Luftangriff auf den Präsidenten
Nach Angaben der Regierung in Caracas entkam Staatschef Nicolas Maduro knapp einem Attentat mit ferngesteuerten Drohnen. Maduro beschuldigt Kolumbien des mutmaßlichen Anschlags.
Caracas. War es ein von langer Hand geplanter Anschlag, ein dilettantischer Mordversuch – oder eine Provokation? Falls Ersteres zutreffen sollte, dann wäre Nicolas´ Maduro, das Staatsoberhaupt Venezuelas, der weltweit erste Präsident eines Landes, dem mithilfe einer ferngesteuerten Drohne der Garaus gemacht werden sollte. Nach Angaben der venezolanischen Regierung ist Maduro, der Nachfolger des linkspopulistischen Langzeitpräsidenten Hugo Chavez,´ Samstagabend knapp einem Anschlag entgangen. Während seiner Rede anlässlich einer Militärparade in der Hauptstadt Caracas seien mehrere mit Sprengstoff beladene Drohnen in der Nähe des Präsidenten explodiert, sagte Venezuelas Kommunikationsminister, Jorge Rodr´ıguez. Maduro und seine Begleiter seien unversehrt geblieben, sieben Mitglieder der Nationalgarde wurden verletzt.
Unmittelbar nach der Attacke begann die Suche nach den Drahtziehern. In einem im Internet kursierenden Schreiben bekannte sich die „Nationale Bewegung der T-ShirtSoldaten“zu dem versuchten Anschlag – Maduro habe demnach „die Verfassung vergessen und aus dem Staatsdienst einen obszönen Weg zur Selbstbereicherung gemacht“. An dem Wahrheitsgehalt des Bekennerschreibens gibt es allerdings Zweifel, da die „T-Shirts“bis dato nirgendwo in Erscheinung getreten sind. Maduro selbst erklärte das benachbarte Kolumbien zum Drahtzieher des Drohnenattentats: Hinter dem Luftangriff stecke demnach Maduros Amtskollege Juan Manuel Santos, der von ultrarechten Financiers in der US-Metropole Miami unterstützt werde. „Ich hoffe, die Regierung von Donald Trump ist bereit, diese Terrorgruppen zu bekämpfen.“
Ausländische Sündenböcke gesucht
Aus der Perspektive der Regierung geben Kolumbien und die USA ein dankbares Ziel ab – denn je tiefer Venezuela in die Wirtschaftskrise schlittert und je unzufriedener die Bevölkerung mit Maduro ist, desto dringender werden Sündenböcke im Ausland benötigt. Die Beziehungen zwischen Caracas und Bogota´ sind nicht zuletzt aufgrund der Tatsache zerrüttet, dass rund eine Million Venezolaner vor dem Elend in ihrer Heimat nach Kolumbien geflüchtet sind. Gegen die Involvierung Kolumbiens spricht zudem die bevorstehende Machtübergabe in Bogota:´ Am morgigen Dienstag scheidet Santos aus dem Amt, ihm folgt der Rechtspolitiker Ivan´ Duque nach – der in der Vergangenheit Venezuela mindestens ebenso heftig kritisiert hat wie der linksliberale Nochpräsident Santos.
Luftangriffe gegen die Regierung haben in Venezuela Tradition. Im Vorjahr kaperte ein Polizeipilot einen Hubschrauber und feuerte Granaten auf das Innenministerium in Caracas ab. Nach offiziellen Angaben wurde der Mann getötet, doch der Vorfall wurde bis dato nicht zur Gänze aufgeklärt.
Zweifel an der offiziellen Version
Das Misstrauen gegen Maduro ist jedenfalls groß. Die Nachrichtenagentur AP zitierte Feuerwehrleute, die der Anschlagsversion widersprachen. Auch von der Explosion eines Gastanks in einem nahe liegenden Gebäude war am Sonntag die Rede. Das Bündnis sozialdemokratischer und konservativer Oppositionsparteien warnte in einem Schreiben davor, „dieses konfuse Ereignis als Ausrede zu nutzen, um das verfassungsmäßige Recht des Volkes auf Protest abzuschaffen“.
Die Sorgen sind nicht unberechtigt, denn seit seinem Amtsantritt 2013 agiert Maduro zusehends diktatorisch. Als die Opposition 2015 die Mehrheit im Parlament gewonnen hatte, ließ der Präsident die Volksvertretung über eine neu geschaffene verfassungsgebende Versammlung entmachten. Die Präsidentenwahl im Mai 2018 wurde von der Opposition boykottiert und von den meisten westlichen Ländern nicht anerkannt.
Vor dieser innenpolitischen Kulisse bricht die Wirtschaft des Landes immer tiefer ein. Obwohl Venezuela über massive Ölvorräte verfügt, ist die Förderung wegen Korruption und Misswirtschaft kollabiert. Das Land verfügt nicht mehr über genug Devisen, um Medikamente und Lebensmittel zu importieren. Doch auch in diesem Fall gibt Maduro dem Ausland die Schuld – und zwar den USA, die laut ihm einen Wirtschaftskrieg führen, um Venezuelas erfolgreiche „bolivarische Revolution“im Keim zu ersticken.