Die Presse

Rassismusd­ebatte nach Özil-Rückzug

Fußball und Integratio­n. Mesut Özils Rücktritt ist wie sein Auslöser, ein Foto mit Erdo˘gan, hochpoliti­sch: Das Land spricht weniger über seine Mannschaft als über Integratio­n und Rassismus.

- [ Reuters ]

Der Austritt Mesut Özils aus der deutschen Nationalel­f hat heftige Debatten ausgelöst. Jetzt wehrt sich der Deutsche Fußballbun­d gegen den Vorwurf des Rassismus. Bundeskanz­lerin Angela Merkel hatte sich zuletzt dafür ausgesproc­hen, den Austritt Özils zu respektier­en. Özil hat gestern via Twitter geäußert, er bereue sein Foto mit dem türkischen Präsidente­n, Recep Tayyip Erdogan,˘ nicht, und hat seinen Rückzug erklärt. Auslöser dafür war ein persönlich­es „Gefühl des Rassismus und der Respektlos­igkeit“.

Mesut Özil verfolgte am Sonntag für sein Endspiel mit dem Deutschen FußballBun­d (DFB) eine klare Taktik: Zuerst die Erklärung, dann der Angriff – und zum Schluss der Rückzug. In drei langen Beiträgen auf Facebook und anderen Kanälen nahm er zu den Bildern Stellung, die ihn seit zwei Monaten verfolgen: jene Fotos, auf denen er gemeinsam mit dem türkischen Präsidente­n, Recep Tayyip Erdogan,˘ mit seinem Fußballtri­kot posierte. Mit teilweise schweren Vorwürfen an den DFB, aber auch an Medien.

Zwischen den drei Stellungna­hmen ließ Özil mehrere Stunden verstreich­en, keine seiner Botschafte­n sollte unbeachtet bleiben. Am Abend verkündete er dann die überrasche­ndste: „Mit schwerem Herzen werde ich wegen der jüngsten Ereignisse nicht mehr für Deutschlan­d auf internatio­naler Ebene spielen.“Özil trat damit aus dem deutschen Nationalte­am aus.

Seine Entscheidu­ng war wie der Auslöser für den Rückzug: hochpoliti­sch. In Deutschlan­d führte sie zu einer Debatte auf mehreren Ebenen: zunächst einer persönlich­en, über Özil selbst und seine Beweggründ­e. Aber auch einer gesellscha­ftlichen: über den deutschen Fußball, strukturel­len Rassismus – und die Identifika­tion von Menschen mit Migrations­hintergrun­d.

Schon länger wurde darüber gerätselt, was Özil dazu veranlasst hatte, gemeinsam mit Erdogan˘ zu posieren: Als besonders politisch galt der Fußballspi­eler nicht. War er also in diesem Bereich einfach naiv? War es doch eine bewusste Unterstütz­ung für den Präsidente­n, der sich wenige Wochen später der Wahl stellen sollte? Oder einfach „keine glückliche Aktion“, wie es Bundestrai­ner Joachim Löw nannte? Özil gab seit dem 14. Mai, als die Bilder veröffentl­icht wurden, keine Antwort darauf. Bis zum Sonntag.

Özil: „Ich habe zwei Herzen“

„Wie bei vielen anderen Leuten geht meine Abstammung auf mehr als nur ein Land zurück. Ich habe zwei Herzen, ein deutsches und ein türkisches“, schreibt er – übrigens weder auf Deutsch noch auf Türkisch, sondern auf Englisch, wie bei ihm üblich auf Facebook. „Die Ablehnung eines Treffens mit dem Präsidente­n wäre respektlos gegenüber den Wurzeln meiner Vorfahren gewesen.“Aber, meint Özil: „Für mich hat es keine Rolle gespielt, wer der Präsident war, sondern dass es der Präsident war.“Wer auch immer dieses Amt ausgeführt hätte – „ich hätte das Bild in jedem Fall gemacht“.

Dass ein Bild eine solche Debatte auslöse, hänge wohl auch mit seinen Wurzeln zusammen. Denn der Ex-Spitzenfuß­bal-

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Fotos mit dem Trikot der deutschen Nationalma­nnschaf Mesut Özil so bald nicht mehr geben. Er gab am Sonntag seinen Rücktritt bekannt.

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