„Ich will die Gegner quälen“
Tennis. Washington ist nicht Kitzbühel, diese Erkenntnis hat Dominic Thiem dazu bewogen, 2018 wieder in Tirol aufzuschlagen. Über erste Erinnerungen und das Verlangen nach dem Heimsieg.
Dominic Thiem will beim Turnier in Kitzbühel wieder offensiver spielen.
Die VIP-Terrasse der Generali Open in Kitzbühel, es ist brütend heiß an diesem Montagvormittag, auf einem der zwei Nebenplätze, die von hier oben zu überblicken sind, trainiert Gilles Simon. Der Franzose gehörte in der abgelaufenen Dekade zweifelsohne zu den besten und konstantesten Spielern bei der Tour, hat von Roger Federer bis Rafael Nadal schon alle Größen geschlagen. Dieser Tage aber ist Simon zumindest vorerst nur eine Randerscheinung. Der uneingeschränkte Superstar der Veranstaltung ist Dominic Thiem, er würde hier wohl selbst Federer die Show stehlen.
Dominic Thiem und Kitzbühel, das ist eine Liebesbeziehung, die auf ihre Vollendung wartet. Beim Medientermin auf besagter Terrasse kramte der Niederösterreicher in Erinnerungen. Als Elfjähriger war er zum ersten Mal in der Gamsstadt. Bei einem Gewinnspiel hatte er Karten für das Finale 2005 ergattert, saß aufgeregt auf der Tribüne, als sich der Argenti- nier Gaston´ Gaudio und der Spanier Fernando Verdasco um den Titel duellierten. Verdasco spielt 13 Jahre später übrigens immer noch, er ist ein potenzieller Finalgegner Thiems. Die Begeisterung beim jungen Burschen aus Lichtenwörth war geweckt, in den Folgejahren pilgerte die Familie Thiem regelmäßig nach Kitzbühel. „Und ab 2010 habe ich ja selbst schon mitgespielt.“
Höhenflüge
Nach seinem überraschenden ViertelfinalAus in Hamburg ist Thiem am Samstag früher als erhofft nach Tirol gereist. Die 6:7-6:7-Niederlage gegen den aufstrebenden 22-jährigen Chilenen Nicolas´ Jarry (ATP 53) war zweifelsohne ein Rückschlag, „ich habe ein richtig schlechtes Match gespielt“.
Das war insofern verwunderlich, als es im Training schon weitaus besser gelaufen ist. Ein Weltuntergang sei das aber alles nicht, „so habe ich ein paar Tage mehr zur Vorbereitung auf Kitzbühel“. Ein, zwei Tage benötige jeder Spieler, um sich an die speziellen Bedingungen, also die Höhenlage (762 m), zu gewöhnen. Vergleichbar sind die Umstände mit jenen beim ATP-1000-Event in Madrid (667 m), auch dort spielt Thiem nicht nur gern, sondern auch besonders gut (Finale 2017, 2018).
Im Vorjahr hatte der 24-Jährige schweren Herzens einen weiten Bogen um Kitzbühel gemacht. Er bestritt in der gleichen Turnierwoche das Event in Washington, übersiedelte also früher als üblich nach Nordamerika – in der Hoffnung, eine bessere Hartplatztournee als in der Vergangenheit zu bestreiten. Das ernüchternde Ergebnis: In Washington scheiterte Thiem in seinem zweiten Match, in Montreal gleich zum Auftakt. „Es war ein Versuch“, erklärte sich der Weltranglistenachte. Doch we- der war dieser Versuch von Erfolg gekrönt, noch hat er das höher dotierte ATP-500-Turnier in Washington („Eine bescheidene Veranstaltung“) ins Herz geschlossen. Auf „Presse“-Nachfrage erklärte Thiem: „Es ist sehr wahrscheinlich, dass ich künftig jedes Jahr in Kitzbühel spiele.“Das war Musik in den Ohren von Turnierdirektor Alexander Antonitsch.
Die große Gams, eine Vision
Als French-Open-Finalist und einziger Top-25-Spieler kann und will Thiem die Favoritenrolle in Kitzbühel nicht von sich weisen. Das Verlangen nach der Siegertrophäe, der großen Gams, ist gewaltig. Thiem sagt: „Ich will unbedingt gewinnen, alles andere wäre gelogen.“Sein Auftaktgegner am Mittwoch ist nach einem Freilos der Sieger der Begegnung zwischen dem Steirer Sebastian Ofner und dem Slowaken Martin Klizan.
Die spielerische Marschroute ist klar: „In Hamburg habe ich zu defensiv agiert. Ich muss wieder offensiver spielen, will meine Gegner wieder quälen.“
Es ist sehr wahrscheinlich, dass ich künftig jedes Jahr in Kitzbühel spiele. Dominic Thiem, Nummer acht der Weltrangliste