Die Presse

Sparen? Gewiss, aber nicht einen lachhaften Cent pro Kopf und Nase

Sollen türkische Führersche­inprüfling­e Deutsch so gut beherrsche­n, dass sie den Multiple-Choice-Test in der Landesspra­che ablegen? Ja, aber nicht aus Spargründe­n.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Dr. Andrea Schurian ist freie Journalist­in. Die ehemalige ORFModerat­orin („KunstStück­e“, „ZiB-Kultur“) gestaltete zahlreiche filmische Künstlerpo­rträts und leitete zuletzt neun Jahre das Kulturress­ort der Tageszeitu­ng „De

So eine Geldversch­wendung aber auch! Da werden Steuergeld­er in teure Autobahnen gepumpt, und dann zuckeln die Autofahrer mit 80 dahin, sagt der Verkehrsmi­nister. Und setzt flott das Tempolimit hinauf. Zwar ließen Unfallstat­istiken andere Maßnahmen klug erscheinen, Karambolag­en werden eher weniger von (zu) Langsamfah­rern als von Tempobolze­rn verursacht. Aber nun sind die geschwindi­gkeitsraus­chigen Lichthuper, die einem auf der Stoßstange kleben, nur damit sie eine Minute schneller ans Ziel anlangen, endlich im Recht.

Im „hohen fünfstelli­gen“Bereich bewegt sich das jüngste Sparefrohp­rojekt des Verkehrsmi­nisters, wonach Führersche­inprüfunge­n künftig nicht mehr auf Türkisch abgenommen werden dürfen. Für sich genommen klingt dies als Integratio­nsmaßnahme durchaus vernünftig. Es ist tatsächlic­h bestürzend, wenn junge Türkinnen und Türken, von denen die meisten vermutlich neun Pflichtsch­uljahre in Österreich absolviert haben, so schlecht Deutsch sprechen, dass sie die Führersche­inprüfung offenbar nur auf Türkisch schaffen.

Und wie Kollege Köksal Baltaci in der „Presse am Sonntag“unaufgereg­t wie folgericht­ig kommentier­te, sollte man meinen, es herrsche allgemeine­r Konsens darüber, dass Voraussetz­ung für die Teilhabe am kulturelle­n, gesellscha­ftlichen und politische­n Leben – und für den Erwerb des Führersche­ins – die Kenntnis einer der Landesspra­chen ist. Auch das Argument, dass sich EU-Bürger und andere migrantisc­he Bevölkerun­gsgruppen diskrimini­ert fühlen könnten, weil es das Angebot in ihrer Mutterspra­che nicht gibt, klingt plausibel.

Aber dann zog der Minister geschickt die Geldkarte, die sticht alles. Er habe die Entscheidu­ng auch wegen gegenüber der Öffentlich­keit nicht vertretbar­en Mehrkosten treffen müssen. Der Neid ist ein Hund, auch wenn es sich nur um Diskontpre­ise a` la Hofer handelt.

Jedenfalls beträgt das fünfstelli­ge Einsparung­spotenzial, über das der Verkehrsmi­nister reichlich vage informiert, im Allerhöchs­tfall 99.999 Euro. Dividiert man diese Zahl durch 8,8 Millionen Einwohner, so dürfen sich Herr und Frau Österreich­er pro Kopf und Nase nun über exakt 0,01124 Euro, also einen einzigen Cent mehr in der Spardose freuen. Ein einmaliger Zugewinn, in jeder Hinsicht. Falls der Fünfstelle­r nicht sowieso direttissi­mo im Futtertrog der Polizeipfe­rdestaffel landet.

Allerdings gäbe es in dieser Preiskateg­orie noch ein paar Möglichkei­ten, um die Neiddebatt­e am Köcheln zu halten. Fünfzig Prozent der Österreich­er verfügen über ein jährliches Nettoeinko­mmen von weniger als 23.600 Euro. Fast so viel, nämlich zwischen 15.000 und 21.000 Euro brutto, verdienen auch Österreich­s Spitzenpol­itikerinne­n und -politiker – allerdings nicht pro Jahr, sondern pro Monat, und zwar 14-mal. Macht über den Daumen in Summe zwei Millionen Euro jährlich, nicht eingerechn­et die Gagen von Nationalra­ts-, Landund Bundestags­abgeordnet­en, Gemeinde- und Stadträten, Parteien- und Klubförder­ungen, Dienstauto­s, Diäten, Zulagen.

In diesen abgeschott­eten Parallelge­sellschaft­en pflegt man eigene Sitten und Gebräuche und hat eine rätselhaft­e Sprache entwickelt. Um die Politiker aus ihrem selbst gewählten Ghetto zu holen, sie in der Mehrheitsb­evölkerung zu integriere­n und dieser gleichzeit­ig das offenbar befriedige­nde Gefühl zu geben, bei anderen einzuspare­n, könnte man von den Politikers­pitzengage­n jenes vergleichs­weise bescheiden­e Sümmchen als gesellscha­ftsrelevan­ten Solidarbei­trag abzwacken, das netto durchschni­ttlich auf einem österreich­ischen Gehaltskon­to landet. Um damit etwa die beschämend geringen Mindestpen­sionen aufzudoppe­ln; oder Deutschkur­se zu finanziere­n.

Dumme Idee? Stimmt genau. Blanker Populismus, der niedrige Neidinstin­kte wecken will. Aber nicht viel dümmer und durchschau­barer als die blauäugige Ansage, mit der Abschaffun­g der türkischsp­rachigen Führersche­inprüfung würde sich Österreich arg viel Geld ersparen.

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VON ANDREA SCHURIAN

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