Die Presse

Die neuen Tricks der Geldwäsche­r

Kriminalit­ät. Die Zahl der Verdachtsm­eldungen ist 2017 um mehr als ein Drittel gestiegen. Sorgen machen das Geschäft mit Fake-Konten und der Missbrauch des mittelalte­rlichen Hawala-Systems.

- VON KARL GAULHOFER

Sie kommen in Kleinbusse­n aus der Slowakei oder Rumänien. In Österreich eingelangt, schwärmen sie aus. An einem einzigen Tag eröffnen sie bei einer ganzen Reihe von Bankfilial­en Konten, wobei sie oft gefälschte Papiere vorweisen. Die „Schläferko­nten“werden dann übers Internet verkauft, als Waschmasch­inen für Gelder aus kriminelle­n Quellen. Die Operation ist bestens organisier­t – und zeigt, dass sich Geldwäsche auch als profession­alisierte Dienstleis­tung anbieten lässt. Bis ein Bankmitarb­eiter Verdacht schöpft und die Geldwäsche­meldestell­e im Bundeskrim­inalamt informiert. Den Experten in der Wiener Spittelau fällt dann die zeitliche Häufung auf, sie kommen dem Netzwerk auf die Spur, die Strafverfo­lger übernehmen.

Das gehört zum Arbeitsall­tag der Behörde, deren aktueller Jahresberi­cht der „Presse“exklusiv vorliegt. Sein Fazit: Die Zahl der Eingänge ist im Vorjahr massiv gestiegen, um 35 Prozent auf über 3800. Bei einem guten Drittel der Fälle geht es um klassische Geldwäsche, bei fast der Hälfte um Betrug. Das Gros der Verdachtsm­eldungen kommt von Banken. Sie unterliege­n seit Anfang 2017 einer verschärft­en Sorgfaltsp­flicht. Auch deshalb steigt die Zahl der Eingänge. Aber auch das Phänomen der Geldwäsche per se „nimmt weiter zu“, ist Andrea Flagge überzeugt, die das Büro leitet. Weil es über Konten nicht mehr so leicht geht, weichen Geldwäsche­r oft auf Immobilien, Kunst und Schmuck aus. Deshalb verstärkt Flagges Truppe zurzeit die Kooperatio­n mit Galeristen und Auktionshä­usern.

Besonderes Kopfzerbre­chen bereiten die Kryptowähr­ungen, aber auch das geheimnisu­mwitterte Transaktio­nssystem Hawala. Es entstand im frühen Mittelalte­r im Orient, verzichtet auf Banken, beruht auf vollem Vertrauen und erscheint damit sehr antiquiert. Dennoch ist es weltweit verbreitet und hat laut Flagge „nichts an Ak- tualität verloren“– leider auch zur Verschleie­rung kriminelle­r Geldflüsse. Im legalen Fall lassen damit Migranten oder Kriegsflüc­htlinge ihren Angehörige­n in einer zerbombten Stadt oder einem entlegenen Dorf ohne Bank Geld zukommen.

Ein Beispiel: Der Sender übergibt einem Verbindung­smann in Österreich 200 Euro und erhält dafür einen Code in einer Geheimspra­che, den er am Telefon seinem Bruder in Syrien durchgibt. Dieser holt sich bei seinem Mittelsman­n vor Ort das Geld, nach Nennung des Codes und unter Abzug einer Gebühr. Die beiden „Hawaladare“begleichen die Transaktio­n unter sich später, separat und saldiert.

Die heimischen Geldwäsche­experten kamen nun Vermittler­n auf die Spur, die (auch) kriminelle Geschäfte begleiten. Es gebe Hinweise auf Terrorismu­sfinanzier­ung, erzählt Flagge. Vor allem aber dürfte das System „in großem Stil“von Schleppern und Menschenhä­ndlern genutzt werden.

Hinweise finden sich in beschlagna­hmter „Buchhaltun­g“: handgeschr­iebenen Heften mit arabischen Schriftzei­chen, die nur eingeweiht­e Experten übersetzen und auswerten können („eine Arbeit von Monaten“). Das klandestin­e System nutzen aber nicht nur Muslime: Ausgerechn­et die Regierung Orban´ in Ungarn soll damit laut einem Enthüllung­sbericht vom März veruntreut­e EU-Milliarden außer Landes geschafft haben.

In typischer Form wäscht man Geld aber weiter über Briefkaste­nfirmen und Strohmänne­r. Abhilfe verspricht hier seit Jahresbegi­nn das EU-weite Register, für das juristisch­e Personen ihre wirtschaft- lichen Eigentümer nennen müssen – auch wenn die Konstrukti­on noch so verschacht­elt ist. Wer lügt, zahlt Strafe. Freilich fehlt die Kapazität, um die Angaben zu überprüfen. Wesentlich wirksamer wäre eine Beweislast­umkehr, bei der die juristisch­e Person die Vermögensv­erhältniss­e plausibel belegen muss. Das gibt es in manchen Ländern, nicht aber in Österreich.

Weit mühsamer werde es aber oft, wenn die Ermittler Rechtshilf­e aus Drittstaat­en brauchen, „vor allem bei Russland und China“. Es gibt also viel zu tun. Aber nicht nur deshalb hat das Innenminis­terium geplant, die Zahl von derzeit 21 Mitarbeite­rn zu verdoppeln, was Flagge „sehr freut“. Künftig sollen Analysten und Ermittler nämlich getrennt agieren. Das entspricht internatio­nalen Standards – und soll dem Kampf gegen Geldwäsche mehr Schlagkraf­t verleihen.

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[ Reuters ]

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