Viktor Orb´an buhlt um den Balkan
Ungarn. Der Ministerpräsident versucht den Einfluss im südosteuropäischen Hinterhof zu stärken. Er preist bei EU-Anwärtern das ungarische Modell an und umgarnt Montenegro.
Zwei Populisten bescheren einem sonst kaum wahrgenommenem Kleinstaat auf dem Balkan ein wunderliches Wechselbad der Gefühle. Erst schmähte US-Präsident Donald Trump vergangene Woche den Neu-Nato-Partner Montenegro wegen seiner vermeintlich „sehr aggressiven Menschen“als potenzielle Gefahr für den Weltfrieden. In dieser Woche wiederum erklärte Ungarns Premier Viktor Orban´ den für Mafiamachenschaften berüchtigten EU-Anwärter kurzerhand für beitrittsreif. „Montenegro könnte der EU morgen oder spätestens übermorgen beitreten“, versicherte er leutselig in der Hauptstadt Podgorica: Ungarn werde dem Land gerne helfen, seine Grenzen zu verteidigen.
Orbans´ Offerte von Gratis-Zäunen zur Abrieglung der Grenzen lehnte sein Amtskollege Duskoˇ Markovic´ zwar höflich als „im Moment nicht nötig“ab. Doch nicht nur als wortgewaltiger Verfechter des Stacheldrahtzauns an der EUAußengrenze putzt der Vertreter eines abgeschotteten Europas derzeit in Südosteuropa kräftig die Klinken. Das heimische Feld hat er nach seinem Triumph bei den Par- lamentswahlen im April erfolgreich beackert, nun versucht er Ungarns Hinterhof zu bestellen: Nach der Zementierung seiner Macht im Inneren müht sich Orban´ verstärkt um die Ausweitung des Einflusses Budapests auf dem Balkan.
Unter Fittichen der Fidesz
Für die machtbewussten Dauerregenten im EU-Wartesaal wie Serbiens Staatschef Aleksandar Vuciˇc´ oder Montenegros Langzeitpräsidenten Milo Djukanovic´ verkörpert Orban´ ohnehin das ersehnte Politikmodell schlechthin. Einerseits sahnt der EU-Skeptiker sehr effektiv die seinem Land zustehenden EU-Subventionen ab. Andererseits lässt der selbsterklärte Streiter gegen das Diktat aus Brüssel alle lästigen EU-Ermahnungen wegen der Verstöße gegen die EUGrundrechte selbstbewusst an sich abprallen.
Die wichtigsten Parteien der ungarischen Minderheit in Rumänien und Serbien hat seine rechte Fidesz längst erfolgreich unter ihre Fittiche genommen – und auf Budapester Linie gebracht. Nicht nur mit erleichterten Prozeduren zum Erhalt des ungarischen Passes hat sich Orban´ in Serbien beliebt gemacht: Ungarischstämmigen Landwirten in der serbischen Vojvodina gewährt Budapest mit Hilfe einer übernommenen Regionalbank großzügig Kredite: Selbst in eine regionale Fußballschule lässt der sportbegeisterte Orban´ Millionenbeiträge pumpen. Mit 100 Millionen Euro soll Budapest laut der Agentur „Balkan Insight“2018 allein Rumäniens ungarische Minderheit gefördert haben.
Unmut in Athen und Skopje
In Slowenien ist Ungarn nicht nur beim Bau einer neuen Güterbahnlinie beteiligt, sondern Orban´ ist im Mai auch für seinen rechten Gesinnungsgenossen Janez Jansaˇ persönlich in die Wahlkampfarena gestiegen.
Auch mit Serbiens regierender SNS ist Fidesz eng verbandelt. Fi- desz-nahe Geschäftsleute haben nicht nur in Slowenien, sondern auch in Mazedonien Millionenbeträge in rechte Medien der Partnerparteien investiert. Auf Unmut in Brüssel, aber auch in Athen, Skopje und Sofia stoßen indes Ungarns Bemühungen, die Beilegung des Dauerstreits um den mazedonischen Landesnamen zu torpedieren.
Orban´ untergrabe erneut die Lösungsversuche zur Stabilisierung des Balkans und sei damit in der EU eine „traurige Ausnahme“, reagierte Dimitris Papadimoulis, der griechische Vizepräsident des Europarlaments, im Juni verärgert auf dessen Videobotschaft an Mazedoniens rechte VMRO, „sich dem Druck ausländischer Mächte nicht zu beugen“.