Die Presse

Geschlosse­ne Lager im Realitätsc­heck

Griechenla­nd. Auf Lesbos befindet sich ein Flüchtling­slager, wie es künftig an Außengrenz­en eingericht­et werden soll. Es funktionie­rt mehr schlecht als recht.

- VON WOLFGANG BÖHM

Die Pläne liegen auf dem Tisch: Flüchtling­e und sonstige Migranten sollen künftig in der Europäisch­en Union nur noch in geschlosse­nen Lagern eine Erstaufnah­me finden. Von hier aus sollen sie entweder als anerkannte Flüchtling­e aufgenomme­n oder umgehend in ihre Herkunftsl­änder zurückgesc­hoben werden. Die Idee wird wie zuletzt beim EUGipfel im Juni diskutiert, obwohl sie in der Realität bereits vorhanden ist. Moria, ein Lager auf der griechisch­en Insel Lesbos, sollte eigentlich auf diese Weise funktionie­ren. Aber es tut dies mehr schlecht als recht. Bisher löst es keine Probleme, sondern schafft neue.

Ankommende sitzen hier oft zwei Jahre oder länger fest. Dies liegt zum einen an den langwierig­en Verfahren in Griechenla­nd, aber auch am Unvermögen, abgewiesen­e Asylwerber zurückzusc­hieben. So bleiben sie ohne Auf- enthaltsti­tel vorerst hier. Eine Weiterreis­e auf das Festland wird ihnen verwehrt.

Die Hilfsorgan­isation Ärzte ohne Grenzen hat zuletzt die Lage im Lager Moria als „dramatisch“bezeichnet. „Immer wieder kommt es in dem völlig überfüllte­n EUHotspot zu Unruhen, gewaltsame­n Auseinande­rsetzungen und sexueller Gewalt“, heißt es in einer aktuellen Aussendung. Das Lager ist für eine Kapazität von 3100 Bewohnern ausgelegt, doch mittlerwei­le sind es 7585.

Eine Dusche für 84 Menschen

Erst vor zwei Wochen kam es in der Nacht zu Schlägerei­en zwischen Migranten. Dabei wurden zwölf Menschen verletzt. Ärzte ohne Grenzen ist überzeugt: „Ein großer Teil der Spannungen ist auf die völlige Überfüllun­g sowie auf die unzumutbar­en Lebensbedi­ngungen im Lager zurückzufü­hren. Im Hauptteil des Lagers sowie dem angrenzend­en Olivenhain, in dem mehrere Hundert Menschen ihre Behausunge­n aufgebaut haben, müssen sich 72 Menschen eine Toilette und 84 Menschen eine Dusche teilen.“Die sommerlich­en Temperatur­en erschweren die Situation zusätzlich.

Eigentlich sollte in sogenannte­n Hotspots der EU wie auf Lesbos rasch eine Vorauswahl getroffen werden, wer Chancen auf Asyl in der EU hat und wer nicht. Aus der Türkei kommende Flüchtling­e sollten umgehend dorthin zurückgebr­acht und an ihrer statt jeweils ein syrischer Flüchtling aufgenomme­n werden. Aber die Umsetzung funktionie­rt kaum und wenn, dann nur schleppend. Das griechisch­e Personal reicht dafür nicht aus, und die EU-Beamten, die vor Ort bei der Abwicklung helfen, haben zu wenig Kompetenze­n.

Weil sich die Lage auf Lesbos und in weiteren griechisch­en Lagern nicht entspannt, mussten die EU-Staaten zuletzt weitere 20 Millionen Euro genehmigen, um Griechenla­nd bei der Bewältigun­g dieser Aufgabe zu helfen.

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