Eine Karriere am seidenen Faden
Tennis. Ob Routinier Jürgen Melzer 2019 in seine 21. Profisaison startet, hängt von den Resultaten bei ein paar wenigen Turnieren ab. Der 37-Jährige hofft: „Es kann auch schnell nach oben gehen.“
Tennis kann ein erbarmungsloser Sport sein. Vor eineinhalb Wochen, in der Qualifikation zum ATP-Turnier in Hamburg, hatte Jürgen Melzer gegen den Georgier Nikoloz Basilashvili den Sieg am Schläger, verlor letztlich knapp mit 5:7 im dritten Satz. Basilashvili gewann in der Folge das Turnier, er kletterte in der Weltrangliste von Platz 81 auf 35, Melzer blieb die Rückkehr in die Top 500 hingegen verwehrt – er rangiert aktuell auf Position 538. Knappe Niederlagen des Niederösterreichers haben sich in den vergangenen Wochen gehäuft, in der letzten Runde zur Wimbledon-Qualifikation hatte Melzer eine 2:0-Satzführung inklusive Matchball vergeben.
Das sei einerseits frustrierend, auf der anderen Seite zugleich auch ein Beleg dafür, dass der Routinier spielerisch noch nicht pensionsreif ist. „Aber wenn du in der Rangliste nach oben willst, musst du solche Matches eben gewinnen. Das ist mir in letzter Zeit zu selten gelungen.“Melzer, das ist kein Geheimnis, befindet sich mit 37 Jahren auf der Zielgeraden seiner Karriere. Wo genau er sich auf dieser Geraden befindet, ist völlig unklar. Seine momentane Ranglistenposition erlaubt es ihm nicht, im Geschäft der Großen auf der ATP-Tour mitzuwirken, ja nicht einmal für die Hauptbewerbe der zweithöchsten Kategorie (Challenger) reicht es aktuell. Sein „geschütztes Ranking“im Einzel (144) aufgrund seiner Verletzungsauszeit kann er nur noch bei zwei Turnieren einsetzen, geplant sind Auftritte in der US-Open-Qualifikation und in Moskau.
Beim Heimturnier in der Wiener Stadthalle hofft Melzer auf eine Wildcard, die ihm in Kitzbühel verwehrt blieb. Dass er nicht einmal die sehr kurzfristig frei gewordene Qualifikations-Wildcard „erbte“, führt er im Gespräch mit der „Presse“auf ein „Kommunikationsproblem“mit Turnierdirektor Alexander Antonitsch zurück. Die- ser war davon ausgegangen, dass Melzer am Wochenende in der deutschen Bundesliga im Einsatz sei. Melzer: „Leider hat mein Telefon nicht geläutet. Ich hätte die Wildcard gerne genommen.“Bekommen hat sie letztlich der Tiroler Matthias Haim.
Sammelt der ehemalige Weltranglistenachte bis Jahresende ausreichend Punkte, um sich im Bereich um Position 250 wiederzufinden – damit wären Challengerstarts möglich –, plant er, auch 2019 aufzuschlagen. Ein paar wenige Turnierstarts werden also darüber entscheiden, ob Melzer in seine 21. Profisaison startet. „Vom Niveau“, weiß der Deutsch-Wagramer, „bin ich nicht weit weg. Ein Turnier, und es kann schnell nach oben gehen.“Niederlagen schmerzen ihn noch genauso wie vor einigen Jahren, speziell jene in Wimbledon hat „lange und sehr wehgetan“. Auftritte vor heimischer Kulisse wie in Kitzbühel, wo Melzer im Doppel an der Seite des Deutschen Philipp Petzschner aufschlägt, sind ein besonderer Genuss. Dass mittlerweile nicht mehr er, sondern Dominic Thiem das Zugpferd der Veranstaltung und das Aushängeschild des heimischen Tennissports ist, sei ein gewöhnlicher Prozess. Das Staffelholz wurde schon vor einigen Jahren übergeben. „Die Zeit“, sagt der Gewinner von fünf ATP-Turnieren, „lässt sich nicht zurückdrehen.“
Dennoch, Melzer spürt nach wie vor die Wertschätzung der Fans, „ich schreibe hier genauso noch Autogramme“. Heute, Donnerstag, würde Melzer gewiss vor großer Kulisse auflaufen, trifft er im Doppel an der Seite des Deutschen Philipp Petzschner doch auf Thiem und Dennis Novak. Allerdings, hinter dem Antreten des Deutschen Petzschner steht aufgrund einer im Auftaktspiel erlittenen Oberschenkelzerrung ein Fragezeichen. Melzer: „Ich hoffe sehr, dass er spielen kann.“