Aufregung um die Mietvertragsgebühr
Judikaturwende. Bei Geschäftsraummieten fällt die Vertragsgebühr nach wie vor an – und wurde durch eine Änderung in der Rechtsprechung in vielen Fällen teurer. Sogar Nachzahlungen werden vorgeschrieben, die Verunsicherung ist groß.
In der Immobilienbranche herrscht Unruhe, bei Mietern von Geschäftsräumen auch. Grund ist die Mietvertragsgebühr: Diese wurde zwar für Wohnungsmietverträge abgeschafft, nicht aber für den gewerblichen Bereich. Und durch eine neue Judikaturlinie müssen viele Firmen jetzt wesentlich mehr berappen als früher. Sogar für bereits vergebührte Altverträge drohen Nachzahlungen. So bestätigte etwa Rewe auf „Presse“-Anfrage, Gebührennachforderungen „im niedrigen sechsstelligen Bereich“erhalten zu haben.
Der Fiskus hole sich von den Unternehmen nun das zurück, was er durch den Wegfall der Mietvertragsgebühren für Wohnraum verloren habe, meinen manche Kritiker. Vor allem aber wird die Rechtsunsicherheit bemängelt. „Die Finanzverwaltung hält sich offensichtlich nicht mehr an ihre eigenen Richtlinien“, sagt Ingrid Winkelbauer, Steuerberaterin bei TPA. Und Alfred Nemetschke, der als Rechtsanwalt ebenfalls massiv mit dem Thema befasst ist, zeigt sich „fassungslos“ob des Verlusts an Rechts- und Investitionssicherheit. „Eine Katastrophe für die Immobilienszene. Ein Anschlag auf den Wirtschaftsstandort. Und eine Beschäftigungstherapie für Berater“, bringt er es auf den Punkt.
Aber wie kann es überhaupt dazu kommen, dass ohne Gesetzesänderung plötzlich ein Vielfaches an Gebühren anfällt? Die Fi- nanzverwaltung deutet, vereinfacht gesagt, in bestimmten Konstellationen unbefristet abgeschlossene Verträge in befristete um.
Bei langlaufenden Befristungen ist jedoch die Gebühr ungleich höher als bei unbefristeten Verträgen: Bei unbestimmter Dauer bildet die dreifache Jahresmiete die Bemessungsgrundlage, bei befristeten Verträgen gilt ein „dieser Vertragsdauer entsprechend vervielfachter Jahreswert“– bis maximal zum Achtzehnfachen. Geht der Vertrag danach in ein unbefristetes Mietverhältnis über, kommen noch drei Jahresmieten dazu. Von dieser Gesamtsumme zahlt man ein Prozent.
So werden jedoch neuerdings auch Verträge behandelt, die auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurden, wobei aber der Mieter für eine bestimmte Zeit auf sein Kündigungsrecht verzichtet hat. Und zwar selbst dann, wenn dem Vermieter laut Vertrag alle im Mietrechtsgesetz (§ 30 Abs. 2) verankerten Kündigungsgründe zustehen. Laut Fiskus ist in solchen Fällen nämlich eine vorzeitige Kündigung unwahrscheinlich. Das Bundesfinanzgericht (BFG) teilt diese Rechtsauffassung: Das Mietrechtsgesetz stelle primär auf die Wohnungsmiete ab, viele der dort enthaltenen Kündigungsgründe seien bei Geschäftsräumen gar nicht anwendbar oder kämen nur zum Tragen, wenn der Mieter seine Vertragspflichten verletze, heißt es in einer Entscheidung, die aufgrund einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) landete. Und die nun – zur Überraschung vieler – auch dort bestätigt wurde: Der VwGH wies die Revision zurück.
Ob die Vertragsdauer als bestimmt oder unbestimmt anzusehen sei, hänge davon ab, wie umfassend die Kündigungsrechte sind, aber auch, „wie wahrscheinlich es ist, dass ein Kündigungs- recht ausgeübt werden kann“, so der VwGH (Ra 2018/16/0040). Auch wenn alle Kündigungsgründe laut § 30 MRG vereinbart sind, könne „eine Unwahrscheinlichkeit der Realisierung (...) zum Ergebnis führen, von einem Vertrag auf bestimmte Dauer auszugehen“.
Winkelbauer weist auf frühere VwGH-Judikatur hin, die das Gegenteil besagt. Lediglich wenn nur einzelne Kündigungsgründe gelten sollten, habe der VwGH demnach die Realisierungswahrscheinlichkeit geprüft. Genau so sei es auch in die Gebührenrichtlinien der Finanzverwaltung übernommen worden: „Dort heißt es, dass bei Vereinbarung aller denkmöglichen Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG ein Vertrag von unbestimmter Dauer vorliegt.“
Dass diese klare Linie nun passe´ ist, enttäusche das Vertrauen der Steuerzahler in Verwaltungspraxis und Rechtsprechung, sagt die Steuerberaterin. „Wenn man die Rechtslage bzw. Praxis ändern will, dann sollte das der Gesetzgeber für die Zukunft machen und nicht die Verwaltung rückwirkend für die Vergangenheit.“
Nebenbei bemerkt: Bis vor kurzem hofften Unternehmen sogar, die Mietvertragsgebühr könnte für sie überhaupt wegfallen. So meinte etwa der Handelsverband, mit einer ähnlichen Regelung wie im privaten Bereich könnte man „mittelständische Unternehmen und Start-ups entlasten und positive Arbeitsplatzeffekte realisieren“.