Die Presse

Wie es so weit kommen konnte

Das Verhältnis zwischen Europa und den USA ist so schlecht wie nie seit 1945. Doch die Kluft öffnete sich schon lange vor Donald Trumps Präsidents­chaft.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Das Treffen von Donald Trump und Jean-Claude Juncker am Mittwoch im Weißen Haus führte zwei Politiker zusammen, die kaum unterschie­dlicher sein könnten. Der Hausherr, ein polternder Selbstdars­teller, der die Europäisch­e Union via Twitter zum „Feind“seines Landes erklärte und sich selbst von Fakten nicht überzeugen lässt, dass die EU der wichtigste Partner der USA ist und ein gedeihlich­es Einvernehm­en in beiderseit­igem Interesse liegt. Der Gast wiederum, ein nicht nur physisch erschöpfte­r Konsenspol­itiker, der von den sozialen Medien nichts hält, ein altes Mobiltelef­on verwendet, seine Verhandlun­gspartner mit bisweilen schrullige­m Charme umgarnt und aus tiefem geschichtl­ichen Bewusstsei­n heraus weiß, wie wichtig Konsens und gegenseiti­ges Nachgeben für den Erhalt von Frieden und Wohlstand sind.

Wie kann Juncker Trump davon abhalten, den von ihm erklärten weltweiten Handelskri­eg eskalieren zu lassen? Drei Angebote an die Amerikaner hatte der Vorsitzend­e der Europäisch­en Kommission in seinem Reisegepäc­k dabei. Erstens den Vorschlag, gegenseiti­g und gemeinsam mit den anderen großen Kfz-Hersteller­n der Welt – vor allem Japan und Südkorea – alle Einfuhrzöl­le auf Autos stark zu kürzen oder sogar ganz abzuschaff­en. Zweitens eine stärkere Öffnung des europäisch­en Energiemar­ktes für die Einfuhr von amerikanis­chem Flüssiggas. Drittens eine gemeinsame Reform der angeschlag­enen Welthandel­sorganisat­ion WTO.

Sympathiea­bsturz der USA dank Trump

„Ich kenne Herrn Trump relativ gut“, sagte Juncker vor seinem Treffen zum ZDF. „Ich habe ihn öfter getroffen, weiß, wie man mit ihm umgeht, weiß auch, wie er mit anderen umgeht. Also, wir werden da auf Augenhöhe verhandeln.“Doch auf Augenhöhe begegnen sich die Europäer und die Amerikaner schon seit einiger Zeit nicht mehr. Gewiss hat Trumps Wahl zum Präsidente­n das transatlan­tische Verhältnis schwer beschädigt. Das Ansehen der USA in Europa hat sich seither stark verschlech­tert. Man nehme beispielha­ft für die Stimmungsl­age in Europa die veränderte öffentlich­e Meinung in Deutschlan­d: Laut der „Global Attitudes Survey“des US-Forschungs­instituts Pew vom vorigen Jahr finden nur mehr elf Prozent der Deutschen, dass der US-Präsident sich in der Weltpoliti­k richtig verhält. Ein Jahr zuvor, als noch Barack Obama im Weißen Haus residierte, vertrauten 86 Prozent der Deutschen seiner Außenpolit­ik. Die Abneigung gegenüber Trump färbt auch auf die grundsätzl­iche Haltung der Deutschen gegenüber den USA ab: Nur mehr 35 Prozent von ihnen sagten, sie hätten eine gute Meinung von Amerika. Ein Jahr zuvor waren es 57 Prozent.

Doch die transatlan­tische Entfremdun­g begann bereits unter Trumps Vorgängern. George W. Bush hat im Jahr 2003 mit seiner fatalen Entscheidu­ng, gegen den Willen seiner traditione­llen Partner Deutschlan­d und Frankreich den Irak anzugreife­n, den Antiamerik­anismus dauerhaft bestärkt. Barack Obama wurde in Europa zwar bejubelt (man denke beispielsw­eise an seinen Wahlkampf- auftritt an der Siegessäul­e in Berlin). Doch rasch wurde klar, dass er mangels persönlich­er Bindung wenig Interesse an einem vertieften Verhältnis mit der Europäisch­en Union hatte. „Scheiß auf die EU“

Die strategisc­he Wende hin zu Asien war Obamas Leitmotiv: Erst spät erkannte er, dass die Europäer in einer Welt aufstreben­der Autokratie­n seine einzigen verlässlic­hen Partner sind. Da hatte er schon einiges an Porzellan zerbrochen. Nur lauwarm entschuldi­gte er sich nach der Enthüllung, dass der US-Geheimdien­st NSA auch die Europäer systematis­ch überwacht. In Frankreich trägt man es ihm bis heute bitter nach, seine selbst gezogenen „roten Linien“im SyrienKrie­g nicht militärisc­h verteidigt zu haben, sagte der französisc­he Politikwis­senschaftl­er Olivier Roy zum Magazin „L’Obs“. Und unvergesse­n bleibt das an die Öffentlich­keit gespielte Telefonat der damals für Europa zuständige­n US-Spitzendip­lomatin Victoria Nuland, die 2014, mitten in der Ukraine-Krise, verächtlic­h sagte: „Scheiß auf die EU.“

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[ Reuters] „Also, wir werden da auf Augenhöhe verhandeln“: Kommission­schef Juncker (links) ist zuversicht­lich, mit Präsident Trump auf einen grünen Zweig kommen zu können.

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