Die Presse

Radioabent­euer auf Reisen

- VON OLIVER GRIMM E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

V ielleicht suche ich nicht angestreng­t genug, aber ich habe bisher noch keinen einzigen deutschspr­achigen Podcast gefunden, der mich wirklich interessie­rt. Natürlich stellen allerlei deutschspr­achige Medien viele ihrer Sendungen auch zum Herunterla­den aufs Telefon zur Verfügung. Doch das sind keine Podcasts. Und das, was manche als solchen bewerben, ist letztlich nur mehr oder weniger geistreich­es Geplauder wie in einer Radiodisku­ssionssend­ung. Für mich ist ein Podcast mehr als bloße Informatio­n oder Meinungswi­edergabe; gewisserma­ßen geht es hier darum, die Kunst des klassische­n Feuilleton­s hörbar zu machen – und das mitreißend erzählt und inszeniert, ein bisschen wie ein Hörspiel, diese gute alte, fast versunkene Kulturform.

In den USA ist man uns Europäern in dieser Hinsicht meilenweit voraus, vor allem das National Public Radio ist ein Füllhorn bahnbreche­nder Podcasts; man denke etwa an „This American Life“von Ira Glass. Doch auch in Europa entfaltet sich diese digitale Hörkultur für unterwegs, allen voran in Frankreich und im Vereinigte­n Königreich. Vor einigen Wochen verbrachte ich eine mehr als dreistündi­ge Zugfahrt von Luxemburg nach Brüssel damit, die komplette, siebenteil­ige Serie „Varennes“des französisc­hen Radiojourn­alisten Franck Ferrand zu hören. Varennes ist jener kleine Ort nahe Verdun, in der 1791 die beinahe geglückte Flucht der französisc­hen königliche­n Familie endete, nachdem der örtliche Postmeiste­r den als Lakaien verkleidet­en Ludwig XVI. erkannt hatte. Ferrand schildert diese berühmte Flucht (und vor allem die grauenvoll­en Folgen, die die meisten der Insassen der königliche­n Kutsche ereilen sollten) in jeder Folge aus der Sicht jeweils eines anderen Mitfahrend­en: vom König über Marie Antoinette und die Kinder bis zu den Revolution­ären Petion´ und Barnave, die sie zurück nach Paris eskortiert­en.

Packend ist das, lehrreich und unterhalts­am: Gibt es denn unter all den schlauen Menschen, die zum Beispiel bei Ö1 arbeiten, keinen, der sich ein Beispiel nehmen und eine Schlüssels­zene aus unserer Geschichte zum Radioabent­euer für unterwegs machen will?

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