Thomas meistert „verrückte Prüfung“
Radsport. Der Kolumbianer Nairo Quintana gewann den Bergsprint der 17. Tour-Etappe, Geraint Thomas baute den Vorsprung in der Gesamtwertung aus. Das neue Startformat überzeugte nicht.
Gerade einmal 65 Kilometer war die 17. Etappe der Tour de France am Mittwoch lang, die aber hatte es in sich. Der Pyrenäen-Abschnitt von Bagn`eres-de-Luchon nach SaintLary-Soulan galt als einer der tückischsten dieser 105. Auflage. Streckenchef Thierry Gouvenou sprach angesichts der 3270 Höhenmeter gar von einer „verrückten Prüfung“. Es war ein Bergsprint der anspruchsvollsten Sorte, denn von den 65 Kilometern gingen 40 bergauf, 26 davon mit einer Durchschnittssteigung von acht Prozent und mehr – etwa die Haarnadeln des Schlussanstiegs hinauf zum Col du Portet, mit 2215 Metern der höchste Punkt der Rundfahrt.
Schon der Start in Bagn`eresde-Luchon wartete mit einer besonderen Neuerung auf: Statt des klassischen neutralisierten Anfahrens gingen die ersten zehn der Gesamtwertung angeführt von Geraint Thomas im Gelben Trikot aus einer pfeilförmigen Formation samt Platzmarkierung ins Rennen, dahinter folgte das Peloton in wei- teren Gruppen. Das von Tour-Direktor Christian Prudhomme angepriesene „ultradynamische Format“entpuppte sich jedoch als kaum packende Show. Wer sich Manöver im Stile der Formel 1 oder MotoGP erhofft hatte, wurde enttäuscht. Die Helfer schlossen alsbald zu ihren Kapitänen auf.
Das Sky-Team um Spitzenreiter Thomas ließ sich nicht aus der Reserve locken, erst spät bekamen die zahlreichen Zuschauer entlang der Strecke die erhofften Angriffe zu sehen. Als kurz vor dem Ziel der drittplatzierte Tom Dumoulin eine letzte Attacke lancierte, konnte Thomas im Gegensatz zu Chris Froome mithalten – und der Traum vom ersten Tour-Triumph rückt für den Waliser damit näher. Titelverteidiger Froome fiel sogar noch hinter den Niederländer Dumoulin auf Rang drei zurück.
Den 5000-Euro-Scheck für den Tagessieg sicherte sich Kletterspezialist Nairo Quintana, der sechs Kilometer vor dem Ziel sein Solo startete. Angesichts des noch ausstehenden Zeitfahrens am Samstag ist der Kolumbianer im Klassement jedoch chancenlos. Heute steht die Flachetappe von Trie-surBa¨ıse nach Pau (13.50 Uhr, live Eurosport) auf dem Programm.
Fahrt nach Kniescheibenbruch
Nicht mehr an den Start ging der am Vortag schwer gestürzte Philippe Gilbert. Der belgische QuickStep-Profi hatte auf der 16. Etappe wieder einmal die große Leidensfähigkeit von Radprofis eindrucksvoll unter Beweis gestellt und war nach seinem unfreiwilligen Abflug – Kopf voran – über eine Steinmauer fünf Meter die Böschung hi- nab mit zahlreichen blutenden Abschürfungen zwar noch ins Ziel gefahren, die später in einem Spital in Toulouse gestellte Diagnose „gebrochene Kniescheibe“zwang ihn jedoch zur Aufgabe.
„Ich habe Glück gehabt. Wirklich viel Glück“, betonte der 36-Jährige. Schließlich liegt die Unfallstelle auf der Abfahrt vom Col de Portet d’Aspet in unmittelbarer Nähe des Denkmals für den 1995 tödlich verunglückten Italiener Fabio Casartelli. Auch Gilbert durchlebte bange Momente, wie er schilderte: „Ich war geschockt, als ich fiel. Es war ziemlich tief und ich landete auf dem Rücken und sah um mich nur Steine. Ich dachte, ich hätte alles gebrochen. Zunächst wagte ich gar nicht, mich zu bewegen.“Den Unfall nahm der ExWeltmeister auf seine Kappe. „Es war mein Fehler. Ich habe die Kurve falsch angefahren und zu wenig mit der Vorderbremse gebremst.“