Wie man das Sommerloch richtig nutzt
Ob mit dem Wunsch nach Strafen für Abgeordnete oder Wanderungen auf die Alm: Nie ist es für Politiker so einfach aufzufallen wie derzeit. Wenn man ein paar Regeln beherrscht.
Themen, die sonst nie eine Chance haben – eine Anleitung.
Viel hat man von den jungen ÖVP-Abgeordneten Johanna Jachs (26) und Klaus Lindinger (29) noch nicht gehört. Dann schlagen sie vor, dass Mandatare Strafe zahlen sollen, wenn sie bei Abstimmungen fehlen. Und schon schaffen es die beiden mit ihrer Idee in der Sonntags-„Krone“auf die Seiten eins bis drei. Dass ihnen dieses Kunststück gelang, hat einen simplen Grund: das Sommerloch. Doch wie nützt man dieses richtig? Eine Anleitung für Politiker und alle, die es noch werden wollen.
1 Machen Sie den Vorschlag zum richtigen Zeitpunkt!
Als König des Sommerlochs galt lange der steirische ÖVP-Politiker Christopher Drexler. Inzwischen ist der heutige Gesundheitslandesrat von dieser Usance abgekommen, doch einst warteten auch Wiener Medien schon darauf, welche Idee (Tempo 160, Pflegeversicherung für Kinderlose) diesen Sommer aus Graz kommt. In der ersten Augustwoche, so verriet Experte Drexler einmal, sei das Sommerloch am größten. Dann komme man am leichtesten mit Botschaften unter.
Die Jungmandatare der ÖVP haben also den bestmöglichen Zeitpunkt für ihre Idee gewählt.
2 Setzen Sie auf ein möglichst verständliches Thema!
Auch wenn viele Wähler auf Urlaub sind, kann man im Sommerloch trotzdem genug Menschen erreichen. Gerade im Bad findet der Österreicher die Muße, um eine Zeitung zu konsumieren. Und selbst, wer im Ausland urlaubt, ist in Zeiten von Smartphones für Nachrichten aller Art empfänglich.
Mit komplexen Themen wie einer Kassenreform wollen am Strand aber dann doch die wenigsten belästigt werden. Wenn schon Reform, dann eine leicht verständliche. So forderte der frühere steirische Landesrat Gerhard Hirschmann an einem Augusttag einmal, die neun Bundesländer durch drei Großregionen zu ersetzen.
3 Verstecken Sie hinter der ersten Botschaft eine noch wichtigere!
Der Vorschlag der ÖVP-Abgeordneten (Strafe für Schwänzer) ist simpel und auch im Schwimmbad verständlich. Er hat aber noch ein anderes Ziel: Die Botschaft, dass SPÖ-Chef Christian Kern bei Abstimmungen oft fehlte, sollte unters Volk gebracht werden. 24.800 Euro Strafe hätte Kern schon zahlen müssen, wenn man das Bußgeld pro versäumter Abstimmung mit 100 Euro bemisst, rechnete die ÖVP vor. Vielleicht auch eine Retourkutsche, weil die SPÖ vor der Wahl 2017 die häufige Abwesenheit von Sebastian Kurz, damals Außenminister, bei Ministerräten thematisiert hatte.
Der jetzige Vorschlag der türkisen Jungabgeordneten war sichtlich mit der Parteispitze abgesprochen (Stichwort: message control), ging es doch bewusst gegen den SPÖ-Chef. Das war aber auch schon einmal anders. So kann man das Sommerloch ebenso nutzen, um als Landespolitiker bewusst Druck auf die eigene Bundespartei zu machen.
Christopher Drexler forderte etwa als Klubobmann der steirischen ÖVP im Sommer 2004 die Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften. Eine Idee, die bei der damaligen ÖVP-Führung auf wenig Freude stieß. Parteichef und Kanzler Wolfgang Schüssel reagierte dementsprechend. Er erklärte nach einem Ministerrat, er sage zu Drexlers Forderung „am besten nichts“. Auf die Frage, warum, antwortete der Kanzler: „Deshalb!“Auch so kann man also versuchen, bei einem Sommerthema durchtauchen.
4 Besser irgendwie im Sommerloch auffallen als gar nicht!
Die Berater von Politiker denken sich oft schon im Vorfeld des Sommers aus, welches Thema sie dann platzieren. Doch auch wenn etwas schief geht, kann es nützen. Als Alfred Gusenbauer 2006 durch Österreich wanderte, lachte das Land über die enge, kurze Radlerhose des SPÖ-Politikers. Doch Gusenbauer gewann überraschend die Wahl und wurde Kanzler. Die Hose, so meinten PR-Experten, könnte ihm sogar genutzt haben, weil sie für Aufmerksamkeit sorgte.
Die ÖVP will es darauf lieber nicht ankommen lassen: Sebastian Kurz trägt bei seinen Sommerwanderungen eine lange Hose.