Hochzeiten verpasst man nicht!
Bayreuth. Österreichische Lebenszeichen bei den Erneuerungs-Aktivitäten der WagnerFestspiele. Klaus Lang komponierte eine Oper, Azis Sadikovic dirigiert den „Ring für Kinder“.
Kinder, schafft Neues“, forderte Richard Wagner. Dergleichen lässt sich seine Urenkelin Katharina nicht zweimal sagen. Sie rief im Vorjahr die Reihe „Diskurs Bayreuth“ins Leben, mit der das Spektrum der Festspiele erweitert werden soll.
Im großen Haus auf dem Grünen Hügel spielt man zwar, wie vom Urgroßvater gewünscht, nach wie vor nur dessen zehn für den Festspielbetrieb „kanonisierte“Musikdramen. Rundherum aber gibt es Symposien, szenische Produktionen und Konzerte, die das Festival mitten ins 21. Jahrhundert führen – und neues Publikum heranziehen sollen.
Am Vorabend der „Lohengrin“-Premiere wurde im Rahmen dieser Initiative heuer erstmals ein Auftragswerk der Festspiele uraufgeführt: Im „Reichshof“, einem seit langem stillgelegten Kinosaal aus den Zwanzi- gerjahren des vorigen Jahrhunderts, gab man „der verschwundene hochzeiter“von Klaus Lang.
Aus Österreich kam also der avantgardistische Beitrag zum Festspielauftakt - und eine altösterreichische Sage liegt dem Stück, das Paul Esterhazy mit dem Videokünstler optisch realisiert hat, zugrunde.
Die Assoziation zu Strawinskys „Geschichte vom Soldaten“ist nicht weit hergeholt: Ein Bräutigam wird drei Tage vor seiner Vermählung von einem Fremden zu einer andern Hochzeit eingeladen – die Zeit- und Realitätsebenen verschwimmen: aus drei Tagen werden 300 Jahre. Angesichts seiner „Verspätung“muss der „verschwundene Hochzeiter“zu Staub zerfallen.
Auch in Klaus Langs extrem reduzierter Musik scheint die Zeit immer wieder stillzustehen. Das Ictus Ensemble und die Stimmen von Cantando Admont umkreisen im „Reichshof“förmlich das Publikum.
Im intimen Rahmen werden in Bayreuth aber auch die Jüngsten mit künstlerischen Extremwerten konfrontiert: Die Probebühne IV gleich neben dem Festspielhaus wird zum Kindertheater.
Man gibt den „Ring des Nibelungen“auf zwei Stunden reduziert, teils so simpel wie möglich, aber nachvollziehbar in gesprochene Dialoge gefasst. Als Auslöser der großen Katastrophe im Mittelakt der „Walküre“genügt der Ehebruch; den Inzest spart man rücksichtsvoll aus.
Zwischen den Kasperltheater-Elementen aber regieren kräftigen Stimmen – allen voran jene von Wotan Jukka Rasilainen! – und damit das vokale Überwältigungspotential der Wagnerschen Musik. Endlose „Wälse-Rufe“inklusive, zieht sie das jugendliche Publikum spürbar in ihren Bann, auch weil, apropos österreichische Beteiligung, der junge, in Wien ausgebildete Dirigent Azis Sadikovic am Pult des Brandburgischen Staatsorchesters aus Frankfurt an der Oder die zwar für kleine Besetzung arrangierte, aber dennoch mächtig wirkende Klangorgie mit viel Gespür für die richtige Klangdramaturgie inszeniert.
Das Nachwuchspublikum, das begeistert mitmacht, wenn es darum geht, mit Tüchern die Fluten des Rheins zu imitieren oder durch stimmstarkes Abstimmungsverfahren die Handlung zu stimulieren, lauscht auch in den Zwischenspielen, in denen die Musik allein regiert, gespannt. Der alte Theatermagier hat seine „Kinder“in der Hand, seine Musik wirkt auf jede Generation „neu“. Keine Zukunftssorgen also in Bayreuth . . .