Die Schulden der Stadt
Analyse. Die Bundesregierung kritisiert Wien wegen dessen Schulden, die Stadt wehrt sich. „Die Presse“ging der Frage nach: Wer hat recht?
Hartwig Löger schließt dort an, wo sein Vorgänger Hans Jörg Schelling aufgehört hat: Der ÖVPFinanzminister schießt sich auf die Schulden der Stadt Wien ein – assistiert von Kanzleramtsminister Gernot Blümel, dem Wiener ÖVPChef. Die Angriffe sind so heftig, dass der Gedanke an einen nahen Wahlkampf aufkommt, während die Wiener SPÖ die Kritik empört zurückweist. Die Fakten:
ISchuldenstand. Im Vergleich der Bundesländer inkl. Gemeinden liegt Wien (Schuldenstand pro Kopf laut aktuellsten Daten) an viertbester Stelle hinter Tirol, Vorarlberg und Oberösterreich. Hier ist Wien besser als seitens der Bundesregierung behauptet.
IEntwicklung der Schulden. Innerhalb von nur zehn Jahren ist die Verschuldung von Wien allerdings explodiert – von 1,39 Milliarden auf 7,31 Milliarden im Vorjahr. Damit ist die massiv steigende Neuverschuldung Wiens Hauptproblem, während der Bund (dank Sonderfaktoren) 2019 voraussichtlich erstmals einen Budgetüberschuss schaffen wird.
Bereits 2015 hat der Rechnungshof den massiven Anstieg der Wiener Schulden heftig kritisiert bzw. dass Schulden ausgelagerter Betriebe wie Wiener Wohnen nicht zum Schuldenstand zählen. Wien hat ein Ausgabenproblem, das den Spielraum für Investitionen und den laufenden Betrieb der Stadt einschränkt (z. B. überlange Wartezeiten in Ambulanzen, auf Operationen).
Die finanziellen Probleme der Stadt wurzeln dabei in mehreren Bereichen. Die Kostentreiber für das Budget liegen vor allem im Sozial- und Gesundheitsbereich.
IHohe Arbeitslosigkeit. Wien hat mit 11,7 Prozent (Junidaten) die höchste Arbeitslosenquote des Landes. Das ist fast doppelt so viel wie der Österreich-Durchschnitt von 6,8 Prozent. Das löst entsprechende Kosten aus. Und daran wird sich nicht viel ändern. Denn die Wiener Wirtschaft arbeitet laut Wirtschaftsforschern sehr effektiv, daher benötigt die Stadt aber ein höheres Wirtschaftswachstum als die anderen Bundesländer, um die Arbeitslosigkeit zu senken – was allerdings nicht in Sicht war und ist. Die Folge: Wien hat mit Abstand die höchste Zahl an Langzeitarbeitslosen. Das sind fast ausschließlich Personen mit einer einfacher Ausbildung, die in HightechZeiten in einer Metropole nicht nachgefragt werden. Damit kann festgehalten werden: Die Wirtschaftskrise und deren Folgen haben Wien also deutlich härter getroffen als andere Bundesländer.
Unabhängig davon explodieren die Kosten für die Wiener Mindestsicherung (Auswirkungen der Flüchtlingswelle bzw. Migration) sowie die Kosten im Gesundheitsbereich (völlig verunglückte Reform der Ärztearbeitszeit sowie Kostenexplosion beim KH Nord).
IDie wachsende Stadt. Wien zählt zu den am schnellsten wach- senden Städten in der EU und ist bereits die zweitgrößte Stadt im deutschsprachigen Raum (nach Berlin). Die massiv steigende Einwohnerzahl lässt dafür die Kosten in allen Bereichen in die Höhe schießen. Angefangen von den Sozialkosten (siehe oben) über die Themen Bildung und Schulen bis zur Infrastruktur. Hier entstehen Kosten, die andere Bundesländer nicht zu tragen haben.
IWie geht es weiter? „Die 2016 angekündigte Wiener Verwaltungsreform ist leider im Sande verlaufen“, hatte Blümel kritisiert. Die Fakten zeigen, dass die erhofften Einsparungen durch die Reform bisher nicht einmal ansatzweise erreicht wurden. Allerdings ist da Licht am Ende des Tunnels. Im Vorjahr schnitt das Wiener Budget um 150 Mio. Euro besser ab, als erwartet – wie im Büro von Neo-Finanzstadtrat Peter Hanke erklärt wird. Dies bedeutet eine finanzielle Trendwende für die Stadt. Hanke hat auch als Ziel ausgegeben, 2020 ausgeglichen zu bilanzieren. Wenn er das schafft, wäre es die nächste Trendwende.