Feuer ließ eine Aschenlandschaft zurück
Griechenland. Einsatzteams suchen in Mati nach den Opfern des Flammeninfernos. Die, die sich retten konnten, kehren zurück, um die Schäden zu begutachten. Medien üben Kritik am Zivilschutz und an der mangelhaften Kooperation.
Einige Hundert Meter nach der Abzweigung Richtung Rafina, dem Fährhafen OstAttikas, 25 Kilometer von Athen entfernt, beginnt die verbrannte Zone. Links und rechts des Marathonos-Boulevards erstreckt sich eine Aschenlandschaft. Einen Tag nach dem Unglück qualmt an einzelnen Punkten noch weißer Rauch aus verkohlten Bäumen.
Montag, gegen 17 Uhr, brach in den Bergen oberhalb von Rafina das Feuer aus, brannte sich durch die Siedlung Neos Voutzas Richtung Osten, überschritt schnell die natürliche Brandschneise des Marathonos-Boulevards und fraß sich, völlig außer Kontrolle, durch dicht besiedeltes Gebiet bis zum Meer. Nach jüngsten Zahlen starben 79 Menschen, an die 190 sind verletzt, teils schwer.
Überall Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr, der Polizei und des Zivilschutzes, die Polizei regelt die Kreuzungen Richtung Meer. Gesperrt ist das Katastrophengebiet aber nicht. Mati, so heißt die Siedlung zwischen Boulevard und Küste, ist ein sogenanntes Mischgebiet, das heißt, dass die Häuser in ein Waldstück hineingebaut sind. Es gibt Hotels, Ferienlager, gegen die Küste hin auch große Wohnanlagen. Die unübersichtliche Hügellandschaft mit ihren steilen Abstürzen, Bachbetten, Pinienhainen, den verwinkelten Gassen und den vielen Häusern war willkommenes Futter für die Flammen.
Manche Häuser sind völlig unversehrt, andere, gleich daneben, gänzlich abgebrannt. In einem mehrstöckigen Wohngebäude am Meer sind nur zwei Wohnungen im obersten Stockwerk abgebrannt, die anderen blieben verschont. Das Phänomen ist auf die Geschwindigkeit des Feuers zurückzuführen – die Meteorologen maßen am Montag Windgeschwindigkeiten von bis zu 120 Kilometern pro Stunde.
Viele Menschen flüchteten im Auto vor den Flammen. Nun kehren sie zurück und begutachten den Schaden. Ein älterer Mann sagt: „Zum Glück habe ich keine Schäden am Haus. Das Nachbarhaus ist abgebrannt.“Andere hatten weniger Glück: Eine junge Frau steht fassungslos vor ihrem zerstörten Haus, ihre Freunde umarmen sie, sie weint. Hangabwärts, Richtung Küste, werden die Reihen der geparkten und verbrannten Autos dichter. Viele versuchten, durch die Gassen von Mati zu entkommen, blieben stecken, ließen das Auto zurück und versuchten, zu Fuß zum Meer durchzukommen – das Feuer auf den Fersen.
Die Retter durchkämmen die Häuser nach Vermissten. Genaue Vermisstenzahlen gibt es nicht, die Feuerwehr spricht von „Dutzenden“. Ein jungverheirateter Ire wird vermisst, zwei Polen sollen sich unter den Toten befinden, die Mehrzahl der Opfer aber sind Griechen. Mati ist vor allem eine griechische Sommerfrische.
Teams des Bautenministeriums haben begonnen, die Schäden aufzunehmen; auf die verbrannten Autoskelette sind in Riesenlettern die Kfz-Kennzeichen gepinselt. Ganz unten an der engen Küstenstraße haben Kranwagen die Autos zu Blechhaufen gestapelt, um die Straße für die Einsatzfahrzeuge frei zu machen. Am höchsten ist der Berg vor einer völlig ausgebrannten Taverne direkt am Meer, an einer Stelle, an der sich die Steilküste mit ihren charakteristischen rotfarbenen Felsen zu einer Bucht öffnet. Der rote Stein bietet einen eigenartigen Kontrast zur schwarzen, verbrannten Erde. Das Lokal heißt Argyri Akti, bis Montag ein beliebtes Ausflugsziel.
Von hier aus sind am Horizont die großen Fährschiffe im Hafen des nahen Rafina zu sehen – und ein-, zweihundert Meter von der Taverne entfernt jenes Stück der Steilküste, das Schauplatz der größten Tragödie an diesem Tag wurde. Eine Gruppe von 26 Menschen verirrte sich auf der Flucht vor dem Feuer und sah sich auf dem Grundstück zwischen Steilküste und Flammen gefangen. Eng umarmt gingen sie in den Tod, gefunden von einer Rot-Kreuz-Crew.
Menschen auf der Suche nach Angehörigen irren durch die Häuserruinen, durch die Menschenmenge von Einsatztruppen, Journalisten und Schaulustigen. „Wir haben uns spontan entschlossen, unsere Hilfe anzubieten; wir schauen, ob Lebensmittel, Getränke gebraucht werden“, sagt eine Frau. Eine Vielfalt von Suchtrupps hat sich im Katastrophengebiet etabliert. Sie stehen unter dem anscheinend losen Kommando des griechischen Zivilschutzes. Ein Kritikpunkt der Medien: Der Zivilschutz, die Gemeinden und die Feuerwehr hätten viel zu langsam kooperiert. Sie stellen sich die Frage, warum kein Befehl zur Evakuierung von Mati gegeben wurde; warum niemand da war, um die Flucht der Menschen zur Küste zu koordinieren.
Die Sonne geht unter. Die Flutlichter der Rettungsmannschaften und der Kamerateams tauchen den Strand in grelles Licht, der Rest des Katastrophengebiets versinkt in Dunkelheit. Polizei patrouilliert durch die Gassen, um Plünderungen zu verhindern.