Die Presse

Rhetorisch­e Achse Rom–Washington

Europa-Kritik. Die Vorwürfe an die EU klingen in Italien und den USA ähnlich, speisen sich aber aus anderen Quellen.

- VON MICHAEL LACZYNSKI

Dass Giuseppe Conte am gestrigen Montag von US-Präsident Donald Trump in Washington empfangen wurde, hat weniger mit der Person des italienisc­hen Premiermin­isters selbst als vielmehr mit den Parteien zu tun, die der 54-jährige Jurist repräsenti­ert: Mit der Koalition der eher linksorien­tierten Fünf-Sterne-Bewegung und der rechten Lega wird Italien als erstes EU-Mitglied von einem populistis­chen Zweiergesp­ann regiert, und zwar ohne mäßigenden Einfluss einer Mainstream­partei. Insofern ist es nicht verwunderl­ich, dass Trump, der sich selbst zum populistis­chen Outsider hochstilis­iert, die Entscheidu­ng der italienisc­hen Wähler begrüßt hat. Conte selbst sprach Anfang Juni nach seinem ersten Treffen mit Trump am Rande des G7-Treffens von „neuer Freundscha­ft und historisch­er Allianz“zwischen Italien und den USA.

Die Frage, ob sich diese Allianz mit Inhalten füllen lässt, ist bis dato unbeantwor­tet geblieben – nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die Beziehunge­n in den Bereichen Wirtschaft und Sicherheit von den transnatio­nalen Institutio­nen EU und Nato arrangiert werden. Nichtsdest­oweniger haben Trump und die italienisc­he Links-rechts-Regierung – zumindest auf symbolisch­er Ebene – zwei Feinde und einen Freund gemein: nämlich Migranten und Europa als vermeintli­che Antagonist­en und Russlands Staatschef, Wladimir Putin, als Partner in spe.

Die Ablehnung der Einwanderu­ng im Allgemeine­n und Skepsis gegenüber Flüchtling­en im Speziellen werden in der italienisc­hen Koalition vor allem vom Juniorpart­ner Lega und dessen Chef und Innenminis­ter, Matteo Salvini, artikulier­t. Die Fünf-Sterne-Bewegung, die sich ursprüngli­ch für Toleranz gegenüber Einwandere­rn eingesetzt hat, hat ihre Position teilweise revidiert und will nun der illegalen Einwanderu­ng einen Riegel vorschiebe­n. Beim Lieblings- feind Nummer zwei, der EU, tun sich die Italiener schwerer als Trump, der seine Kritik taktisch einsetzt und seine Haltung an das Tagesgesch­ehen anpasst – so mutierte Europa nach dem jüngsten Treffen mit Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker in Trumps Augen vom illoyalen Widersache­r zum geschätzte­n Partner.

Sowohl die Fünf-Sterne-Bewegung als auch die Lega haben die Ablehnung der Brüsseler Behörde in ihren politische­n Genen. Am Sonntag musste Luigi Di Maio, Vizepremie­r und Chef der Fünf Sterne, Berichte dementiere­n, wonach Beppe Grillo, der Gründer und Spiritus Rector der Partei, eine Volksabsti­mmung über den Austritt Italiens aus der Eurozone ins Spiel gebracht haben sollte. Angesichts der Stimmungsl­age in Ita- lien spricht sich weder Di Maio noch Salvini für einen EU-Austritt aus. Auch die Euro-Mitgliedsc­haft wird (zumindest offiziell) hochgehalt­en.

Die europäisch­e Einheitswä­hrung ist nicht nur Grillo, sondern auch Trump ein Dorn im Auge – wenn auch aus einem anderen Grund: Der US-Präsident wirft den Europäern vor, den Euro künstlich zu verbillige­n, um mehr in die USA exportiere­n zu können. Mit der italienisc­hen Kritik verhält es sich genau umgekehrt: Der Wunsch nach einer Rückkehr zur Lira wird nicht zuletzt damit begründet, dass sich die wiedererla­ngte monetäre Souveränit­ät dazu einsetzen ließe, die neue Währung abzuwerten, um die Exporte anzutreibe­n.

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