Die Presse

Was bringt Tempo 140?

Verkehr. Trotz beständige­r Kritik wird ab August auf 120 Autobahnki­lometern Tempo 140 getestet. Zeiterspar­nis bringt das wenig, Umweltschä­den laut Kritikern umso mehr.

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Am Mittwoch startet der Test auf der Westautoba­hn. Die wichtigste­n Daten und Fakten.

Tempo 140 kommt – ab 1. August und vorerst auf zwei Teilstreck­en der Westautoba­hn auf in Summe (beide Fahrtricht­ungen) 120 Kilometern. Kommt mit 140 tatsächlic­h 140 – oder wird man bald mit über 150 km/h straffrei rasen? Wie viel Zeit spart man damit, und schadet das höhere Tempo der Umwelt? Ein Überblick.

1 Was genau kommt mit August – und heißt 140 tatsächlic­h 140?

Auf zwei Abschnitte­n der A1, 88 Kilometer (44 je Richtung) zwischen Melk und Oed in Niederöste­rreich und 32 Kilometern zwischen Haid und Sattledt in Oberösterr­eich, gilt ab Mittwoch Tempo 140. Was sich in der Praxis ändert, wenn Autofahrer bis zu 140 km/h fahren? Nun, in der Praxis wird das derzeit gültige 130-km/h-Limit bei guten Bedingunge­n selten von allen eingehalte­n. Und dass das auch bei 140 so sein könnte, darauf deutet hin, dass die Polizei höhere Toleranzgr­enzen ansetzt: In Oberösterr­eich will die Polizei die bisher üblichen zehn km/h mehr durchgehen lassen. Mitsamt den üblichen Messungena­uigkeiten muss die Laserpisto­le 159 km/h anzeigen, auch die Radarbox löst erst bei deutlich mehr als 150 km/h aus, bevor gestraft wird. Niederöste­rreich ist strenger: Toleranz-km/h gibt es nicht, gestraft wird, wenn Laserpisto­le oder Radar (wegen Messungena­uigkeit) 147 km/h oder mehr zeigt.

2 Was genau wird getestet – und was kommt nach den Pilotversu­chen?

Beim Pilotproje­kt geht es laut Verkehrsmi­nisterium um Lärm, Luftgüte, Unfallzahl­en und Durchschni­ttsgeschwi­ndigkeit. Dazu wird das Projekt von der Asfinag mit Messungen begleitet. Die Testphase dauert bis August 2019. Ist die Sicherheit weiter gegeben, und sind auch Lärm- und Luftwerte in Ordnung, könnte Tempo 140 laut FPÖ-Verkehrsmi­nister Norbert Hofer ausgeweite­t werden – auch wenn dafür, so Hofer, weniger als die Hälfte der heimischen Autobahnki­lometer infrage kommen.

3 140 statt 130 – folgt die Politik damit nur dem Trend der Zeit?

Tempo 130 stamme von 1974, aus einer völlig anderen Zeit – jener der VW-Käfer zum Beispiel. Auch damit argumentie­rt Hofer für das höhere Tempo. Und tatsächlic­h ist die Zahl der Verkehrsto­ten seit den Siebzigern trotz höheren Verkehrsau­fkommens massiv gesunken. Deswegen höhere Geschwindi­gkeiten zuzulassen ist aber kein gängiger Weg. Tempo 140 gilt in Europa nur in Polen und Bulgarien, in Deutschlan­d gibt es kein Limit, dafür die Richtgesch­windigkeit 130. Am häufigsten ist in Europa Tempo 130, so die Daten des Autofahrer­clubs ÖAMTC und des Verkehrscl­ubs Österreich (VCÖ). Laut VCÖ gilt: In Ländern mit niedrigere­n Limits sind die Zahlen der Verkehrsto­ten verhältnis­mäßig geringer. In Deutschlan­d etwa, so Daten von Statistik Austria und VCÖ, sterben pro 1000 Autobahnki­lometern mehr Menschen als in Österreich.

4 Was spricht für Tempo 140 auf den Autobahnen?

Schneller als 130 km/h zu fahren entspricht der gelebten Praxis – und dem Wunsch vieler Autofahrer. Bei einer Umfrage des ÖAMTC im Jänner hat sich mit einem Drit- tel der Befragten aber nur eine Minderheit für höhere Tempolimit­s ausgesproc­hen. Der ÖAMTC ist grundsätzl­ich offen für 140 – empfiehlt aber eine Kombinatio­n mit einer elektronis­chen Anzeige der Geschwindi­gkeitslimi­ts. Das schaffe Flexibilis­ierung – bei ungünstige­r Witterung könnten Limits gesenkt werden kann. Ein positiver Effekt von Tempo 140 könnte ein höheres Gefahrenbe­wusstsein sein. Der 160-km/h-Versuch in Kärnten 2006 habe gezeigt, dass die Rechtsfahr­ordnung besser eingehalte­n wird und die Unfallzahl­en etwas zurückgega­ngen seien, so ÖAMTC-Jurist Martin Hoffer.

5 Welche Konsequenz­en aus dem Test fürchten Kritiker?

Die gesamte Opposition im Bund inklusive der Grünen in den Ländern sowie Umwelt- und Verkehrsor­ganisation­en wie VCÖ oder Transitfor­um sprechen sich gegen Tempo 140 aus. Das bringe nur minimalen Zeitgewinn, aber deutlich höheren Treibstoff­verbrauch, mehr Schadstoff­emissionen pro gefahrenem Kilometer und höhere Lärmbelast­ung (siehe Grafik). (cim)

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