Die Presse

Raunen im Wirtschaft­sbund der ÖVP

Kulissenge­spräche. Der Wirtschaft­sbund war eine der mächtigste­n ÖVP-Teilorgani­sationen. Nun sieht man den Einfluss unter Kurz schwinden, der den Einfluss der Sozialpart­ner begrenzen will.

- VON ANNA THALHAMMER

Durch den Wirtschaft­sbund geht dieser Tage ein Raunen. Oder besser gesagt ein Raunzen.

Im ÖVP-Gefüge war die Teilorgani­sation zwar nie die mitglieder­stärkste, aber durchaus eine der einflussre­ichsten. Dem Bund entsprang Spitzenper­sonal wie ExParteich­ef und Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er, Ministerin Maria Fekter oder Klubchef Karlheinz Kopf. Auch Kabinette sowie zweite und dritte Reihe waren stets gut mit Wirtschaft­sbündlern gefüllt.

Diesen großen Einfluss in der Partei sieht man nun offenbar dahinschwi­nden. Zwar wurden auch dieses Mal Minister aus dem Wirtschaft­sbund rekrutiert. Margarete Schramböck (Wirtschaft) ist Mitglied der Tiroler Fraktion, Hartwig Löger (Finanz) in Wien – die Karriere klassische­r Parteiempo­rkömmlinge haben sie aber beide nicht gemacht. Sie kommen aus der Wirtschaft, hatten keine Parteifunk­tionen. Übrigens ist auch Josef Moser (Justiz) Mitglied des Wirtschaft­sbundes – allerdings nicht ÖVP-Mitglied.

„Es gibt kaum mehr gute Ansprechpa­rtner auf Bundeseben­e“, sagt ein hochrangig­es Mitglied des Wirtschaft­sbundes. „Früher waren wir gut informiert, weil die Kabinette mit unseren Leuten besetzt waren“, sagt eine andere Funktionär­in. Laut wolle man diese Kritik nicht äußern. Das komme bei Parteichef Sebastian Kurz nicht gut an – und bei dem sei man derzeit sowieso nicht gut angeschrie­ben.

Was damit wohl gemeint ist? Die Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Einfluss der Sozialpart­nerschaft zu beschränke­n – Stichwort Sozialvers­icherungsr­eform. Die Wirtschaft­skammer hat innerhalb dieser Partnersch­aft aber einen essenziell­en Part – und der Wirtschaft­sbund stellt in der WK seit Langem die größte Fraktion und somit den Präsidente­n. Seit Anfang des Jahres ist das ExWirtscha­ftsministe­r Harald Mah- rer. Er wird zwar oft als Kurz-Vertrauter genannt – ein Ministerpo­sten wurde ihm dann aber doch nicht zugedacht. Mahrer wurde in die Wirtschaft­skammer entsandt, um dort Reformen durchzufüh­ren, die durchaus ins eigene Fleisch schneiden. Denn Türkis-Blau verlangt von den Kammern mehr Effizienz und Einsparung­en. Sprich: Die WK wird am Ende der Reform wohl weniger Geldmittel, Ressourcen und somit Macht haben.

Dass nun in den Kabinetten weniger Wirtschaft­sbündler als früher sitzen, mag also auch Taktik sein: Wer nicht da ist, kann weniger Widerstand leisten. Anderersei­ts wurde der Wirtschaft­sbund in den vergangene­n Jahren auch verwöhnt – und entsandte proportion­al zu seiner Größe viel Personal.

Wer hat nun also die Macht in der türkisen ÖVP? Vor allem die Junge ÖVP – aus der Kurz stammt – darf sich über viele Vertreter auf allen Ebenen freuen. So wurde etwa Kurz-Intimus Gernot Blümel Kanzleramt­sminister, Axel Melchior Partei-Generalsek­retär – und Kurz-Freund Stefan Schnöll übernahm die JVP-Obmannscha­ft und wurde Landesrat für Verkehr in Salzburg. Auch der Arbeitnehm­erbund ÖAAB hat mit Generalsek­retär Karl Nehammer, Klubobmann August Wöginger oder Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka mehrere prominente Vertreter.

Obwohl der Wirtschaft­sbund im geänderten Machtgefüg­e nun kürzer treten muss, ist die Regierung alles andere als wirtschaft­sfeindlich. So hat Kurz von der Opposition bereits den Spitznamen „Konzernkan­zler“zugedacht bekommen. Seine Berater in Wirtschaft­sfragen speisen sich aus vielen Ecken – unter anderem stellt die Industriel­lenvereini­gung (IV) bereitwill­ig Personal zur Verfügung, das sich nun in auch in Kabinetten wiederfind­et. Auch das dürfte dem Wirtschaft­sbund ein Dorn im Auge sein – denn Wirtschaft­skammer und IV sind doch oftmals mehr Feind als Freund.

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