“. Von wegen die einfachen Dinge und so. Er habe auch darüber nachgedach­t, ein Schmalzbro­t zu nehmen.

Fisher, Singer-Songwriter aus dem amerikanis­chen Missouri, ist gerade wieder einmal in der Stadt. Zehn Jahre ist es her, dass er als Student hier ankam und sich umgehend für heimisch erklärte. Gerade ist er aus Salzburg zurückgeko­mmen, wo er am Mozarteum einen Singer-Songwriter-Workshop gegeben hat. Dort, erzählt er, habe er sich wie Thomas Bernhard gefühlt. Im Sinn von? „Sich über alles beklagen.“Wenn im August sein neues Album erscheint, wird er schon wieder weg sein. Eines seiner früheren Werke hieß „Koffer“. Stets am Aufbrechen zu sein, „das ist der Zustand meines Lebens“.

Am 10. August präsentier­t Fisher „Idle Hands“, sein mittlerwei­le 13. Album, daheim in Ste. Genevieve: ein 4000-Seelen-Nest zwischen dem Mississipp­i und dem Highway 61, den einst schon Bob Dylan besang. Aufgewachs­en ist er auf einer Farm, mit Kühen und Schweinen. Zwei, drei Mal im Jahr kehrt er heim, um seine Familie zu besuchen, mit seinem Vater Gokart zu fahren und ein billiges Bier zu trinken und Musik zu machen. Die vorigen Male verbrachte er auch Zeit im fünf Stunden entfernten Musikermek­ka Nashville. Für amerikanis­che Verhältnis­se „wie von hier nach St. Pölten“.

„Grantiger alter Mann“

2008 war Fisher zum Politikwis­senschafts­studium nach Wien gekommen, nachdem er in St. Louis einen Wiener kennengele­rnt hatte. Seine ersten Freunde rekrutiert­e er nicht unter den Webster-Studenten, sondern am Gürtel-Nightwalk. „Es war das erste Mal, dass ich mich in einer Stadt zu Hause fühlte. Das erste Mal, dass ich nicht gleich wieder weg wollte.“Später habe er es durchaus mit anderen Städten probiert, mehrere Jahre in Berlin gelebt. Es habe ihn beinahe umgebracht, „ich habe es gehasst“.

Das neue Album nahm er trotzdem in Berlin auf, Teile aber auch in Missouri, Hamburg, Leipzig und Dachau, wo er im Vorjahr Artist in Residence war. Den Großteil seiner Songs hat er in Wien geschriebe­n, „mehr als sonst irgendwo“. Es ist die Melancholi­e, die ihn inspiriere, „der selbstmitl­eidige Weltschmer­z“. Man weiß nicht, wie ernst er es meint, wenn Fisher sagt, dass er „als grantiger alter Mann“geboren worden sei; blöd nur, dass er anders als Benjamin Button trotzdem nur älter werde.

Pessimismu­s, der Hang zum Kritisiere­n, dazu, Ideen zu zerstören, bevor sie überhaupt entstehen, das ständige Beschweren – unterlegt mit Humor und dem Bewusstsei­n, dass alles nur Theater ist: So beschreibt er das österreich­ische Biotop, darin fühlt er sich wohl. Wien, das sei immer zwei Dinge gleichzeit­ig. „Ein Bein auf dem Bahnsteig, eines im Zug.“Oder auch: „Ein Auge, das lacht, eines, das weint.“Genau so, sagt Fisher, fühle er sich auch. Fisher spürt – und versteht – auch jene allgegenwä­rtige Unzufriede­nheit und Wut, „die in keiner Relation zu den Verhältnis­sen stehen, in denen wir leben“. „Idle Hands“, der titelgeben­de Song seines neuen Albums, sei zwar eigentlich ein Lied über das persönlich­e Zerbrechen einer Beziehung, gleichzeit­ig aber auch politisch zu verstehen. Der Teufel finde für untätige Hände schon Arbeit, sagen die Amerikaner. Wenn nur noch in Technologi­e und nicht mehr in physische Arbeit investiert werde, dann bedrohe das die Menschen nicht nur wirtschaft­lich, „sondern auch existenzie­ll“. Arbeit könne dem Leben Sinn geben. Wenn Maschinen diese Arbeit besser machen – was bleibe dann? Das Gefühl, zurückgela­ssen zu werden, das er aus seiner Beziehung kennt – das sei bei diesen Menschen wohl ähnlich.

Fisher behilft sich mit Musik. Songs schreibt der seit dieser Woche 31-Jährige so viele, „dass ich nicht weiß, was ich damit tun soll“. Er zieht ein kleines rosa Notizbuch aus der Brusttasch­e. In winziger Schrift notiert er darin, was ihm durch den Kopf geht. In Summer habe er wohl 1500 Songs niedergesc­hrieben. Manches davon sei zwar nicht weiterentw­ickelt, aber 500 bis 1000 fertige Lieder, schätzt er, würden es schon sein. Und manchmal, beim Schreiben oder auf der Bühne, habe er dann auch einen richtig guten Moment.

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[ Valerie Voithofer] Ian Fisher, gern im Kleinen Cafe´ am Franziskan­erplatz.

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