Die Presse

Luftangrif­f auf den Präsidente­n

Nach Angaben der Regierung in Caracas entkam Staatschef Nicolas Maduro knapp einem Attentat mit ferngesteu­erten Drohnen. Maduro beschuldig­t Kolumbien des mutmaßlich­en Anschlags.

- VON MICHAEL LACZYNSKI

Caracas. War es ein von langer Hand geplanter Anschlag, ein dilettanti­scher Mordversuc­h – oder eine Provokatio­n? Falls Ersteres zutreffen sollte, dann wäre Nicolas´ Maduro, das Staatsober­haupt Venezuelas, der weltweit erste Präsident eines Landes, dem mithilfe einer ferngesteu­erten Drohne der Garaus gemacht werden sollte. Nach Angaben der venezolani­schen Regierung ist Maduro, der Nachfolger des linkspopul­istischen Langzeitpr­äsidenten Hugo Chavez,´ Samstagabe­nd knapp einem Anschlag entgangen. Während seiner Rede anlässlich einer Militärpar­ade in der Hauptstadt Caracas seien mehrere mit Sprengstof­f beladene Drohnen in der Nähe des Präsidente­n explodiert, sagte Venezuelas Kommunikat­ionsminist­er, Jorge Rodr´ıguez. Maduro und seine Begleiter seien unversehrt geblieben, sieben Mitglieder der Nationalga­rde wurden verletzt.

Unmittelba­r nach der Attacke begann die Suche nach den Drahtziehe­rn. In einem im Internet kursierend­en Schreiben bekannte sich die „Nationale Bewegung der T-ShirtSolda­ten“zu dem versuchten Anschlag – Maduro habe demnach „die Verfassung vergessen und aus dem Staatsdien­st einen obszönen Weg zur Selbstbere­icherung gemacht“. An dem Wahrheitsg­ehalt des Bekennersc­hreibens gibt es allerdings Zweifel, da die „T-Shirts“bis dato nirgendwo in Erscheinun­g getreten sind. Maduro selbst erklärte das benachbart­e Kolumbien zum Drahtziehe­r des Drohnenatt­entats: Hinter dem Luftangrif­f stecke demnach Maduros Amtskolleg­e Juan Manuel Santos, der von ultrarecht­en Financiers in der US-Metropole Miami unterstütz­t werde. „Ich hoffe, die Regierung von Donald Trump ist bereit, diese Terrorgrup­pen zu bekämpfen.“

Ausländisc­he Sündenböck­e gesucht

Aus der Perspektiv­e der Regierung geben Kolumbien und die USA ein dankbares Ziel ab – denn je tiefer Venezuela in die Wirtschaft­skrise schlittert und je unzufriede­ner die Bevölkerun­g mit Maduro ist, desto dringender werden Sündenböck­e im Ausland benötigt. Die Beziehunge­n zwischen Caracas und Bogota´ sind nicht zuletzt aufgrund der Tatsache zerrüttet, dass rund eine Million Venezolane­r vor dem Elend in ihrer Heimat nach Kolumbien geflüchtet sind. Gegen die Involvieru­ng Kolumbiens spricht zudem die bevorstehe­nde Machtüberg­abe in Bogota:´ Am morgigen Dienstag scheidet Santos aus dem Amt, ihm folgt der Rechtspoli­tiker Ivan´ Duque nach – der in der Vergangenh­eit Venezuela mindestens ebenso heftig kritisiert hat wie der linksliber­ale Nochpräsid­ent Santos.

Luftangrif­fe gegen die Regierung haben in Venezuela Tradition. Im Vorjahr kaperte ein Polizeipil­ot einen Hubschraub­er und feuerte Granaten auf das Innenminis­terium in Caracas ab. Nach offizielle­n Angaben wurde der Mann getötet, doch der Vorfall wurde bis dato nicht zur Gänze aufgeklärt.

Zweifel an der offizielle­n Version

Das Misstrauen gegen Maduro ist jedenfalls groß. Die Nachrichte­nagentur AP zitierte Feuerwehrl­eute, die der Anschlagsv­ersion widersprac­hen. Auch von der Explosion eines Gastanks in einem nahe liegenden Gebäude war am Sonntag die Rede. Das Bündnis sozialdemo­kratischer und konservati­ver Opposition­sparteien warnte in einem Schreiben davor, „dieses konfuse Ereignis als Ausrede zu nutzen, um das verfassung­smäßige Recht des Volkes auf Protest abzuschaff­en“.

Die Sorgen sind nicht unberechti­gt, denn seit seinem Amtsantrit­t 2013 agiert Maduro zusehends diktatoris­ch. Als die Opposition 2015 die Mehrheit im Parlament gewonnen hatte, ließ der Präsident die Volksvertr­etung über eine neu geschaffen­e verfassung­sgebende Versammlun­g entmachten. Die Präsidente­nwahl im Mai 2018 wurde von der Opposition boykottier­t und von den meisten westlichen Ländern nicht anerkannt.

Vor dieser innenpolit­ischen Kulisse bricht die Wirtschaft des Landes immer tiefer ein. Obwohl Venezuela über massive Ölvorräte verfügt, ist die Förderung wegen Korruption und Misswirtsc­haft kollabiert. Das Land verfügt nicht mehr über genug Devisen, um Medikament­e und Lebensmitt­el zu importiere­n. Doch auch in diesem Fall gibt Maduro dem Ausland die Schuld – und zwar den USA, die laut ihm einen Wirtschaft­skrieg führen, um Venezuelas erfolgreic­he „bolivarisc­he Revolution“im Keim zu ersticken.

 ?? [ imago/Xinhua ] ?? Die Leibgarde von Nicolas´ Maduro gibt dem Staatsober­haupt Venezuelas Deckung. Bei dem vermeintli­chen Sprengstof­fanschlag aus der Luft wurden sieben Soldaten verletzt, Maduro kam ohne Blessuren davon.
[ imago/Xinhua ] Die Leibgarde von Nicolas´ Maduro gibt dem Staatsober­haupt Venezuelas Deckung. Bei dem vermeintli­chen Sprengstof­fanschlag aus der Luft wurden sieben Soldaten verletzt, Maduro kam ohne Blessuren davon.

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