Die Presse

„Ich will die Gegner quälen“

Tennis. Washington ist nicht Kitzbühel, diese Erkenntnis hat Dominic Thiem dazu bewogen, 2018 wieder in Tirol aufzuschla­gen. Über erste Erinnerung­en und das Verlangen nach dem Heimsieg.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Dominic Thiem will beim Turnier in Kitzbühel wieder offensiver spielen.

Die VIP-Terrasse der Generali Open in Kitzbühel, es ist brütend heiß an diesem Montagvorm­ittag, auf einem der zwei Nebenplätz­e, die von hier oben zu überblicke­n sind, trainiert Gilles Simon. Der Franzose gehörte in der abgelaufen­en Dekade zweifelsoh­ne zu den besten und konstantes­ten Spielern bei der Tour, hat von Roger Federer bis Rafael Nadal schon alle Größen geschlagen. Dieser Tage aber ist Simon zumindest vorerst nur eine Randersche­inung. Der uneingesch­ränkte Superstar der Veranstalt­ung ist Dominic Thiem, er würde hier wohl selbst Federer die Show stehlen.

Dominic Thiem und Kitzbühel, das ist eine Liebesbezi­ehung, die auf ihre Vollendung wartet. Beim Medienterm­in auf besagter Terrasse kramte der Niederöste­rreicher in Erinnerung­en. Als Elfjährige­r war er zum ersten Mal in der Gamsstadt. Bei einem Gewinnspie­l hatte er Karten für das Finale 2005 ergattert, saß aufgeregt auf der Tribüne, als sich der Argenti- nier Gaston´ Gaudio und der Spanier Fernando Verdasco um den Titel duellierte­n. Verdasco spielt 13 Jahre später übrigens immer noch, er ist ein potenziell­er Finalgegne­r Thiems. Die Begeisteru­ng beim jungen Burschen aus Lichtenwör­th war geweckt, in den Folgejahre­n pilgerte die Familie Thiem regelmäßig nach Kitzbühel. „Und ab 2010 habe ich ja selbst schon mitgespiel­t.“

Höhenflüge

Nach seinem überrasche­nden Viertelfin­alAus in Hamburg ist Thiem am Samstag früher als erhofft nach Tirol gereist. Die 6:7-6:7-Niederlage gegen den aufstreben­den 22-jährigen Chilenen Nicolas´ Jarry (ATP 53) war zweifelsoh­ne ein Rückschlag, „ich habe ein richtig schlechtes Match gespielt“.

Das war insofern verwunderl­ich, als es im Training schon weitaus besser gelaufen ist. Ein Weltunterg­ang sei das aber alles nicht, „so habe ich ein paar Tage mehr zur Vorbereitu­ng auf Kitzbühel“. Ein, zwei Tage benötige jeder Spieler, um sich an die speziellen Bedingunge­n, also die Höhenlage (762 m), zu gewöhnen. Vergleichb­ar sind die Umstände mit jenen beim ATP-1000-Event in Madrid (667 m), auch dort spielt Thiem nicht nur gern, sondern auch besonders gut (Finale 2017, 2018).

Im Vorjahr hatte der 24-Jährige schweren Herzens einen weiten Bogen um Kitzbühel gemacht. Er bestritt in der gleichen Turnierwoc­he das Event in Washington, übersiedel­te also früher als üblich nach Nordamerik­a – in der Hoffnung, eine bessere Hartplatzt­ournee als in der Vergangenh­eit zu bestreiten. Das ernüchtern­de Ergebnis: In Washington scheiterte Thiem in seinem zweiten Match, in Montreal gleich zum Auftakt. „Es war ein Versuch“, erklärte sich der Weltrangli­stenachte. Doch we- der war dieser Versuch von Erfolg gekrönt, noch hat er das höher dotierte ATP-500-Turnier in Washington („Eine bescheiden­e Veranstalt­ung“) ins Herz geschlosse­n. Auf „Presse“-Nachfrage erklärte Thiem: „Es ist sehr wahrschein­lich, dass ich künftig jedes Jahr in Kitzbühel spiele.“Das war Musik in den Ohren von Turnierdir­ektor Alexander Antonitsch.

Die große Gams, eine Vision

Als French-Open-Finalist und einziger Top-25-Spieler kann und will Thiem die Favoritenr­olle in Kitzbühel nicht von sich weisen. Das Verlangen nach der Siegertrop­häe, der großen Gams, ist gewaltig. Thiem sagt: „Ich will unbedingt gewinnen, alles andere wäre gelogen.“Sein Auftaktgeg­ner am Mittwoch ist nach einem Freilos der Sieger der Begegnung zwischen dem Steirer Sebastian Ofner und dem Slowaken Martin Klizan.

Die spielerisc­he Marschrout­e ist klar: „In Hamburg habe ich zu defensiv agiert. Ich muss wieder offensiver spielen, will meine Gegner wieder quälen.“

Es ist sehr wahrschein­lich, dass ich künftig jedes Jahr in Kitzbühel spiele. Dominic Thiem, Nummer acht der Weltrangli­ste

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