Der Siegeszug des deutschen Geknatters
In Österreich nimmt deutsches Deutsch ständig überhand. Leider genauso unvermeidlich ist offenkundig die Unterwanderung der deutschen Sprache mit Ausdrücken aus dem Englischen.
Diese alljährliche Betrachtung des Umgangs mit unserer Sprache erfreut sich einer beträchtlichen Beliebtheit in der Leserschaft, deshalb setze ich sie fort. An Material fehlt’s nicht:
Wie soll Arbeit?, lautete eine Parole auf dem jüngsten ÖGBKongress. Wo sind die Zeiten, da die Gewerkschaft auch eine Bewegung zur Bildung der Arbeiterklasse gewesen ist?
Auch die Wissenschaft bedient sich schon der Rudimentärsprache von Immigranten: Wir können Forschung. Sogar in anspruchsvollen Zeitungen kann man lesen: Ich habe fertig. Bedeutet das eigentlich: Ich habe etwas fertiggestellt oder ich bin fertig?
Der Vizekanzler zur aufgehobenen Suspendierung des BVT-Chefs. Wenn die Suspendierung aufgehoben ist, gibt es sie nicht mehr, es gibt also auch keine aufgehobene Suspendierung. Richtig hätte es heißen müssen: Der Vizekanzler zur Aufhebung der Suspendierung.
Der Regen wird weniger, die Wolken werden mehr. Kein Wetterbericht im Radio ohne diese falschen Wendungen.
Wie viel ist eigentlich dreimal mehr Geld? Hier versagt die Mathematik, weil die Sprache versagt hat. Gemeint war dreimal so viel Geld.
Verbräuche. Verkehre. Man kann solche Formen des Plurals natürlich erfinden, aber sie sind nicht Deutsch und drücken nichts aus, was nicht auch mit dem Singular erreicht wäre.
Markle hing Karriere an den Nagel. Das Verbum hängen hat die Eigenschaft, dass es transitiv und intransitiv gebraucht werden kann, es hat dann aber jeweils ein anderes Imperfekt. Also: Er hängte den Hut an den Nagel und dort hing er dann.
Seine fünf Kinder haben ihn besorgt. Man weiß nicht, was die fünf Kinder besorgt haben. Haben sie ihm etwas besorgt? Gemeint war anscheinend, die fünf Kinder hätten ihm Sorgen bereitet. Diese falsche Verwendung von besorgen grassiert leider. Ein anderes Bei- spiel: Es besorgt mich. Es macht mir Sorgen.
Kunstfaser ist echt nicht meins. Wer hat uns nur diese Sprache eingebrockt? Das soll irgendwie modisch klingen, ist aber völlig sinnlos. Werbespendings. Da beutelt’s mich.
Die richtige Bildung der Fälle bei Funktionsbezeichnungen bereitet zunehmend Schwierigkeiten: Merkel trifft Präsident. Kern nennt Kurz einen Rechtspopulist. Ob Kern recht hat, darüber lässt sich streiten. Nicht zu streiten braucht man darüber, dass es einen Rechtspopulisten heißen müsste und dass Merkel einen Präsidenten trifft.
Was den Mensch zum Menschen macht: zweimal Akkusativ, das erste Mal falsch, das zweite Mal richtig gebildet. Von Kollege getötet. Richtig: Von Kollegen getötet. Wenn man vermeiden will, dass das für einen Plural gehalten wird, muss man im Singular den unbestimmten Artikel beifügen: Von einem Kollegen getötet.
Eine Ignoranz, die seinesgleichen sucht, sagte nach Auskunft der APA die Abgeordnete Pamela Rendi-Wagner. Wieder einmal sei daran erinnert: Ignoranz ist weiblich, daher muss es heißen: ihresgleichen. Richtig ist:
Die Strömung ist zu stark gewesen, um die Strecke schwimmend zurückzulegen. Hier steht zu lesen, dass die Strömung die Strecke nicht zurücklegen konnte, was aber sinnlos ist. Gemeint war stattdessen, dass ein Schwimmer die Strecke wegen der starken Strömung nicht hätte zurücklegen können.
