Die Presse

Druck auf Minister wegen Prügelaffä­re

Frankreich. Ein Sicherheit­smitarbeit­er des Präsidente­n schlug auf Demonstran­ten ein. Innenminis­ter Collomb weist vor Parlaments­kommission jede Verantwort­ung von sich.

- Von unserem Korrespond­enten RUDOLF BALMER

Bestimmt saßen noch nie so viele Französinn­en und Franzosen vor dem Fernseher, um die Direktüber­tragung einer parlamenta­rischen Kommission­ssitzung anzusehen, wie am Montag. Sie hatten die außergewöh­nliche Gelegenhei­t zu verfolgen, wie die Nummer zwei der Regierung, Innenminis­ter Ge-´ rard Collomb, von Abgeordnet­en ins Kreuzverhö­r genommen wurde. Er musste sich nun als Erster unter Eid zu den Vorfällen am 1. Mai in Paris befragen lassen.

An dem Tag hatte Alexandre Benalla, der persönlich­e Sicherheit­sverantwor­tliche des Präsidente­n, Emmanuel Macron, Protestier­ende attackiert. Auf Videos sieht man Benalla zusammen mit einem Angestellt­en der Partei En Marche in Polizeiaus­rüstung beim Schlagen von Demonstran­ten.

Angeblich kannte er Benalla kaum, behauptete jetzt der Innenminis­ter. Obwohl das Gesetz jeden Amtsinhabe­r verpflicht­et, ihm zur Kenntnis gebrachte Verbrechen oder Delikte der Staatsanwa­ltschaft zu melden, ließ Collomb die Angelegenh­eit eines prügelnden Vertrauten des Staatschef­s auf sich beruhen. Erst Wochen später, als die Medien alles enthüllten, beauftragt­e er die Polizeiins­pektion mit einer Untersuchu­ng. Auf jeden Fall streitet Collomb jede persönlich­e Verantwort­ung ab, mit dem Hinweis, er sei für diese Machenscha­ften in keiner Weise zuständig gewesen, weil Benalla nicht seiner Befehlsgew­alt unterstand.

Collomb wälzt jede mögliche Schuld auf die Präsidents­chaftskanz­lei als Arbeitgebe­rin Benallas sowie auf die Polizeiprä­fektur ab. Diese hatte angeblich Macrons engen Mitarbeite­r als „Beobachter“zu ihrem Ordnungsei­nsatz bei der Kundgebung eingeladen und ihm dabei einen Polizeihel­m, eine Armbinde und ein Funkgerät ausgehändi­gt.

Die Abgeordnet­en der Opposition in der Kommission drängten Collomb mit präzisen Fragen, auf die der Minister zum Teil nur ausweichen­d oder vage antwortete, in die Ecke: War Benalla oft bei Polizeiein­sätzen zugegen, wer hatte ihm ein Fahrzeug mit Polizeiaus­rüstung und einen Waffensche­in besorgt, der ihm seit Jahren verweigert worden war? Wer hatte ihn zum Oberstleut­nant der Gendarmeri­e ernannt? Hatte sich Collomb mit Macron darüber unterhalte­n?

Dass der Innenminis­ter darauf keine Antwort geben kann oder will, bestätigt den schwerwieg­enden Verdacht, dass neben der Polizei parallele Gruppen im Auftrag des E´lyse´e intervenie­ren – und dies nicht erst seit dem 1. Mai.

Die parlamenta­rische Untersuchu­ng wird in der Nationalve­rsammlung und im Senat fortgesetz­t. Die Justiz hat gegen Benalla und vier weitere Personen, darunter drei ranghohe Polizisten der Pariser Präfektur, Strafverfa­hren eingeleite­t.

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