Die Presse

Warum ein segelnder „Grillino“so viel schwänzt

Italien. Andrea Mura, Abgeordnet­er der Fünf-Sterne-Bewegung, war bisher nur acht Mal in der Abgeordnet­enkammer in Rom. Stattdesse­n macht er lieber Politik von seiner Yacht aus: Seine Chefs sind empört.

- VON SUSANNA BASTAROLI

Parlamente werden bald überflüssi­g sein: So lautet das Credo von Davide Casaleggio, der grauen Eminenz der in Italien regierende­n Fünf-Sterne-Bewegung. Vor wenigen Tagen hob der Software-Unternehme­r in einem Interview erneut hervor, wie wenig er von der repräsenta­tiven Demokratie hält. Casaleggio träumt von einer Art direkten Online-Demokratie; immerhin kontrollie­rt seine Firma jene Plattform, auf der „Grillini“über Programme oder Gesetze abstimmen.

Während Kritiker empört sind über Casaleggio­s dubioses Demokratie-Verständni­s, nimmt Parlamenta­rier Andrea Mura (53) die Aussagen seines „Leaders“zu wörtlich. Der „Grillino“, hauptberuf­lich Skipper in Sardinien und seit März eigentlich Abgeordnet­er in Rom, hat das Parlament bisher nur flüchtig besucht. Acht Mal war er seit Beginn der neuen Legislatur im Juni dort, 96 Prozent der Abstimmung ließ er sausen. Während seine Kollegen im staubigen Palazzo Montecitor­io stritten, segelte er auf der geliebten Yacht „Vento di Sardegna“im Mittelmeer.

„Verpetzt“hat ihn ein – vielleicht etwas neidischer – Landsmann, der sardische ExGouverne­ur Ugo Cappellacc­i, jetzt Abgeordnet­er der Berlusconi-Partei „Forza Italia“. Mura versteht die Kritik nicht. „Man kann Politik auch aus einem Boot machen“, sagte er der Zeitung „Nuova Sardegna“. „Ich sehe mich als Umweltkämp­fer, als Verteidige­r der Ozeane. So viele Abgeordnet­e verschwend­en ihre Zeit im Parlament damit, Selfies zu machen. Ich habe besseres zu tun.“

So sieht also Muras typischer Parlamenta­rier-Arbeitstag aus: Der Wecker klingelt um fünf, dann bastelt der Segler einige Stunden an seiner Yacht. Von 10 bis 13 Uhr arbeitet er dann als Abgeordnet­er in seinem Büro in Cagliari. Nach einer kurzen Mittagspau­se verbringt er wieder etwas Zeit auf dem Meer, um 16 Uhr folgt noch ein kurzer Abstecher ins Büro, um „Mails und so“zu bearbeiten. Ab November wird er wohl noch weniger Zeit für den lästigen Pa- pierkram haben. Denn dann begibt sich Mura auf Rum-Regatta, auf die sechsmonat­ige Segeltour von Frankreich nach Guadalupe. Der Sarde, der als Abgeordnet­er 15.000 Euro im Monat kassiert, sieht auch darin einen wichtigen politische­n Beitrag: Er werde die Reise nützen, um gegen die Mikroplast­ikverschmu­tzung der Ozeane anzukämpfe­n.

Mura bringt die Fünf-Sterne in Verlegenhe­it. Eigentlich hatte man ja genau solchen schwänzend­en Parlamenta­riern, die sich auf Kosten von Steuerzahl­ern ein schönes Leben machen, den Kampf angesagt. Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio zeigt auch wenig Verständni­s für den segelnden Grillino. Er rief ihn zum Rücktritt auf. Doch Mura ist bei Weitem nicht der größte Schwänzer in Roms Parlament. Den Rekord hält Michela Brambilla, Silvio Berlusconi­s Lieblings-„Tierschütz­erin“von Forza Italia: Sie hat an 99,55 Prozent der Abstimmung­en nicht teilgenomm­en.

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[ APA] „Grillino“, Andrea Mura

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