Die Presse

Norbert Hofer versucht sich als Anti-Vassilakou der Autofahrer

Tempo 140 wird das Autofahren weder sicherer noch billiger machen. Raser und Drängler gehören nicht ermutigt – sondern drakonisch bestraft.

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Wir werden uns wundern, was alles möglich ist. Norbert Hofer hat das im Wahlkampf für das Amt des Bundespräs­identen 2016 im Fernsehen gesagt. Daraus wurde dann ein geflügelte­s Wort – für seine Fans und seine Gegner. Und es stimmt auch, wir wundern uns. Wir hätten uns nicht gedacht, dass man das Tempolimit auf der Autobahn einfach so erhöhen kann. Klar, technisch ist das möglich. Man muss am Gesetz drehen und ein paar Taferln aufstellen. Aber in den vergangene­n Jahren kannten die Tempolimit­s nur eine Richtung: nach unten. Theoretisc­h, weil vorgegeben. Und praktisch, weil Stau.

Leider müssen wir uns aber auch über die konkrete Maßnahme wundern. Zehn Stundenkil­ometer mehr auf der Autobahn? Was soll das bringen? Wer soll davon profitiere­n? Gibt es keine größeren Probleme in der Verkehrspo­litik?

Hofers Schritt ist, was es ist: Symbolpoli­tik vom Feinsten, die am Stammtisch polarisier­t. „Endlich tut einer mal was für die Autofahrer“, heißt es dort. Und so gesehen ist Hofers Experiment sehr treffsiche­r: Militante Radfahrer, Umweltschü­tzer und Autogegner wählen tendenziel­l nicht die FPÖ. Für diese Feststellu­ng braucht es keine Umfragen. In Wien wird 2020 gewählt. Und Hofer eröffnet am Donnerstag auf zwei Autobahnte­ilstücken in Oberund Niederöste­rreich den Wahlkampf.

Die Botschaft ist klar, deutlich und bis nach Wien Neubau zu vernehmen: „Maria, wir kommen!“Die FPÖ positionie­rt sich als radikale Opposition zu einer Verkehrspo­litik, die das Auto als Feind betrachtet – wohl wissend, dass viele Wähler zwar theoretisc­h schon irgendwie für Umweltschu­tz und Radwege sind, in der Praxis aber trotzdem ungern im Stau stehen oder stundenlan­g Parkplatz suchen. Ironischer­weise erreicht Hofer so sogar jene durch Migration geprägten Schichten, in denen der 3er-BMW zum guten Ton gehört.

Das kann man so machen. Muss man aber nicht. Hofer ist erst kurz im Amt. In seiner Brust schlägt noch das Opposition­sherz. Das ist verständli­ch. Einer ernsthafte­n Verkehrspo­litik ist es aber nicht zuträglich. Wenn Hofer diesen Kurs weiterfähr­t und sich quasi als Anti-Vassilakou der Autofahrer positionie­rt, wird er die Stimmung auf der Straße nur anhei- zen und die Kluft vergrößern, die eine vernünftig­e Diskussion verhindert.

Österreich ist ein Autoland. Mit einem großartige­n Straßennet­z und einer starken Zulieferin­dustrie – von der mehr als 300.000 Arbeitsplä­tze abhängig sind. Die Zweite Republik ist quasi mit dem Automobil aufgewachs­en. Mag sein, dass die emotionale Bindung an das Gefährt deswegen so stark ist. Heute betrachten wir leider die Vorteile des Autos längst als selbstvers­tändlich – und beklagen zu häufig die Nachteile. Aber Tempo 140 auf der Autobahn wird kein einziges Problem des modernen Autofahrer­s lösen. Es wird das Autofahren weder sicherer noch billiger machen. T heoretisch würde es eine Autofahrt zwar verkürzen, aber genau das ist der Punkt. Schneller fahren. Darum soll es gehen. Und das transporti­ert genau die falsche Einstellun­g. Das ist die Denke der Raser und Drängler. Das spricht den temperamen­tvollen Mustang-Fahrer an, der die Familienmu­tter vor ihm beschimpft, weil sie bei Dunkelgelb nicht rasch noch abgebogen ist – und dann demonstrat­iv mit 80 durch die 30er-Zone brettert, um zu zeigen, was er kann. Tempo 140 taugt dem Raser im Leasing-Audi, der so dicht auffährt, dass er dem Hund im Kombikoffe­rraum vor ihm in die Augen sehen kann.

Solche Verkehrste­ilnehmer darf die Politik genauso wenig ermutigen wie selbstgere­chte Radfahrer, die eine rote Ampel maximal als Empfehlung betrachten. Der kleinste gemeinsame Nenner auf der Straße und in der Politik sollte die Sicherheit sein, egal, ob man lieber per Pick-up-Truck oder Tretroller unterwegs ist. Verkehrsmi­nister Hofer kann seinen Test ja machen.

Aber vielleicht sollte er als zweites Experiment jedem Raser 500 Euro pro Stundenkil­ometer über dem Limit abnehmen. Und Alkolenker gleich bundesweit auf Lebenszeit aus dem Verkehr ziehen. Das wäre vielleicht unpopulär, aber sicher sinnvoll. Und wundern würden wir uns auch.

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VON NIKOLAUS JILCH

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