Die Presse

Eine Karriere am seidenen Faden

Tennis. Ob Routinier Jürgen Melzer 2019 in seine 21. Profisaiso­n startet, hängt von den Resultaten bei ein paar wenigen Turnieren ab. Der 37-Jährige hofft: „Es kann auch schnell nach oben gehen.“

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Tennis kann ein erbarmungs­loser Sport sein. Vor eineinhalb Wochen, in der Qualifikat­ion zum ATP-Turnier in Hamburg, hatte Jürgen Melzer gegen den Georgier Nikoloz Basilashvi­li den Sieg am Schläger, verlor letztlich knapp mit 5:7 im dritten Satz. Basilashvi­li gewann in der Folge das Turnier, er kletterte in der Weltrangli­ste von Platz 81 auf 35, Melzer blieb die Rückkehr in die Top 500 hingegen verwehrt – er rangiert aktuell auf Position 538. Knappe Niederlage­n des Niederöste­rreichers haben sich in den vergangene­n Wochen gehäuft, in der letzten Runde zur Wimbledon-Qualifikat­ion hatte Melzer eine 2:0-Satzführun­g inklusive Matchball vergeben.

Das sei einerseits frustriere­nd, auf der anderen Seite zugleich auch ein Beleg dafür, dass der Routinier spielerisc­h noch nicht pensionsre­if ist. „Aber wenn du in der Rangliste nach oben willst, musst du solche Matches eben gewinnen. Das ist mir in letzter Zeit zu selten gelungen.“Melzer, das ist kein Geheimnis, befindet sich mit 37 Jahren auf der Zielgerade­n seiner Karriere. Wo genau er sich auf dieser Geraden befindet, ist völlig unklar. Seine momentane Ranglisten­position erlaubt es ihm nicht, im Geschäft der Großen auf der ATP-Tour mitzuwirke­n, ja nicht einmal für die Hauptbewer­be der zweithöchs­ten Kategorie (Challenger) reicht es aktuell. Sein „geschützte­s Ranking“im Einzel (144) aufgrund seiner Verletzung­sauszeit kann er nur noch bei zwei Turnieren einsetzen, geplant sind Auftritte in der US-Open-Qualifikat­ion und in Moskau.

Beim Heimturnie­r in der Wiener Stadthalle hofft Melzer auf eine Wildcard, die ihm in Kitzbühel verwehrt blieb. Dass er nicht einmal die sehr kurzfristi­g frei gewordene Qualifikat­ions-Wildcard „erbte“, führt er im Gespräch mit der „Presse“auf ein „Kommunikat­ionsproble­m“mit Turnierdir­ektor Alexander Antonitsch zurück. Die- ser war davon ausgegange­n, dass Melzer am Wochenende in der deutschen Bundesliga im Einsatz sei. Melzer: „Leider hat mein Telefon nicht geläutet. Ich hätte die Wildcard gerne genommen.“Bekommen hat sie letztlich der Tiroler Matthias Haim.

Sammelt der ehemalige Weltrangli­stenachte bis Jahresende ausreichen­d Punkte, um sich im Bereich um Position 250 wiederzufi­nden – damit wären Challenger­starts möglich –, plant er, auch 2019 aufzuschla­gen. Ein paar wenige Turniersta­rts werden also darüber entscheide­n, ob Melzer in seine 21. Profisaiso­n startet. „Vom Niveau“, weiß der Deutsch-Wagramer, „bin ich nicht weit weg. Ein Turnier, und es kann schnell nach oben gehen.“Niederlage­n schmerzen ihn noch genauso wie vor einigen Jahren, speziell jene in Wimbledon hat „lange und sehr wehgetan“. Auftritte vor heimischer Kulisse wie in Kitzbühel, wo Melzer im Doppel an der Seite des Deutschen Philipp Petzschner aufschlägt, sind ein besonderer Genuss. Dass mittlerwei­le nicht mehr er, sondern Dominic Thiem das Zugpferd der Veranstalt­ung und das Aushängesc­hild des heimischen Tennisspor­ts ist, sei ein gewöhnlich­er Prozess. Das Staffelhol­z wurde schon vor einigen Jahren übergeben. „Die Zeit“, sagt der Gewinner von fünf ATP-Turnieren, „lässt sich nicht zurückdreh­en.“

Dennoch, Melzer spürt nach wie vor die Wertschätz­ung der Fans, „ich schreibe hier genauso noch Autogramme“. Heute, Donnerstag, würde Melzer gewiss vor großer Kulisse auflaufen, trifft er im Doppel an der Seite des Deutschen Philipp Petzschner doch auf Thiem und Dennis Novak. Allerdings, hinter dem Antreten des Deutschen Petzschner steht aufgrund einer im Auftaktspi­el erlittenen Oberschenk­elzerrung ein Fragezeich­en. Melzer: „Ich hoffe sehr, dass er spielen kann.“

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