Streits. Meinen Sie, das sei der Genetiv des Wortes Streit? Gefehlt! Die „FAZ“verwendete das als Plural, den es nicht gibt. Dafür müsste man Streitigkeiten sagen.
Ich verspreche Ihnen, unser Weg wird nicht beendet sein, bevor Österreich nicht wieder besser dasteht, sagte Sebastian Kurz. Hoffentlich meint der Kanzler nicht, was er sagt. Das nicht im zweiten Nebensatz dreht den Sinn ins Gegenteil dessen um, was ausgedrückt werden sollte.
Ab und wann. Eine literarische Minderleistung von Peter Turrini.
Das Kind war gerade einmal drei Monate alt. Warum kann man eigentlich nicht sagen: War erst drei Monate alt? Was haben die Leute auch gegen das so praktische Wörtchen nur, das ebenfalls immer öfter wichtigtuerisch durch gerade einmal ersetzt wird?
Ich verwehre mich dagegen, soll der Vorsitzende des SPÖFreundeskreises im ORF gesagt haben. Vielleicht ist er nur falsch zitiert worden und hat gesagt: Ich verwahre mich dagegen, was richtig gewesen wäre. (Die richtige Verwendung von wehren, sich wehren, verwehren, verwahren, sich verwahren musste ich schon mehrere Male erklären.)
Rupprechter hat meine vollste Unterstützung, sagte Günther Platter. Wo das hinführt, wenn man von Platter mehr als nur volle Unterstützung bekommt, weiß Rupprechter unterdessen: ins sprachliche und politische Nirwana.
Die Unterwanderung des Deutschen mit Ausdrücken aus dem Englischen ist unvermeidlich. Dennoch frage ich mich, warum die ÖBB keine Fahrkarten verkaufen, sondern tickets. Französisch dagegen ist in Österreich nur noch wenigen Leuten geläufig, deshalb kann es zu einer Wortbildung wie dieser kommen: Revangeakt.
Außen vor gelassen fühlt sich die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich. Wie kommt sie eigentlich dazu, mit dieser blödsinnigen Wendung in Verbindung gebracht zu werden?
Zu Recht beklagte sich ein Kolumnist des „Standard“darüber, dass das deutsche Deutsch – er nennt es schön lautmalerisch Geknatter – in Österreich überhandnimmt und nennt einige Beispiele: Au ja, lecker; dämlich; ab und an. Ich füge noch hinzu: bislang, vorab, drücken Sie die Eins, in trockenen Tüchern. Schüler gehen nicht mehr in die Schule, sondern zur Schule.
Österreich mal wieder ohne Alaba. Warum kann man es nicht auf Österreichisch und damit richtig Deutsch sagen, nämlich so?: Österreich wieder einmal ohne Alaba. Das Papamobil rollt mal wieder. Warum eigentlich nicht: Wieder einmal, wie man in Österreich sagt? Auch dieses falsche Relativpronomen wird zunehmend aus Deutschland eingeschleppt: Er hört das Handy, was er besitzt.
Falsch: An Heiligabend („Die Presse“).
Richtig: Am Heiligen Abend („Der Standard“).
Zum Ausgleich produzierte „Der Standard“einen sehr österreichischen Fehler: Geschaltene Inserate. Das hört man auch im ORF häufig. Für jemanden, der es nicht wissen sollte: Das Licht ist eingeschaltet und nicht eingeschalten, das Inserat wird geschaltet und nicht geschalten.
Routinierin Skifahrerin. Möglicherweise war das ein weiterer Beitrag zur unsäglichen „gendergerechten“Sprache.
Hingucker. Ich hatte gehofft, dieses Wort nie in einer österreichischen Zeitung lesen zu müssen; leider vergebens.
Viele Leute posen heute eher, anstatt zu performen. Könnte mir ein geneigter Leser mitteilen, was posen heißt? Oder weiß vielleicht jemand, was bräsig bedeutet und was ein aufregender Buzz ist? Eigentlich will ich es gar nicht wissen.
Ohne ihnen bekäme das neue Minderheitskabinett . . . Dass ohne den Akkusativ verlangt, wissen sogar die Teilnehmer an meiner Deutsch-Konversationsgruppe für Ausländer.
war langjähriger Leiter der Wiener Redaktion der „Kleinen Zeitung“.