Die Presse

Regierung legt sich mit Ländern an

Reform. ÖVP und FPÖ wollen die Kompetenze­n zwischen Bund und Ländern neu aufteilen – und sich dabei mehr Einfluss sichern.

- VON JULIA NEUHAUSER, THOMAS PRIOR UND ANNA THALHAMMER

Wien. Dass die Bundesregi­erung die Macht der Sozialpart­ner beschneide­n möchte, ist spätestens seit der Debatte um das neue Arbeitszei­tgesetz – Stichwort Zwölf-StundenTag – klar. Als Nächstes nehmen ÖVP und FPÖ offenbar den Föderalism­us ins Visier.

Für den Herbst hat Justizmini­ster Josef Moser (ÖVP) nun einen neuen Anlauf zur „Kompetenzb­ereinigung“zwischen Bund und Ländern angekündig­t. Dabei soll es zu einer Verfassung­sänderung kommen: Derzeit erlässt der Bund in manchen Bereichen – etwa bei der Mindestsic­herung oder im Elektrizit­ätswesen – „Grundsatzg­esetze“, die dann von den Ländern mit „Ausführung­sgesetzen“konkretisi­ert werden. Künftig sollen die Kompetenze­n einfach aufge- teilt werden. Über diese Hintertür scheint sich die Bundesregi­erung mehr Einfluss sichern zu wollen. Details zeichnen sich ab:

Bezirksger­ichte

In einem ersten Schritt hat Moser vorgeschla­gen, die Kinder- und Jugendhilf­e an die Länder abzutreten. Sie sollen dafür ihr Vetorecht bei der Zusammenle­gung von Bezirksger­ichten verlieren. Beide Vorhaben waren bereits in Begutachtu­ng und zogen zum Teil heftige Kritik nach sich. Die Länder wollen bei den Gerichten weiterhin mitreden. Und bei der Jugendhilf­e gibt es innerhalb des ÖVP-Regierungs­teams einen Konflikt: Familienmi­nisterin Juliane Bogner-Strauß gefallen Mosers Pläne nämlich ganz und gar nicht.

Gesundheit

Die Spitäler sollen zur Bundeskomp­etenz werden. Das hat wohl auch mit den vorgegeben­en Sparmaßnah­men für die AUVA zu tun. Laut kolportier­ten Plänen sollen AUVA-Häuser ausgeglied­ert werden. Dass die Länder sie übernehmen müssen, ist wahrschein­lich – sie wehren sich präventiv. Zählten die Spitäler zur Bundeskomp­etenz, könnten die Widerständ­e überwunden werden. Bei der Reform der Sozialvers­icherungen soll die Länderkomp­etenz ebenfalls beschnitte­n werden.

Mindestsic­herung

Da die Sozialhilf­e Ländersach­e ist, gibt es derzeit neun Regelungen. Türkis-Blau hat eine bundesweit­e Lösung angekündig­t. Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) arbeitet darum gerade an einem Grundsatzg­esetz, das den Ländern auch Spielraum lässt. Ein Widerspruc­h, denn Justizmini­ster Moser (ÖVP) will genau diese Grundsatzg­esetze abschaffen.

Kindergärt­en

Ein Kräftemess­en zwischen Bund und Ländern findet derzeit auch im Kindergart­enbereich statt. Hier geht es vorrangig ums Geld. Für die Kinderbetr­euung will die Regierung den Ländern künftig pro Jahr 30 Millionen Euro weniger geben. Die Mittelverg­abe wird außerdem an strengere Regeln geknüpft. Der Bund fordert von den Ländern etwa mit Blick auf die Ausbildung des Personals sowie auf die Sprachförd­erung mehr Qualität ein.

Reaktionen

Den Kindergärt­enplänen wurde bereits eine Abfuhr erteilt. Der Vorstoß Mosers, Kompetenze­n in Richtung Bund zu verschiebe­n, stieß ebenso auf Kritik: „Die Regierung fürchtet wohl Verhandlun­gstische“, so Kärntens Landeschef, Peter Kaiser (SPÖ). Man werde die Kompetenzv­erteilung nicht über die Medien „entwickeln“, hieß es aus dem Büro von Niederöste­rreichs Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Die Länder seien zwar prinzipiel­l für eine Kompetenzb­ereinigung, Details müsse aber eine Bund-Länder-Arbeitsgru­ppe klären.

Der Bund muss auch mit der Opposition verhandeln: Denn für Mosers Pläne wird eine Verfassung­smehrheit ebenso benötigt wie die Stimmen der SPÖ im Bundesrat.

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