Die Utopie vom Geld ohne Arbeit
Bedingungsloses Grundeinkommen. Die Schweizer haben das BGE abgelehnt, bei uns könnte bald ein Volksbegehren dafür starten. Sollen wir Laborratte für ein soziales Experiment spielen?
Bilanz von Josef Urschitz: Laborratten für das soziale Experiment „Bedingungsloses Grundeinkommen“.
In der Schweiz ist es im Vorjahr bei einer Volksabstimmung durchgefallen, bei uns wird die Diskussion erst demnächst richtig losgehen: Ein Verein (Generation Grundeinkommen) hat soeben mit dem Crowdfunding zur Finanzierung einer Kampagne begonnen, an deren Ende ein Volksbegehren oder eine Volksabstimmung über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens in Österreich stehen soll. Jeder Mensch mit Wohnsitz im Land soll, so die Vorstellungen, ganz unabhängig von eventueller Erwerbsarbeit zumindest 1000 Euro im Monat überwiesen bekommen.
Wer die Dynamik solcher Entwicklungen kennt, weiß, dass uns das Thema spätestens im kommenden Jahr intensiver beschäftigen wird. Zumal diese Utopie ja auch in anderen Ländern diskutiert wird. Durchaus nicht nur in weltfremden Elfenbeintürmen. Und wenn es im Zuge der Roboterisierung auch nur annähernd zu den Arbeitsplatzverlusten kommt, die Pessimisten annehmen, dann wird das Thema schnell im politischen Mainstream landen.
Die Frage ist: Lässt sich der monatliche Tausender für alle realisieren bzw. finanzieren? Die Antwort, kurz gefasst: sicher nicht in den derzeitigen gesellschaftlichen Strukturen und nicht mit diesem auf menschliche Erwerbsarbeit fixierten Steuersystem.
Der Verein selbst gibt sich in auf seiner Website in Sachen Finanzierung sehr kryptisch: „Die Finanzierung des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) fragt im Kern nicht nach Geld, sondern nach dem, was wir als Gesellschaft hervorbringen können“, heißt es da. Alles klar.
Geld wird man dafür aber trotzdem brauchen. Und zwar nicht zu knapp. Ein Tausender pro Monat für jeden Wohnsitz-Österreicher kostet ungefähr 100 Mrd. Euro im Jahr.
Die Ursprungsidee der BGEVerfechter war, alle Sozialleistungen und -transfers durch das BGE zu ersetzen. Das geht sich, sagt das Milchmädchen, aus: Die Sozialausgaben liegen in Österreich bei 110 Mrd. Euro. Widmet man die um, ist Geld kein Thema mehr.
Allerdings: In diesen 110 Milliarden sind alle Sozialversicherungsleistungen (Pensionen, Gesundheitskosten) enthalten. Eine Abschaffung der Pensionen über 1000 Euro wird politisch wohl nicht leicht durchsetzbar sein. Und wie die dann nicht mehr krankenversicherten BGE-Bezieher aus dem monatlichen Tausender ihre Krankenhausrechnungen bezahlen sollen, kann wohl auch niemand schlüssig erklären.
Ganz abgesehen davon: Wenn es die Sozialversicherungsleistungen nicht mehr gibt, müssen wohl auch die Sozialversicherungsbeiträge wegfallen. Die machen 51 Mrd. Euro aus. Eine recht veritable Finanzierungslücke!
Pension und Krankenversicherung abschaffen wollen die Verfechter der BGE-Initiative aber ohnehin nicht: Die Krankenversorgung soll aus der Steuerkasse finanziert werden, bei den Pensionen soll es lediglich zu einer Anrechnung des Grundeinkommens kommen.
Die Finanzierungslücke wird dadurch aber nicht wesentlich kleiner. Die Antwort der BGEFraktion darauf: Höhere Steuern. Und zwar Konsumsteuern. Andersherum: Man brauchte eine Mehrwertsteuer, die zusätzlich zu den derzeit sprudelnden 28 Milliarden Euro rund 50 Milliarden einbringt. Will man diese Lücke mit der Mehrwertsteuer schließen, müsste man diese also von 20 auf zumindest 56 Prozent anheben.
Das macht jedes einzelne Produkt um fast ein Drittel teurer. Und jetzt haben wir den Salat: Damit reicht der BGE-Tausender zum Leben nicht mehr. Wir müssen also das Grundeinkommen erhöhen, was wiederum eine Finanzierungslücke auslöst, die wir mit einer weiteren Mehrwertsteuerhöhung stopfen, die wiederum das Bedingungslose Grundeinkommen entwertet und so weiter.
Nein, so wird das nichts. Dabei ist hier der inflationäre Effekt noch gar nicht enthalten, der dadurch entsteht, dass die Löhne für wenig angenehme und derzeit niedrig entlohnte Arbeiten sehr stark erhöht werden müssten, um noch Arbeitskräfte dafür zu finden.
Halten wir also fest: Das Bedingungslose Grundeinkommen ist eine nette Utopie, die vielleicht in einer Welt schlagend werden kann (und dann wohl muss), in der menschliche Arbeit ausgeht, weil sie von Maschinen erledigt wird. Davon sind wir aber noch ein schönes Stück entfernt.
Es lässt sich in einem Steuersystem, das auf menschlicher Arbeit beruht, jedenfalls nicht vernünftig finanzieren. Und die gesellschaftlichen Auswirkungen sind völlig unbekannt. Es wurde ja noch nirgends ausprobiert.
Es gibt also keinen Grund, Laborratte für ein solches Experiment zu spielen. Zumal es das Grundeinkommen in Form der Mindestsicherung hierzulande (im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern) ohnehin gibt. Wenn auch nicht bedingungslos.