Die Gesichter hinter dem Popfest
Festival. Die heurige Ausgabe des Popfest Wien lockt mit besonders buntem Programm. Dafür verantwortlich sind Katharina Seidler und Der Nino aus Wien.
Katharina Seidler ist gemeinsam mit dem Nino aus Wien für das Programm verantwortlich.
Sie sind neugierig und verspielt. Sie trauen sich was,“sagt Kuratorin Katharina Seidler über die Waschbären, die das Programmheft des diesjährigen Popfest Wien zieren. Es sind nicht zufällig ihre Lieblingstiere. Seit 2010 macht sie Beiträge für den Sender FM4, in denen es vorzugsweise kracht. Was einen krassen Gegensatz zu ihrer Intonation darstellt. Die ist hell und fragil. Die Gedanken purzeln direkt aus ihr heraus. Was sie unterscheidet von ihrem Co-Kurator, dem Nino aus Wien. Der hat öfters Mal einen Knoten in der Zunge. Gemeinsam ist ihnen eine kindgleiche Euphorie, wenn sie darüber sinnieren, was sie letztendlich zusammengestellt haben.
„Unser Popbegriff ist ein durchaus weiter, obwohl wir nichts aus Drum’n’Bass und Metal präsentieren,“sagt Seidler. Längst ist die hiesige Szene viel zu groß, um eine repräsentative Auswahl treffen zu können. Soll auch nicht sein. Beim Popfest Wien geht es nicht zuletzt um den subjektiven Blick der jährlich wechselnden Kuratoren. Seidler, mit Techno und Klassik sozialisiert („ich habe Querflöte gelernt und habe heute noch ein Opernabo“), und der leicht zerstreute Singer/Songwriter aus Hirschstetten, den in jüngeren Jahren eine strikte Diät aus Beatles und Wolfgang Ambros genährt hat, haben sich in vielen gemeinsamen Hörsessions und Konzerten näher kennengelernt. Streitpunkte gab es trotz ihrer unterschiedlichen ästhetischen Vorlieben keine. Nicht einmal beim Engagement des ehemaligen Songcontestteilnehmers Tony Wegas, der am Höhepunkt seiner Drogensucht als Omataschelzieher traurige Berühmtheit erlangt hat.
Mostviertler Punks
„Tony Wegas? Das fand ich eine schöne Idee von Nino. Ich glaube, die Popfest-Geher werden sich für seine Musik interessieren,“so Seidler, die mit den von ihr eingebrachten krachigen Elektroniksachen meist auch bei ihrem Kompagnon durchkam. „Das Popfest ist undergroundig genug. Wir können zu jedem Act stehen,“sagen die beiden unisono.
Dabei wollen sie ihrem Publikum durchaus etwas zutrauen. „Natürlich bucht man ein paar Headliner, aber mit Starprinzip hat das nichts zu tun. Wir wollten auch zeigen, dass die sogenannte schwierige Nische gar nicht so schwierig ist,“führt Seidler aus. Und sogar ein wenig Zorn wird geboten, eine Gemütsregung, die in der Popmusik kaum noch vorkommt. „Derzeit scheint es, als hätten die Rechten die Provokation für sich gepachtet. Mit den Mostviertler Punks Franz Fuexe haben wir was ziemlich Wütendes im Programm. Die singen etwa: Zötfest Zötfest, Zötfest, ollas Nazis, ned mit mir. Nie mehr,“so Seidler.
An der heuer grassierenden Ideenarmut heimischer Festivals laborieren die beiden nicht. Obwohl sie sich ausschließlich auf heimische Bands stützen müssen. Seidler: „Wir konnten aus dem Vollen schöpfen. Es hat uns leid getan um viele Acts, die sich nicht mehr ausgegangen sind. Nie hatten wir Probleme dabei, eine konzise Linie zu verfolgen.“
Auf Dramaturgie wurde besonderer Wert gelegt. „Wir haben uns sehr genau überlegt, wer, wo und in wel- cher Reihenfolge auftritt,“sagt Seidler. Weder auf Alter noch auf Frauenquote hätte man übertrieben geschaut. Alles habe sich organisch ergeben. Rapperin Mavie Phoenix ist seit Längerem sehr hip, Monsterheart kommt nach einer Babypause mit scharfem, neuem Album heraus und das blonde Fräuleinduo Lupine hat jüngst den Protestsongcontest mit einem Lied gewonnen, das glockenhell gegen aufdringliche Männlichkeit angeht.
Mit anderen Ohren hören
Lernt man selbst etwas beim Programmieren eines Festivals? Für Seidler war es das viele gemeinsame Hören von Musik. „Mit dem Nino hab ich gelernt, auch mit anderen Ohren zu hören.“Der bleibt bei dieser Frage lieber im Schatten des Erratischen. „Bestimmt hab ich was gelernt, aber ich bin nicht so schnell darin, zu verstehen, was das exakt war.“Den Fehler, sich selbst abzufeiern, den der Vorjahres-Co-Kurator Gerhard Stöger beging, in dem er sich ins Publikum stellte und „Zugabe“rief, den wollen die beiden nicht wiederholen. „Aber jubeln will ich schon!“sagt Seidler, „schließlich bin ich immer noch Fan.“