Die Presse

Ärger bei neuer Regierung in Rom über Zweitpässe

Südtirol. Italien reagiert wütend auf Bericht zu Gesetzesen­twurf, den Wien nicht bestätigen will. Auch Lega in Bozen ist nun gegen österreich­ische Pässe für Südtiroler.

- VON SUSANNA BASTAROLI

Das Thema Südtirol belastet die Beziehunge­n zwischen den Nachbarn Österreich und Italien – und das mitten in der österreich­ischen EU-Präsidents­chaft. Streitpunk­t ist wieder einmal die von Wien geplante doppelte Staatsbürg­erschaft für deutsch- und ladinischs­prachige Südtiroler, die Rom als „Provokatio­n“ansieht.

Die Chronologi­e der jüngsten Verstimmun­g: Am Wochenende berichtet die „Tiroler Tageszeitu­ng“, der Gesetzesen­twurf für die Doppelstaa­tsbürgersc­haften werde bereits am 7. September vorliegen. Als Quelle werden Regierungs­kreise angeführt. Rom reagiert prompt und erzürnt: „Sollte das bestätigt werden, wären wir mit einer unangebrac­hten und feindliche­n Geste konfrontie­rt, die wir mit Entschloss­enheit ablehnen würden“, so der Minister für Parlaments­beziehunge­n, Riccardo Fraccaro. Außenminis­ter Enzo Moavero Milanesi fordert eine Erklärung vom österreich­ischen Botschafte­r und beauftragt seinen Botschafte­r in Wien, sich bei der österreich­ischen Regierung zu informiere­n.

Dort will am Montag niemand den Artikel der „Tiroler Tageszeitu­ng“bestätigen. „Wir wissen davon nichts“, sagt ein Sprecher des Innenminis­teriums zur „Presse“. Ähnlich reagiert das Außenminis­terium, in dem Montagvorm­ittag ein Treffen zum Thema stattgefun­den hat. „Die gesetzlich­en Voraussetz­ungen für die Verleihung der Staatsbürg­erschaften sind frühesten 2019/20 gegeben“, heißt es dann aus dem Büro von Regierungs­sprecher Peter Launsky-Tieffentha­l gegenüber der APA. Nahezu unisono betonen Ministeriu­msvertrete­r: Die Lösung werde „im Geiste der europäisch­en Integratio­n, im Dialog mit Rom und in Abstimmung mit Bozen“erfolgen.

„Besser Zweitpässe als Ius Soli“

Fraglich ist nur, wie eine solche Lösung im Dialog mit Rom aussehen kann. Italien hat deutlich gemacht, eine doppelte Staatsbürg­erschaft für eine bestimmte ethnische Gruppe Südtiroler unter keinen Umständen akzeptiere­n zu wollen. Dass Rom und Bozen zudem von Wien immer wieder auf eine ähnliche diplomatis­che Ebene gehoben werden, wird im italienisc­hen Außenminis­terium als Affront gesehen. Rom fühlte sich also durch die Schritte der österreich­ischen Regierung in Richtung Doppelstaa­tsbürgersc­haft immer wieder vor den Kopf gestoßen, was zu bilaterale­n Friktionen führte. In Wien galt es denn auch als Konsens, die heikle Frage auf den Zeit- punkt nach dem EU-Vorsitz zu verschiebe­n – und nach der Landtagswa­hl in Südtirol im Oktober.

Doch seit Juni weht mit der neuen Populisten­koalition aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega ein neuer politische­r Wind in Rom: Die Lega hat traditione­ll enge Beziehunge­n zur FPÖ, für die die SüdtirolZw­eitpässe ein Herzensanl­iegen sind. Die beiden Parteien sitzen auch gemeinsam in einer EU-Parlaments­fraktion. Die Lega mit ihrer Stammwähle­rschaft im reicheren Norditalie­n hat sich auch immer wieder für eine Stärkung regionaler Autonomien eingesetzt, „das Selbstbest­immungsrec­ht der Völker“gehört zu ihren traditione­llen Kampfrufen. Als Opposition­spolitiker hatte Matteo Salvini, Lega-Chef und heute Innenminis­ter, in Bozen für Furore gesorgt, als es um einen Plan ging, in Italien geborenen Kindern die Staatsbürg­erschaft zu verleihen: „Besser Zweitpässe als Ius Soli.“Mirko Bisesti, Lega-Chef im Trentino, signalisie­rte vor einigen Wochen gegenüber der „Presse“sogar Dialogbere­itschaft in der Passfrage – solang Rom eingebunde­n werde.

Auch Salvini will sich bald äußern

Während sich Italiens Außenminis­terium und auch Vertreter der Fünf-Sterne-Bewegung offen gegen eine doppelte Staatsbürg­erschaft positionie­ren, schwieg Lega-Chef Salvini bisher – wohl auch mit Blick auf die guten Beziehunge­n zur FPÖ. Jetzt aber kommt die Lega in Bozen aus der Deckung – und spricht wohl auch wegen der Provinzwah­l im Herbst deutliche Worte: „Die doppelte Staatsbürg­erschaft für deutsch- und ladinischs­prachige Südtiroler würde alte Wunden aufreißen,“sagt Luigi Nevola, Lega-Abgeordnet­er in Bozen, im „Presse“-Gespräch. Er befürchtet eine Diskrimini­erung italienisc­her Südtiroler, die kein Anrecht auf eine Staatsbürg­erschaft haben: „Dann würde es Südtiroler der Kategorie A und Südtiroler der Kategorie B geben.“Zudem befürchtet Nevola, dass durch die Zweitpässe für Südtiroler langfristi­g Südtirols Autonomie gefährdet werde.

Derzeit sei das nur die Position der Lega in Bozen, sagt Nevola. „Es ist ja nicht immer einfach, für Außenstehe­nde Südtirol zu verstehen.“Eine Stellungna­hme der Lega-Zentrale in Rom und Salvinis werde aber in Kürze folgen, kündigt Nevola an.

Die Amtskolleg­en und Gesinnungs­genossen Salvini und Herbert Kickl (FPÖ) scheinen bisher jedenfalls dem heiklen Thema Südtirol ausgewiche­n zu sein. „Gesprochen wurde nur über Migration“, so der Innenminis­teriumsspr­echer in Wien.

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