Fremd sein oder dazugehören? Schlüsselfrage für die Menschen
Ob man fremd bleibt in einer Gemeinschaft oder dazugehört, wurzelt in Anlagen, die allen Menschen gemeinsam sind.
S eltsam: Menschen aller Zeiten und Kulturen sehnen sich am meisten nach Frieden und Harmonie. Tatsächlich aber investieren sie in ihren Bekanntenkreisen, in der Gesellschaft und zwischenstaatlich jede Menge Energie in Konflikte – einmal mehr, einmal weniger, je nach vorherrschenden sozialen und politischen Systemen und Interessen. Wie rasch sich die Dinge ändern können, sehen wir gerade in den von Donald Trump verursachten Wirren.
Kain und Abel lebten bereits unter den altsteinzeitlichen Jägern und Sammlern. Schon die Stammeskrieger unserer innerhalb von Klans recht egalitär organisierten Vorfahren metzelten gelegentlich ihre Nachbarn nieder und verspeisten sie zum Teil auch in animistischen Ritualen. Das große Hauen und Stechen begann aber erst so richtig mit dem Sesshaftwerden, jener Neolithischen Revolution, die ziemlich gleichzeitig in Südostasien, Südamerika und im Nahen Osten vor etwa 6000 bis 10.000 Jahren aus den „edlen Wilden“(in den Köpfen ewiger Romantiker) kleinkariert planende, egoistische Zivilisationsmenschen machte. Den selbst ernannten Homo sapiens mit schier unkorrigierbaren Weisheitsdefiziten.
Tatsächlich grüßt das Murmeltier beim täglichen Blick in die Zeitung – auch wenn man bedenken sollte, dass die Welt so schlecht nicht ist, wie sie in den Medien dargestellt wird. Schließlich sind die Bad News ihr zentrales Geschäftsmodell. Jedenfalls geht es letztlich in nahezu jedem Beitrag um das Dazugehören – oder eben nicht – und um die entsprechenden Folgen.
Die Nordkoreaner unter ihrem weisen Führer gegen die USA – und Trump gegen den Rest der Welt. Oder die biederen Bayern, deren Regierung gerade das Aufhängen von Kreuzen in Amtsstuben verordnet hat, als trutzige Duftmarke für bayrische Lebensart. Alle, die dies ablehnen – sei es, weil sie sich mit dem Halbmond, den Idealen der Aufklärung oder gar der Verfassung identifizieren, sei es, weil sie das Kreuz schlicht nicht als politisches Symbol missbraucht sehen wollen –, gehören damit nicht dazu, zum heilen wie blauen bayrischen Ganzen. D ie ungeheuer vielfältigen Erscheinungsformen des Fremdseins oder Dazugehörens wurzeln aber dennoch in evolutionär entstandenen mentalen und sozialen Anlagen, die allen Menschen gemeinsam sind. An der Erforschung dieser Werkzeugkiste der „menschlichen Universalien“hat übrigens der eben verstorbene große Humanethologe Irenäus Eibl-Eibesfeldt maßgeblichen Anteil. Diese Universalien sind die Basis für eine ungeheure Vielfalt individuellen Verhaltens; sie ermöglichen den Menschen schier unermessliche Flexibilität in ihrem Handeln.
Die Unkenntnis der biologischen Natur des Menschen, kultiviert etwa als philosophische Denkübungen um den „freien Willen“, um den Menschen als ein von der „Natur emanzipiertes Geisteswesen“, erzeugte in der Vergangenheit viel Verwirrung. Heute lichten sich die Nebel. „Fremd sein – dazugehören“ist heuer Thema beim 5. Biologicum Almtal, vom 4. bis 6. Oktober. Hintergrund für Krieg und Frieden, Beziehung zwischen Religionen, Flucht und Integration, letztlich für jegliche Politik. Es wird spannende Einsichten und Antworten aus biologischen, historisch-politischen und wirtschaftswissenschaftlichen Perspektiven und interdisziplinären Gesprächen geben. Und dass dabei viele Fragen aufgeworfen werden, geziemt sich für einen wissenschaftlichen Diskurs.