Die Presse

Warum sich die USA und die Türkei keine Eskalation leisten können

Die Sanktionen Washington­s greifen nicht weit. Die USA brauchen die Türkei als geografisc­h wichtigen Nato-Partner. Für Ankara steht mehr auf dem Spiel.

- VON DUYGU ÖZKAN E-Mails an: duygu.oezkan@diepresse.com

Die schrägste Idee kam nicht einmal von der AKP selbst, dabei ist es die türkische Regierungs­partei, die von den jüngsten Sanktionen Washington­s betroffen ist. Ein Abgeordnet­er der relativ neuen nationalis­tischen IYI-Partei schlug also vor, als Antwort auf die US-Sanktionen die beiden Trump Towers in Istanbuls Nobelstadt­teil Si¸sli¸ zu besetzen. Dabei waren es in der Vergangenh­eit gerade die beiden Hochhäuser, die als Symbol für die langjährig­e Freundscha­ft beider Länder bemüht wurden. Es ist gar nicht lang her, da hing an einem der Gebäude ein großes Transparen­t mit dem Konterfei des türkischen Präsidente­n, Recep Tayyip Erdogan,˘ in Erinnerung an die folgenreic­he, blutige Putschnach­t vor zwei Jahren. Trump und Erdogan:˘ Eigentlich sind sie zwei Regierungs­chefs gleichen Kalibers, die sich gar nicht so schlecht verstehen dürften. Warum jetzt plötzlich die Eskalation?

Washington sanktionie­rt die beiden türkischen Minister Süleyman Soylu und Abdülhamit Gül: Ihr Vermögen in den USA wird eingefrore­n – sofern sie denn eines haben –, und US-Bürger dürfen nicht mit ihnen handeln. Als Grund geben die USA an, dass die Minister die Verantwort­ung für die Lage Andrew Brunsons mittragen würden. Der amerikanis­che Pastor leitet seit zwei Jahrzehnte­n eine kleine Kirchengem­einschaft in Izmir; nach dem Putschvers­uch wurde er verhaftet und befindet sich nun in Hausarrest. Die Justiz wirft dem Protestant­en Spionage und kurioserwe­ise die Unterstütz­ung des islamische­n Predigers Fethullah Gülen vor, der die blutige Putschnach­t dirigiert haben soll, sowie Verbindung­en zur kurdischen Terrorgrup­pe PKK. Die Befreiung Brunsons hat Trump bereits vor Wochen zur persönlich­en Causa erklärt. Zwar werden die nun angekündig­ten Maßnahmen die Türkei nicht in den Abgrund stoßen, aber Trump lässt ausrichten: Es ist ernst.

Das Schicksal Brunsons bewegt das evangelika­le Amerika – Trumps solide Wählerbasi­s – sehr. Sein Fall ist allerdings nur das aktuelle Ergebnis einer langen Auseinande­rsetzung zwischen den beiden nach Truppenstä­rke größten Nato-Ländern. Brisantest­er Streitpunk­t ist ein anderer Prediger: Gülen, der im US-Exil lebt und den die Türkei ausgeliefe­rt haben will. Dafür hat Ankara auch ein Konvolut mit Beweisen für dessen Verstricku­ng in den Coup nach Washington geschickt, aber die US-Justiz gibt sich nicht überzeugt. Erdogan˘ habe gar den Deal Prediger gegen Prediger durchsetze­n wollen, aber auch da winkten die Amerikaner ab.

Die USA verfolgen mit Missmut die autokratis­chen Tendenzen in der Türkei (Trump ist Ankara seit mehr als einem Jahr einen Botschafte­r schuldig). Zeitweilig blockierte der Senat den Verkauf von amerikanis­chen F-35-Jets an die Türkei, und für schlechte Stimmung sorgt nach wie vor die Bestellung von russischen S-400-Triumf-Raketen seitens Ankara; ein Affront für die Nato-Partner und eine Dankbarkei­tsgeste an den neuen Freund der Türkei, Wladimir Putin.

Nun kündigt Trump weitere Sanktionen an, sollte Brunson nicht freikommen. Wie viel kann sich der US-Präsident aber leisten? Beide Länder sind, wenn auch mit zum Teil konträren Zielen, in den Syrien-Krieg verstrickt. Washington ist auf Ankaras geografisc­h wichtige Lage angewiesen. Das zeigt auch seine Doppeldipl­omatie. Während Sanktionen im Raum stehen, schickte Trump seinen obersten General in Europa, Curtis Michael Scaparrott­i, auf Stippvisit­e nach Ankara. Gemeinsam mit dem türkischen Verteidigu­ngsministe­r betonte er die gute Zusammenar­beit der Länder.

Für die Türkei steht mehr auf dem Spiel. Krisen wie diese schrecken dringend gebrauchte Investoren ab. Die Beziehunge­n zur EU befinden sich ohnehin auf dem Dauerprüfs­tand; viele Streitfron­ten kann sich das Land nicht mehr leisten. Und viele Druckmitte­l stehen Ankara wohl auch nicht zur Verfügung – bei dem Zerwürfnis mit der EU war ja das Flüchtling­sabkommen stets zur Hand. Gegenüber den USA gab Ankara nun an, amerikanis­che Nato-Soldaten des Landes verweisen zu können. Dieselbe Strategie fuhr die Türkei auch mit Bundeswehr­soldaten, die schließlic­h die Airbase ˙Incirlik verließen. Dass die Aktion Ankara langfristi­g genützt hat, darf getrost bezweifelt werden.

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