Möchtegern-Megaturnier
Fußball. 18 europäische Topklubs testen beim International Champions Cup rund um den Globus ihre Frühform. Oberstes Ziel ist es aber, das Sommerloch zu kommerzialisieren.
Der International Champions Cup soll vor allem das Sommerloch kommerzialisieren.
Singapur/Miami/Wien. Ein Münzwurf in Singapur wurde zum Sinnbild für das Schauspiel, das der internationale Klubfußball gerade abliefert. Münzwurf im eigentlichen Sinne gab es nämlich gar keinen. Vielmehr war an der Seite des Schiedsrichters ein Vertreter des asiatischen Kreditkartendienstleisters Union Pay International ausgerückt, und Mesut Özil und Adrien Rabiot, die Kapitäne von Arsenal London und Paris St. Germain wählten nicht etwa Kopf oder Zahl einer Münze, sondern die Seite einer Kreditkarte. Özil gewann, Arsenal durfte anstoßen und siegte am Ende 5:1. Und wer dem International Champions Cup (ICC) noch einen Rest an sportlichem Wert beigemessen hatte, wurde spätestens mit diesem „Münzwurf“eines Besseren belehrt.
Einst von der Promotionfirma Relevent Sports von Stephen M. Ross (Miami Dolphins) und Matt Higgins (New York Jets) ins Leben gerufen, ist der ICC seit 2013 sommerliche Anlaufstelle für sämtliche europäische Topklubs. Heuer nehmen 18 Mannschaften teil, nur fünf Tage nach dem WM-Finale duellierten sich zum Auftakt Manchester City und Borussia Dortmund in Chicago (0:1), Schluss ist am 11. August mit der Partie Atle-´ tico Madrid gegen Inter Mailand in Madrid. 27 Spiele werden dann absolviert sein, 17 in den USA, drei in Singapur und sieben in Europa, darunter das Duell Bayern München gegen Paris St. Germain in Klagenfurt vor knapp zwei Wochen (3:1). Am Ende gibt es eine Abschlusstabelle.
Derzeit wird sie von Tottenham Hotspur angeführt, die Londoner haben zwei ihrer drei Spiele gewonnen und einmal im Elfmeterschießen verloren. Schlusslicht ist Real Madrid, das aber gerade erst in den Bewerb eingestiegen ist. Gegner am Samstag ist Juventus Turin (ohne Cristiano Ronaldo), gespielt wird auf dem FedEx Field in Maryland, wo die Footballer der Washington Redskins beheimatet sind (Sonntag, 0.05 Uhr MESZ, live, Dazn).
Doch auch in der Sommerpause von NFL, NBA und NHL ist Soccer für sportinteressierte USAmerikaner nicht viel mehr als ein ungewohnter Zeitvertreib. Im SDCCU Stadium in San Diego, wo die College-Footballer sonst vor knapp 55.000 Zusehern spielen, fanden sich für die Partie AS Roma gegen Tottenham (1:4) gerade einmal 18.800 ein. Highlight des ICC bisher: der überlegene 4:1-Sieg von Liverpool über Manchester United vor 101.250 im Michigan Stadium vergangenen Samstag. Neuzugang Xherdan Shaqiri traf bei seinem Debüt für Liverpool gleich per sehenswerten Fallrückzieher.
Obwohl Manchester United den ICC noch mit einem 2:1 in Miami gegen Real Madrid beendet hat, ist Coach Jose´ Mourinho alles andere als ein Freund des rund um den Globus verteilten Sommerturniers. Ihm habe diese Tour „nichts gebracht“, poltere der Startrainer nach dem Real-Spiel. „In den letzten 15 Minuten waren wir völlig kaputt.“Der Premier-League-Start (10. 8.) werde richtig schwer, „denn wir sind darauf nicht vorbereitet“.
Reisestrapazen, kaum Trainingsmöglichkeiten, Spiele in der Sommerhitze – tatsächlich sieht eine optimale Saisonvorbereitung anders aus. Mourinho etwa haben darüber hinaus bis zu elf Stammspieler gefehlt, die sich noch von der WM erholen, erst nach und nach zur Mannschaft stoßen. Ligakonkurrent Tottenham hat gar zwölf Spieler für die WM abgestellt, neun von ihnen sind im Halbfinale gestanden.
„Ein Bruchteil von Barcelona“
Aber was die mit sporadischen Einsätzen der Stars aufgebesserten Jugendkader auf dem Platz abliefern, ist für die Veranstalter nur Nebensache. In erster Linie gilt es, diese letzte Lücke im Terminkalender des Profifußballs zu kommerzialisieren. Mourinho mag stöhnen, doch die Klubs machen mit. In den USA und in Asien schlummert schließlich noch viel Vermarktungspotenzial.
Gennaro Gattuso, der mit seinem AC Milan am Samstag (Sonntag, 2.05 Uhr MESZ, live, Dazn) im kalifornischen Santa Clara auf FC Barcelona trifft, hat zumindest versucht, das Sportliche hervorzuheben: „Auch ein Bruchteil von Barcelona ist schön anzusehen.“
Ich hätte mein Geld nicht ausgegeben, um diese beiden Teams zu sehen.
Jose´ Mourinho nach der Partie Manchester United gegen Liverpool.