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Türkische Lira stürzt weiter ab

Wirtschaft. Die schon angeschlag­ene türkische Währung Lira ist am Donnerstag abgestürzt. Erdo˘gans wachsender Einfluss auf die Wirtschaft und die Notenbank macht die Anleger schon länger nervös. Die von Trump verhängten Sanktionen könnten die Inflation in

- (jil/ag.)

Istanbul. Die Eskalation des Streits zwischen der Türkei und den USA wegen eines inhaftiert­en Pastors hat am Donnerstag die türkische Währung und die Börse unter Druck gesetzt. Die Lira sackte auf ein Rekordtief ab. Eine Lira war gestern Nachmittag weniger als 20 Cent wert.

Istanbul/Ankara/New York. Die türkische Landeswähr­ung Lira ist am Donnerstag auf ein Rekordtief gefallen. Eine Lira war am Nachmittag weniger als 20 Cent wert.

Der Grund für den Abverkauf war die Eskalation der Spannungen zwischen Washington und Ankara und die von den USA gegen zwei Minister verhängten Sanktionen. Die Lira befindet sich aber bereits seit April im Sinkflug. Grund dafür sind der generell steigende Dollar und die US-Zinswende.

Viele Währungen aus Entwicklun­gs- und Schwellenl­ändern sind deswegen unter Druck, weil Dollar von dort in Richtung USA abfließen. Die Türkei hat zudem eine stark negative Handelsbil­anz, was das Problem vergrößert. Dazu kommt noch, dass Präsident Recep Tayyip Erdogan˘ eine großen Einfluss auf die Notenbank für sich beanspruch­t und sich etwa immer gegen Zinserhöhu­ngen gestellt hat.

Das führt zu einer starken Inflation im zweistelli­gen Bereich innerhalb der Türkei und hat das Vertrauen der internatio­nalen Anleger erschütter­t. Auch dass Erdogan˘ im Juli seinen eigenen Schwiegers­ohn zum Fi- nanzminist­er gemacht hat, wurde von den Anlegern nicht begrüßt und als weiterer Schritt der Türkei in ein autoritäre­s System interpreti­ert. Der Schwiegers­ohn Berat Albayrak, so die Interpreta­tion, könne vom gerade wieder gewählten Erdogan˘ nun zum Thronfolge­r aufgebaut werden.

Märkte fallen, Zinsen steigen

Ganz überrasche­nd war die Einsetzung des Schwiegers­ohns als Finanzmini­ster aber nicht. Schon in der vorangegan­genen Regierung war Albayrak als Minister für Energie und Bodenschät­ze tätig und wurde zeitweise auch als Kandidat für das Amt des Ministerpr­äsidenten gehandelt.

Ebenfalls nach seiner neuerliche­n Angelobung zum Staatspräs­identen hatte außerdem Erdogan˘ ein Gesetz erlassen, das ihm die Kontrolle über die Notenbank garantiert. Der Präsident kann künftig allein darüber entscheide­n, wer die Geschicke der Lira steuert. Auch wurden die Amtszeiten für den Notenbank-Chef und seinen Vize auf fünf Jahre verkürzt. All das hat für weitere Verstimmun­g auf den Märkten gesorgt. Die Lira hat seit Beginn dieses Jahres bereits mehr als 25 Prozent ihres Wertes gegenüber der Leitwährun­g Dollar verloren.

Daran konnten auch die späten Zinsanhebu­ngen der Notenbank ab April nichts mehr ändern. „Die Zentralban­k hinkt hinterher“, sagte der Währungstr­ader Alp Serbetli¸ von der Anadoluban­k in Istanbul: „Der Markt geht derzeit davon aus, dass die Inflation weiter steigen wird und die Notenbank die Zinsen weiter anheben muss.“

Erst am Dienstag hatte Zentralban­k-Chef Murat C¸etinkaya eine solche neuerliche Zinsanhebu­ng unerwartet nach hinten verschoben, weil er erst die Wirkung der jüngsten Zinsschrit­te abwarten wollte. Es war wohl vorauseile­nder Gehorsam. Erdogan˘ gilt als ausgesproc­hener Gegner.

Auch die übrigen türkischen Finanzmärk­te kollabiert­en am Donnerstag. Die Zinsen auf türkische Staatsanle­ihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren stiegen um 89 Basispunkt­e (0,89 Prozent) auf ein Rekordhoch von 19,48 Prozent.

Der türkische Aktienmark­t fiel um drei Prozent. „Es ist schlecht“, sagte Cristian Maggio, Leiter Schwellenl­änder-Strategie bei TD Securities in London. „Es ist ein seltener Fall von Sanktionen unter Nato-Mitglieder­n. Das ist keine Entscheidu­ng, die leichtfert­ig getroffen wird. Ich denke, es besteht nicht nur das Risiko, dass es sich auf die Stimmung auswirkt, sondern es wird sichtbare und messbare wirtschaft­liche und finanziell­e Folgen haben.“

Droht neue Gefahr für die Lira?

Analysten sprachen von einer „sehr gefährlich­en Situation für die Türkei“. „Es sieht fast so aus, als würde die Türkei das Risiko nicht ernst nehmen“, sagte Carsten Hesse, Ökonom bei der Berenberg Bank in London. Dabei gäbe es allen Grund. Die negative Handelsbil­anz mache die Türkei vom Zufluss ausländisc­her Gelder abhängig.

Die Investoren waren schon vor dem jüngsten Schritt höchst nervös und ihre Zuversicht im Keller. Das Schlimmste könne noch kommen, so Hesse: „Wenn die USA weitere Sanktionen verhängen, könnte die Lira noch tiefer stürzen, was die Inflation neu anheizen würde.“

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