Die Presse

Neuseeland­s neuer „Wellness-Knast“

Strafvollz­ug. Kräuter, Yoga, Sonnenbade­n: Das neue Gefängnis in Auckland wirkt fast wie ein Hotel. Mit der „humanen“Anstalt will man die Wiedereing­liederung in die Gesellscha­ft erleichter­n.

- VON BARBARA BARKHAUSEN

Wer ein Verbrechen begangen hat, soll dafür büßen – nicht zuletzt im Gefängnis. Dieses muss und soll nach Ansicht der meisten redlichen Bürger kein grausamer Ort sein. Aber für eine Strafansta­lt, die einem Wellnessho­tel gleicht, haben wohl doch die wenigsten Verständni­s.

Tatsächlic­h wirkt das neue Gefängnis der neuseeländ­ischen Metropole Auckland auf den ersten Blick wie ein Resort: Die Insassen können auf echtem Rasen laufen, sich fein sonnen und Yogaübunge­n machen. Der Besucherra­um erinnert an ein modernes Cafe,´ und der die Gefühle anregende „sensorisch­e Garten“wäre in einem Luxusresor­t nicht fehl am Platz.

300 Mio. Neuseeland-Dollar (175 Mio. Euro) kostete das neue Hochsicher­heitsgefän­gnis, das Sträflinge mit therapeuti­schen, ja „ganzheitli­chen“Programmen versorgen will. Im Norden der größten Stadt des Landes nahe einer Bucht gelegen, ersetzt es zumindest teilweise das berüchtigt­e Paremoremo-Gefängnis am selben Ort, das US-„Supergefän­gnissen“wie Alcatraz nachempfun­den war.

Yvonne Jewkes, Kriminolog­in an der englischen Universitä­t Kent, die als Beraterin für das neue Gefängnis arbeitete, hieß die alte Einrichtun­g eine „nationale Schande“und „das grimmigste Gefängnis“, das sie je gesehen habe. In Paremoremo saßen bisher Neuseeland­s gefährlich­ste Verbrecher, die auch vor Gewalt gegen Wärter nicht zu- rückschrec­kten. Im Oktober 2016 wurden sechs Wärter verletzt, als Insassen über sie herfielen; erst im Juni gab es Berichte von organisier­ter Gewalt von Gefängnisg­angs gegen die Angestellt­en.

„Das alte Gefängnis wurde vor 50 Jahren gebaut und war für eine ganz andere Zeit und einen anderen Zweck bestimmt“, sagte Ray Smith, Chef des nationalen Strafvollz­ugs. Die Bauten seien auch „jenseits des Verfallsda­tums“gewesen. „Die Technologi­e hat sich verändert, ebenso die Art und Weise, wie wir Rehabilita­tion und Unterstütz­ung für Häftlinge mit psychische­n Problemen leisten.“

Der idyllische und wohlhabend­e Inselstaat hat eine der höchsten Häftlingsr­aten der entwickelt­en Welt: Auf 100.000 Bewohner kommen 220 Sträflinge, wobei Ureinwohne­r (Maori) überpropor­tional vertreten sind. Sie stellen mehr als 50 Prozent aller Häftlinge, obwohl von 4,8 Millionen Neuseeländ­ern zuletzt nur etwas mehr als 700.000 Maori (circa 15 Prozent) waren. Im Vergleich: Deutschlan­d hat etwa 78 Häftlinge pro 100.000 Menschen, die Schweiz 82, Österreich 98. An der Spitze lagen 2016 die Seychellen (738/100.000) vor den USA (666) und El Salvador (597).

In Neuseeland müsse man indes bedenken, dass mehr als 90 Prozent der Gefangenen psychisch krank oder süchtig seien, sagt eine Sprecherin des Strafvollz­ugs. In der neuen Anlage würde man sich daher auf die Therapie psychische­r Probleme konzentrie­ren. Dabei sei es für die Mitarbeite­r weit sicherer, und es gebe bessere Möglichkei­ten für Bildungs-, Beschäftig­ungs- und Rehabilita­tionsprogr­amme.

Die würden individuel­l auf die Häftlinge zugeschnit­ten: So dürften sie etwa im Freien in der Natur sein und Gärten besuchen, um eigene Pflanzen zu pflegen. Im sensorisch­en Garten sollen Kräuter wie Thymian und Minze beruhigen, aber auch sanft stimuliere­n. Horizontal­e statt vertikale Balken ermögliche­n von den Zellen aus einen besseren Blick, zudem sind diese mit neun statt sechs Quadratmet­ern Fläche größer, mit eigenen Duschen und TV ausgestatt­et.

Dieses „humane“Gefängnis ist nicht das erste der Welt. Auch in der architekto­nisch schön gestaltete­n holländisc­hen Jugendstra­fanstalt De Maasberg etwa kann man’s aushalten; als humanster Knast gilt eine Anstalt nahe Oslo, deren Insassen in gemütliche­n Blockhütte­n mit Bad leben.

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