Wie es so weit kommen konnte
Das Verhältnis zwischen Europa und den USA ist so schlecht wie nie seit 1945. Doch die Kluft öffnete sich schon lange vor Donald Trumps Präsidentschaft.
Das Treffen von Donald Trump und Jean-Claude Juncker am Mittwoch im Weißen Haus führte zwei Politiker zusammen, die kaum unterschiedlicher sein könnten. Der Hausherr, ein polternder Selbstdarsteller, der die Europäische Union via Twitter zum „Feind“seines Landes erklärte und sich selbst von Fakten nicht überzeugen lässt, dass die EU der wichtigste Partner der USA ist und ein gedeihliches Einvernehmen in beiderseitigem Interesse liegt. Der Gast wiederum, ein nicht nur physisch erschöpfter Konsenspolitiker, der von den sozialen Medien nichts hält, ein altes Mobiltelefon verwendet, seine Verhandlungspartner mit bisweilen schrulligem Charme umgarnt und aus tiefem geschichtlichen Bewusstsein heraus weiß, wie wichtig Konsens und gegenseitiges Nachgeben für den Erhalt von Frieden und Wohlstand sind.
Wie kann Juncker Trump davon abhalten, den von ihm erklärten weltweiten Handelskrieg eskalieren zu lassen? Drei Angebote an die Amerikaner hatte der Vorsitzende der Europäischen Kommission in seinem Reisegepäck dabei. Erstens den Vorschlag, gegenseitig und gemeinsam mit den anderen großen Kfz-Herstellern der Welt – vor allem Japan und Südkorea – alle Einfuhrzölle auf Autos stark zu kürzen oder sogar ganz abzuschaffen. Zweitens eine stärkere Öffnung des europäischen Energiemarktes für die Einfuhr von amerikanischem Flüssiggas. Drittens eine gemeinsame Reform der angeschlagenen Welthandelsorganisation WTO.
Sympathieabsturz der USA dank Trump
„Ich kenne Herrn Trump relativ gut“, sagte Juncker vor seinem Treffen zum ZDF. „Ich habe ihn öfter getroffen, weiß, wie man mit ihm umgeht, weiß auch, wie er mit anderen umgeht. Also, wir werden da auf Augenhöhe verhandeln.“Doch auf Augenhöhe begegnen sich die Europäer und die Amerikaner schon seit einiger Zeit nicht mehr. Gewiss hat Trumps Wahl zum Präsidenten das transatlantische Verhältnis schwer beschädigt. Das Ansehen der USA in Europa hat sich seither stark verschlechtert. Man nehme beispielhaft für die Stimmungslage in Europa die veränderte öffentliche Meinung in Deutschland: Laut der „Global Attitudes Survey“des US-Forschungsinstituts Pew vom vorigen Jahr finden nur mehr elf Prozent der Deutschen, dass der US-Präsident sich in der Weltpolitik richtig verhält. Ein Jahr zuvor, als noch Barack Obama im Weißen Haus residierte, vertrauten 86 Prozent der Deutschen seiner Außenpolitik. Die Abneigung gegenüber Trump färbt auch auf die grundsätzliche Haltung der Deutschen gegenüber den USA ab: Nur mehr 35 Prozent von ihnen sagten, sie hätten eine gute Meinung von Amerika. Ein Jahr zuvor waren es 57 Prozent.
Doch die transatlantische Entfremdung begann bereits unter Trumps Vorgängern. George W. Bush hat im Jahr 2003 mit seiner fatalen Entscheidung, gegen den Willen seiner traditionellen Partner Deutschland und Frankreich den Irak anzugreifen, den Antiamerikanismus dauerhaft bestärkt. Barack Obama wurde in Europa zwar bejubelt (man denke beispielsweise an seinen Wahlkampf- auftritt an der Siegessäule in Berlin). Doch rasch wurde klar, dass er mangels persönlicher Bindung wenig Interesse an einem vertieften Verhältnis mit der Europäischen Union hatte. „Scheiß auf die EU“
Die strategische Wende hin zu Asien war Obamas Leitmotiv: Erst spät erkannte er, dass die Europäer in einer Welt aufstrebender Autokratien seine einzigen verlässlichen Partner sind. Da hatte er schon einiges an Porzellan zerbrochen. Nur lauwarm entschuldigte er sich nach der Enthüllung, dass der US-Geheimdienst NSA auch die Europäer systematisch überwacht. In Frankreich trägt man es ihm bis heute bitter nach, seine selbst gezogenen „roten Linien“im SyrienKrieg nicht militärisch verteidigt zu haben, sagte der französische Politikwissenschaftler Olivier Roy zum Magazin „L’Obs“. Und unvergessen bleibt das an die Öffentlichkeit gespielte Telefonat der damals für Europa zuständigen US-Spitzendiplomatin Victoria Nuland, die 2014, mitten in der Ukraine-Krise, verächtlich sagte: „Scheiß auf die EU.“