Zu viele Hürden zum Urlaubsglück
Reisezeit. Streiks, Pannen, Ausfälle: Wer in diesen Tagen in Europa seine Ferien verbringt, muss sich auf einiges gefasst machen. Über Gründe und Hintergründe.
Stau auf der Strada del Sole, auf dem Weg in den Süden: Das gab es schon immer, darauf konnte man sich einstellen. Aber heuer bietet der Start der Hauptreisezeit auch neue, unerwartete Hürden: streikende Rettungsschwimmer und Taxifahrer in Spanien, Zugchaos in Frankreich, ein geräumter Terminal in München, dazu jede Menge verspätete und ausgefallene Flüge. Was oft klare ökonomische Ursachen hat. Ein Überblick.
Kein Bad im Meer
Es müssen nicht immer Piloten sein: An Spaniens Atlantikküste streiken zurzeit die Rettungsschwimmer. Sie fordern mehr Lohn für weniger Arbeit. Besonders erbost sie, dass die Regierung des Baskenlandes vorsorglich ein Minimalservice von 80 Prozent angeordnet hat. Dabei gibt es aus Sicht der Gewerkschaft „kein Recht der Bürger aufs Baden“, das der Staat garantieren müsse. Also machen die braun gebrannten „socorristas“einen besonderen Dienst nach Vorschrift: Sie hissen auch bei ruhiger See das rote Fähnchen und pfeifen jeden aus dem Wasser, der es wagt, mehr als nur seine Füße zu benetzen. Die Feriengäste gehen einzig mit ihrem Wunsch nach Erfrischung baden. Und ihr Urlaub verläuft im Sand.
Chaos auf Airport
Schlimmer haben es die Passagiere erwischt, die am Wochenende auf dem Flughafen München gestrandet sind, pünktlich zum Start der bayerischen Ferien. Nachdem eine Frau ungehindert durch die Sicherheitskontrolle spaziert war, evakuierte die Polizei gleich sicherheitshalber einen ganzen Terminal. 330 Flüge fielen aus, die Massen stauten sich im überhitzten Check-in-Bereich. 2000 übernachteten dort, wenig romantisch, auf Feldbetten. Vielleicht kriegen sie keine Entschädigung, wenn die Panne als „außergewöhnliche Ursache“laut EU-Recht durchgeht. Nicht überraschen kann hingegen, dass die Schlangen auch in Berlin, Frankfurt und Düsseldorf immer länger werden: Die Airport-Infrastruktur wächst dort zu langsam für die rasant steigenden Passagierzahlen.
Stau am Himmel
Aber auch über den Wolken wird es eng. Die Flugsicherungsorganisation Eurocontrol rechnet damit, dass der europäische Luftverkehr bis 2040 um 53 Prozent zunimmt, auf 16 Millionen Flüge pro Jahr. Ohne mehr Fluglotsen, an denen es heute schon mangelt, sind dann sieben Mal mehr Flüge stark verspätet als heute. Dieses Jahr liefert dafür einen bitteren Vorgeschmack. Bei Ryanair stehen nach einer Urabstimmung der Piloten am Montag neue Streiks vor der Tür; von der ersten Welle im Juli waren 100.000 Passagiere betroffen. In Deutschland ist die Zahl der zur Gänze annullierten Flüge im ersten Halbjahr um zwei Drittel gestiegen. Der Hauptgrund: Nach der Pleite von Air Berlin sicherten sich Konkurrenten, vor al- lem die Lufthansa-Tochter Eurowings, schnell die Start- und Landerechte. Damit die begehrten Slots nicht gleich wieder verfallen, bieten sie Flüge an, auch ohne ausreichend Personal und Maschinen. Nun fordern die Reisebüros, die sich täglich mit entnervten Kunden herumschlagen müssen, eine Entschädigung von Lufthansa.
Kein schöner Zug
Bei den Franzosen könnte man sagen: Selbst schuld. Warum müssen sie auch (fast) alle gleichzeitig mit dem Auto zum Auguststart in den Urlaub fahren? Was jedes Jahr verlässlich für 400 bis 800 Kilometer kumulierten Stau sorgt. Aber auch wer heuer brav und schlau auf den Zug umstieg, wurde nicht verschont: Auf dem Pariser Bahnhof Montparnasse legte am Freitag der Brand eines Hochspannungstrafos des Stromnetzbetreibers den Schienenverkehr lahm. Noch immer fällt die Hälfte der Züge in die Bretagne und den Südwesten aus. Es dauert über eine Woche, bis die Staatsbahn SNCF den Fahrplan wieder einhalten kann. Schuld ist sie nicht. Aber das war sie, im gleichen Bahnhof, vor exakt einem Jahr, als eine Panne bei einer Signalstation Zehntausende Reisende blockierte. Auch viele ausländische Urlauber, die mit dem Schnellzug TGV zum Pariser Flughafen mussten und so ihren Flug versäumten.
Alle gegen Uber
Wer dieser Tage nach Barcelona, Madrid oder Valencia fliegt, kommt vielleicht sogar pünktlich an. Aber auf ein Taxi in die Stadt muss man verzichten: Die Taxler streiken gegen neue Konkurrenten wie Uber. Zu Hundertschaften parken sie die Fahrbahnen im Zentrum voll und sorgen so für Megastaus. Auf ein Uber umsteigen? Lieber nicht: Es kam schon zu hitzigen Attacken, auch im Beisein von Passagieren. Ach, das südländische Temperament. Ach, welch schöner Urlaub.