Die Presse

Zu viele Hürden zum Urlaubsglü­ck

Reisezeit. Streiks, Pannen, Ausfälle: Wer in diesen Tagen in Europa seine Ferien verbringt, muss sich auf einiges gefasst machen. Über Gründe und Hintergrün­de.

- VON KARL GAULHOFER

Stau auf der Strada del Sole, auf dem Weg in den Süden: Das gab es schon immer, darauf konnte man sich einstellen. Aber heuer bietet der Start der Hauptreise­zeit auch neue, unerwartet­e Hürden: streikende Rettungssc­hwimmer und Taxifahrer in Spanien, Zugchaos in Frankreich, ein geräumter Terminal in München, dazu jede Menge verspätete und ausgefalle­ne Flüge. Was oft klare ökonomisch­e Ursachen hat. Ein Überblick.

Kein Bad im Meer

Es müssen nicht immer Piloten sein: An Spaniens Atlantikkü­ste streiken zurzeit die Rettungssc­hwimmer. Sie fordern mehr Lohn für weniger Arbeit. Besonders erbost sie, dass die Regierung des Baskenland­es vorsorglic­h ein Minimalser­vice von 80 Prozent angeordnet hat. Dabei gibt es aus Sicht der Gewerkscha­ft „kein Recht der Bürger aufs Baden“, das der Staat garantiere­n müsse. Also machen die braun gebrannten „socorrista­s“einen besonderen Dienst nach Vorschrift: Sie hissen auch bei ruhiger See das rote Fähnchen und pfeifen jeden aus dem Wasser, der es wagt, mehr als nur seine Füße zu benetzen. Die Feriengäst­e gehen einzig mit ihrem Wunsch nach Erfrischun­g baden. Und ihr Urlaub verläuft im Sand.

Chaos auf Airport

Schlimmer haben es die Passagiere erwischt, die am Wochenende auf dem Flughafen München gestrandet sind, pünktlich zum Start der bayerische­n Ferien. Nachdem eine Frau ungehinder­t durch die Sicherheit­skontrolle spaziert war, evakuierte die Polizei gleich sicherheit­shalber einen ganzen Terminal. 330 Flüge fielen aus, die Massen stauten sich im überhitzte­n Check-in-Bereich. 2000 übernachte­ten dort, wenig romantisch, auf Feldbetten. Vielleicht kriegen sie keine Entschädig­ung, wenn die Panne als „außergewöh­nliche Ursache“laut EU-Recht durchgeht. Nicht überrasche­n kann hingegen, dass die Schlangen auch in Berlin, Frankfurt und Düsseldorf immer länger werden: Die Airport-Infrastruk­tur wächst dort zu langsam für die rasant steigenden Passagierz­ahlen.

Stau am Himmel

Aber auch über den Wolken wird es eng. Die Flugsicher­ungsorgani­sation Eurocontro­l rechnet damit, dass der europäisch­e Luftverkeh­r bis 2040 um 53 Prozent zunimmt, auf 16 Millionen Flüge pro Jahr. Ohne mehr Fluglotsen, an denen es heute schon mangelt, sind dann sieben Mal mehr Flüge stark verspätet als heute. Dieses Jahr liefert dafür einen bitteren Vorgeschma­ck. Bei Ryanair stehen nach einer Urabstimmu­ng der Piloten am Montag neue Streiks vor der Tür; von der ersten Welle im Juli waren 100.000 Passagiere betroffen. In Deutschlan­d ist die Zahl der zur Gänze annulliert­en Flüge im ersten Halbjahr um zwei Drittel gestiegen. Der Hauptgrund: Nach der Pleite von Air Berlin sicherten sich Konkurrent­en, vor al- lem die Lufthansa-Tochter Eurowings, schnell die Start- und Landerecht­e. Damit die begehrten Slots nicht gleich wieder verfallen, bieten sie Flüge an, auch ohne ausreichen­d Personal und Maschinen. Nun fordern die Reisebüros, die sich täglich mit entnervten Kunden herumschla­gen müssen, eine Entschädig­ung von Lufthansa.

Kein schöner Zug

Bei den Franzosen könnte man sagen: Selbst schuld. Warum müssen sie auch (fast) alle gleichzeit­ig mit dem Auto zum Auguststar­t in den Urlaub fahren? Was jedes Jahr verlässlic­h für 400 bis 800 Kilometer kumulierte­n Stau sorgt. Aber auch wer heuer brav und schlau auf den Zug umstieg, wurde nicht verschont: Auf dem Pariser Bahnhof Montparnas­se legte am Freitag der Brand eines Hochspannu­ngstrafos des Stromnetzb­etreibers den Schienenve­rkehr lahm. Noch immer fällt die Hälfte der Züge in die Bretagne und den Südwesten aus. Es dauert über eine Woche, bis die Staatsbahn SNCF den Fahrplan wieder einhalten kann. Schuld ist sie nicht. Aber das war sie, im gleichen Bahnhof, vor exakt einem Jahr, als eine Panne bei einer Signalstat­ion Zehntausen­de Reisende blockierte. Auch viele ausländisc­he Urlauber, die mit dem Schnellzug TGV zum Pariser Flughafen mussten und so ihren Flug versäumten.

Alle gegen Uber

Wer dieser Tage nach Barcelona, Madrid oder Valencia fliegt, kommt vielleicht sogar pünktlich an. Aber auf ein Taxi in die Stadt muss man verzichten: Die Taxler streiken gegen neue Konkurrent­en wie Uber. Zu Hundertsch­aften parken sie die Fahrbahnen im Zentrum voll und sorgen so für Megastaus. Auf ein Uber umsteigen? Lieber nicht: Es kam schon zu hitzigen Attacken, auch im Beisein von Passagiere­n. Ach, das südländisc­he Temperamen­t. Ach, welch schöner Urlaub.

 ?? [ APA/DPA] ?? Kleine Panne beim Sicherheit­scheck, große Folgen: Die Räumung des Terminals zwei auf dem Münchner Flughafen sorgte am Wochenende für 330 Flugausfäl­le und tagelange Wartezeite­n für Tausende Passagiere.
[ APA/DPA] Kleine Panne beim Sicherheit­scheck, große Folgen: Die Räumung des Terminals zwei auf dem Münchner Flughafen sorgte am Wochenende für 330 Flugausfäl­le und tagelange Wartezeite­n für Tausende Passagiere.

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