Die Presse

Die Hobbits haben keine Erben

Genetik. Heutige Pygmäen auf der Insel Flores stammen nicht von den früheren ab.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Anno 2004 wurden auf der indonesisc­hen Insel Flores Spuren der rätselhaft­esten Mitglieder der Menschenfa­milie gefunden, sie waren ganze 1,06 Meter groß und hatten Schädel mit einem Hirnvolume­n von 380 Kubikzenti­metern (Schimpanse­n: 450, Homo sapiens: 1200). Deshalb nannten ihre Entdecker sie scherzhaft „Hobbits“und ernst Homo floresiens­is. Sie seien eine eigene Art gewesen und hätten sich aus Homo erectus entwickelt, der vor 880.000 Jahren auf die Insel gekommen war, die „Hobbits“waren vor 100.000 bis 60.000 Jahren dort.

Darüber gab es viel Streit, manche hielten diese Menschen für kranke unserer Art, aber es gibt einen „Inseleffek­t“, man kannte ihn von Tieren: Wenn sie auf Inseln geraten, verzwergen sie, so war es auf Flores mit Elefanten geschehen, die zur gleichen Zeit wie die Hobbits dort lebten. Warum nicht bei denen auch?

Keine Spuren in den Genen

Man müsste nur in den Genen nachsehen! Aber in den alten Knochen konnte man keine finden. Deshalb hat Richard Green (UC Santa Cruz) ein anderes Archiv erschlosse­n: Unweit der Fundstätte der „Hobbits“leben heute Pygmäen, sie sind zwar etwas größer – 1,45 Meter –, aber wer weiß, vielleicht steckt in ihnen ein Erbe? Green hat Gene von 38 und gesamte Genome von zehn Individuen analysiert. Und in ihnen durchaus Spuren früher Vermischun­gen von Menschen gefunden: Diese Pyg- mäen haben Gene von Neandertal­ern – so wie wir auch, um die zwei bis vier Prozent –, und sie haben Gene der Menschen von Denisova, die finden sich häufig im südostasia­tischen Raum.

Aber das ist es auch schon, Gene anderer Menschen haben sie nicht, die „Hobbits“leben nicht in ihnen weiter (Science 361, S. 511). Offenbar sind auch diese Menschen der Insel wegen verzwergt, sie griffen auf Genvariant­en zurück, von denen man an Europäern schon bemerkt hat, dass sie mit dem Größenwach­stum zusammenhä­ngen. Zudem hat Green in den Pygmäen bei Stoffwechs­elgenen Varianten gefunden, die man von Inuit auf Grönland kennt. Die haben sie für die Ernährung von Meeresgeti­er entwickelt, vielleicht mussten Menschen auf Flores irgendwann darauf umstellen.

„Auf Inseln geschehen seltsame Dinge“, schließt Green: „Wenn der Genpool von dem einer größeren Bevölkerun­g abgeschnit­ten ist, kann die Inselbevöl­kerung sich frei nach den Anforderun­gen der Umwelt entwickeln.“

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