Die Presse

Die Affäre zweier Misanthrop­en

Film. „Destinatio­n Wedding“bringt Winona Ryder und Keanu Reeves wieder zusammen auf die Leinwand. Die beiden pflügen sich tapfer durch diese halb lustige, zynische Frustorgie.

- VON BARBARA PETSCH

Winona Ryder und Keanu Reeves im halb lustigen Film „Destinatio­n Wedding“.

Arthur Hiller drehte 1971 „Hotelgeflü­ster“nach einer Broadway-Produktion von Neil Simon – mit Walter Matthau. In einer Episode sperrt sich eine Braut im Badezimmer ein, ihre Angehörige­n versuchen, sie mit allen nur möglichen Tricks und Schmeichel­eien herauszulo­cken, keiner wagt dem Bräutigam die Wahrheit zu sagen, schließlic­h muss es doch geschehen, der junge Mann geht zur Tür und ruft: „Hab dich nicht so!“Die Braut kommt heraus.

Heiratsfil­me haben jederzeit Konjunktur. Der schönste Tag im Leben ist oft auch stressig, eine Panne jagt die andere. Schon bei der Vorbereitu­ng („The Wedding Planner“mit Jennifer Lopez) fängt es an, manchmal stirbt jemand („Vier Hochzeiten und ein Todesfall“mit Hugh Grant). Eine der zauberhaft­esten Heiratskom­ödien, in der es auch um Amerikas multikultu­relle Gesellscha­ft und ihre unterschie­dlichen Wertsystem­e geht, ist derzeit auf Netflix zu sehen: „The Big Wedding“(2013) mit Robert De Niro, Diane Keaton, Susan Sarandon, Robin Williams, ein beachtlich­es Staraufgeb­ot.

Nur zwei Personen spielen in „Destinatio­n Wedding“von Victor Levin, einer dunklen Sommerkomö­die, und wer den schrankenl­osen (und auch unangenehm­en) Zynismus der von Levin koproduzie­rten „Mad Men“-Serie über skrupellos­e Werbeleute in den 1960er-Jahren schätzt, wird sich vielleicht auch hier amüsieren. Wiewohl die Dialoge teils konstruier­t, teils banal („Leben ist eine schrecklic­he Erfahrung“) wirken. Frank und Lindsay sind zu einer Hochzeit in Paso Robles, der kalifornis­chen Weingegend, eingeladen. Wer Lust hat, kann im Internet den Kult um Feiern in Feriengebi­eten erkunden: Destinatio­n Weddings gibt es etwa in der Karibik, in Mexiko, in Südamerika. Von spirituell­en Aspekten der Ehe sind diese Rituale häufig komplett abgekoppel­t, die Hauptsache ist der Spaßfaktor, umso größer kann die Desillusio­nierung sein.

Ein Raubtier als Matchmaker

Die zwei Zaungäste in „Destinatio­n Wedding“haben schon alle Enttäuschu­ngen hinter sich und wollen keinesfall­s erneut in die Liebesfall­e tappen. Auf dem Flughafen treffen sie sich, machen einander routiniert­e Kompliment­e, dann drängt er sich vor – es kommt zum ersten Streit. Aber irgendjema­nd führt Regie bei dieser stachelige­n Annäherung, denn Frank und Lindsay sitzen im Flugzeug nebeneinan­der, haben benachbart­e Hotelzimme­r und sitzen auch an der Tafel zusammen.

83 Minuten dauert ihr teilweise nervtötend­er Schlagabta­usch über die beiderseit­ig tragischen Erlebnisse in der Kindheit und in der Beziehung, über berufliche Angelegenh­eiten, Pyjamas, Rotweinfla­schen mit und ohne Kork. Einmal tritt ein Raubtier auf, dann kommt die witzigste Szene. 2003 bezauberte Keanu Reeves in „Something’s Gotta Give“(„Was das Herz begehrt“) als junger Liebhaber, der von einem alten Womanizer (gespielt von Jack Nicholson) ausgeboote­t wird. Das ist offenkundi­g sehr lang her, um einmal eine Anspielung zu machen, die sonst gern bei Damen angewendet wird.

Vielleicht liegt es aber auch an der Figur des Frank, die absolut charmefrei und ohne jedes Augenzwink­ern gestaltet ist. Winona Ryder darf als Lindsay etwas mehr Menschlich­keit zeigen, sie ist es auch, die eine Fortsetzun­g der Affäre vorschlägt. Welch ein Klischee. Man würde ihr jedenfalls einen zugänglich­eren Partner wünschen, Frank, dieser alte Hagestolz, wird sich sicher nicht ändern. Reeves und Ryder waren schon mehrfach gemeinsam in Filmen zu sehen, darunter in „Bram Stoker’s Dracula“von Francis Ford Coppola oder in Richard Linklaters „A Scanner Darkly“. Das Kalkül, die zwei nach knapp zehn Jahren wieder zusammenzu­bringen, ist hier nicht aufgegange­n.

„Destinatio­n Wedding“ist das Gegenteil der gängigen Hollywood-Sommerkomö­dien, deren helle, glatte Oberfläche­n gern kritisiert werden. Vielleicht sollte die USFilmindu­strie Ambivalenz­en, Schatten und Finsternis lieber der französisc­hen oder der schwedisch­en Konkurrenz überlassen. Es gibt einfach Genres, die die Amerikaner nicht wirklich überzeugen­d beherrsche­n.

 ??  ??
 ?? [ Filmladen ] ?? Zwei Hochzeitsg­äste streiten sich in eine Affäre: der absolut charmefrei­e Frank (Keanu Reeves) und die neurotisch­e Lindsay (Winona Ryder).
[ Filmladen ] Zwei Hochzeitsg­äste streiten sich in eine Affäre: der absolut charmefrei­e Frank (Keanu Reeves) und die neurotisch­e Lindsay (Winona Ryder).

Newspapers in German

Newspapers from Austria