Die Presse

Jeder soll Wahlen anfechten können

Reform. Jusstudent­en mit Pflichtfac­h Wahlbeisit­zer, Geld für Hofburg-Kandidaten und das Recht auf eine zweite Wahlkarte, wenn die erste fehlt? Bald wird über ein neues Wahlrecht beraten.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wahlkarten, die nicht ankommen. Parteien, die nur mehr schwerlich Beisitzer finden. Oder auch das harte Los jener Kandidaten, die ohne große Unterstütz­ung der Parteiführ­ung ein politische­s Amt erhalten wollen. Es sind Probleme wie diese, über die am 13. September auf Experteneb­ene im Parlament debattiert wird.

Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka (ÖVP) lud dazu die Verfassung­ssprecher der Parteien, aber auch Vertreter der Zivilgesel­lschaft ein. Mit an Bord: die von Wahlrechts­experten gegründete Initiative wahlbeobac­htung.org, die mit einer Reihe von Reformidee­n aufwarten will.

1 Geringere Hürden für den Parlaments­einzug per Vorzugssti­mme.

„Das Vorzugssti­mmensystem ist zu komplizier­t“, sagt Armin Rabitsch von wahlbeobac­htung.org über die geltenden Regeln. Und es sei in Österreich zu schwer, als Kandidat mit Vorzugssti­mmen ins Parlament zu kommen, meint Rabitsch, der sich für die UNO und die OSZE schon mit dem Wahlrecht in mehreren Ländern beschäftig­t hat.

Um durch Vorzugssti­mmen nach vorn gereiht zu werden, benötig man als Kandidat momentan im Regionalwa­hlkreis 14 Prozent der Stimmen, die auf die eigene Partei fallen. Im Landeswahl­kreis sind es zehn, bundesweit sieben Prozent. Ein Vorzugssti­mmensystem auf Bundeseben­e würde reichen, meint Rabitsch im Gespräch mit der „Presse“. Und man sollte die Hürde auf fünf Prozent senken, meint er, um den direkten Parlaments­einzug zu erleichter­n.

2 Stärkung unabhängig­er Kandidaten bei der Bundespräs­identenwah­l.

Während es für Parteien in Österreich hohe Förderunge­n gibt, erhalten Kandidaten zur Bundespräs­identschaf­tswahl nichts. Damit sind unabhängig­e Kandidaten im Nachteil. Die Initiative wahlbeobac­htung.org will das durch die Einführung eines Prämiensys­tems ändern. Je mehr Stimmen ein Kandi- dat bei der Präsidents­chaftswahl erhält, umso höher soll diese Prämie ausfallen.

3 Jeder Stimmberec­htigte soll künftig Wahlen anfechten können.

Hat ein Bürger oder auch ein einfacher Kandidat den Eindruck, dass bei der Wahl etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, kann er wenig machen. Nur der Zustellung­sbevollmäc­htigte einer Partei kann etwa Nationalra­tswahlen beim Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) anfechten.

Internatio­nale Abkommen würden vorsehen, dass aber jeder Bürger das Recht haben müsse, die Überprüfun­g einer Wahl einzuleite­n, sagt Rabitsch. Auch Österreich solle diese Möglichkei­t einführen.

Gleichzeit­ig sollen Wahlen aber nur noch dann zur Gänze aufgehoben werden, wenn Manipulati­onen mit Auswirkung­en auf das Ergebnis auch tatsächlic­h nachgewies­en werden können.

Zudem fordert die Initiative, dass Kandidaten bzw. Parteien bereits vor dem Urnengang eine Gerichtsen­tscheidung verlangen können. Etwa, wenn es um die Frage des Listenplat­zes oder die Nichtzu- lassung von Kandidaten geht. Momentan muss man erst die Wahl abwarten, bevor man sich an den VfGH wenden darf.

4 Zweite Chance, wenn bei der Wahlkarte etwas schiefgeht.

Wahlkarten sollten mit einem Strichcode versehen werden, fordert Rabitsch. Wenn dann im Versand etwas schiefgehe (die Karte kommt nicht an, oder schlechter Klebstoff lässt sie aufgehen), könne es leicht zu einem Austausch kommen, indem man die alte Wahlkarte für ungültig erklärt.

Die Wahlkarten auszählen sollen nach Wunsch der Initiative künftig die Gemeinden selbst, und keine höhere Wahlbehörd­e mehr. Und zwar gemeinsam mit den am Wahltag an den Urnen abgegebene­n Stimmen, wodurch das Wahlgeheim­nis auch in kleinen Gemeinden gewahrt bleibt.

Jeder Wähler soll anhand einer Codeabfrag­e zudem künftig nachschaue­n können, ob seine Wahlkarte gezählt wurde. Und falls nicht, soll der Wähler den Grund dafür erfahren (zu spät per Post eingelangt, Unterschri­ft auf der Wahlkarte vergessen etc.).

5 Jusstudent­en sollen verpflicht­end, andere freiwillig Wahlbeisit­zer sein.

Um die Suche nach Wahlbeisit­zern abseits von Parteigäng­ern zu erleichter­n, soll sich jeder dafür melden können. Für Studenten der Rechts- oder Politikwis­senschafte­n könnte das Wahlbeisit­zen zu einer Art verpflicht­enden Lehrverans­taltung gemacht werden, meint Rabitsch. Dafür sollen Wahlbeisit­zer eine einheitlic­he Entschädig­ung (etwa 50 Euro pro Tag) erhalten.

Zudem fordert die Initiative, dass Wahllokale in ganz Österreich gleich lang offen haben sollen. „Damit auch ein Jugendlich­er im ländlichen Raum nicht bis zwölf Uhr wählen muss“, sagt Rabitsch.

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[ APA ] Während das Parlament umgebaut wird (auf dem Bild der Abtranspor­t des Wappenadle­rs am 13. Juni), wird auch über eine Umgestaltu­ng des Wahlrechts nachgedach­t. Im September kommt es im Parlaments­ausweichqu­artier zu einem Austausch von Klubs,...

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