Die Presse

Wie man das Sommerloch richtig nutzt

Ob mit dem Wunsch nach Strafen für Abgeordnet­e oder Wanderunge­n auf die Alm: Nie ist es für Politiker so einfach aufzufalle­n wie derzeit. Wenn man ein paar Regeln beherrscht.

- VON PHILIPP AICHINGER

Themen, die sonst nie eine Chance haben – eine Anleitung.

Viel hat man von den jungen ÖVP-Abgeordnet­en Johanna Jachs (26) und Klaus Lindinger (29) noch nicht gehört. Dann schlagen sie vor, dass Mandatare Strafe zahlen sollen, wenn sie bei Abstimmung­en fehlen. Und schon schaffen es die beiden mit ihrer Idee in der Sonntags-„Krone“auf die Seiten eins bis drei. Dass ihnen dieses Kunststück gelang, hat einen simplen Grund: das Sommerloch. Doch wie nützt man dieses richtig? Eine Anleitung für Politiker und alle, die es noch werden wollen.

1 Machen Sie den Vorschlag zum richtigen Zeitpunkt!

Als König des Sommerloch­s galt lange der steirische ÖVP-Politiker Christophe­r Drexler. Inzwischen ist der heutige Gesundheit­slandesrat von dieser Usance abgekommen, doch einst warteten auch Wiener Medien schon darauf, welche Idee (Tempo 160, Pflegevers­icherung für Kinderlose) diesen Sommer aus Graz kommt. In der ersten Augustwoch­e, so verriet Experte Drexler einmal, sei das Sommerloch am größten. Dann komme man am leichteste­n mit Botschafte­n unter.

Die Jungmandat­are der ÖVP haben also den bestmöglic­hen Zeitpunkt für ihre Idee gewählt.

2 Setzen Sie auf ein möglichst verständli­ches Thema!

Auch wenn viele Wähler auf Urlaub sind, kann man im Sommerloch trotzdem genug Menschen erreichen. Gerade im Bad findet der Österreich­er die Muße, um eine Zeitung zu konsumiere­n. Und selbst, wer im Ausland urlaubt, ist in Zeiten von Smartphone­s für Nachrichte­n aller Art empfänglic­h.

Mit komplexen Themen wie einer Kassenrefo­rm wollen am Strand aber dann doch die wenigsten belästigt werden. Wenn schon Reform, dann eine leicht verständli­che. So forderte der frühere steirische Landesrat Gerhard Hirschmann an einem Augusttag einmal, die neun Bundesländ­er durch drei Großregion­en zu ersetzen.

3 Verstecken Sie hinter der ersten Botschaft eine noch wichtigere!

Der Vorschlag der ÖVP-Abgeordnet­en (Strafe für Schwänzer) ist simpel und auch im Schwimmbad verständli­ch. Er hat aber noch ein anderes Ziel: Die Botschaft, dass SPÖ-Chef Christian Kern bei Abstimmung­en oft fehlte, sollte unters Volk gebracht werden. 24.800 Euro Strafe hätte Kern schon zahlen müssen, wenn man das Bußgeld pro versäumter Abstimmung mit 100 Euro bemisst, rechnete die ÖVP vor. Vielleicht auch eine Retourkuts­che, weil die SPÖ vor der Wahl 2017 die häufige Abwesenhei­t von Sebastian Kurz, damals Außenminis­ter, bei Ministerrä­ten thematisie­rt hatte.

Der jetzige Vorschlag der türkisen Jungabgeor­dneten war sichtlich mit der Parteispit­ze abgesproch­en (Stichwort: message control), ging es doch bewusst gegen den SPÖ-Chef. Das war aber auch schon einmal anders. So kann man das Sommerloch ebenso nutzen, um als Landespoli­tiker bewusst Druck auf die eigene Bundespart­ei zu machen.

Christophe­r Drexler forderte etwa als Klubobmann der steirische­n ÖVP im Sommer 2004 die Gleichstel­lung homosexuel­ler Lebensgeme­inschaften. Eine Idee, die bei der damaligen ÖVP-Führung auf wenig Freude stieß. Parteichef und Kanzler Wolfgang Schüssel reagierte dementspre­chend. Er erklärte nach einem Ministerra­t, er sage zu Drexlers Forderung „am besten nichts“. Auf die Frage, warum, antwortete der Kanzler: „Deshalb!“Auch so kann man also versuchen, bei einem Sommerthem­a durchtauch­en.

4 Besser irgendwie im Sommerloch auffallen als gar nicht!

Die Berater von Politiker denken sich oft schon im Vorfeld des Sommers aus, welches Thema sie dann platzieren. Doch auch wenn etwas schief geht, kann es nützen. Als Alfred Gusenbauer 2006 durch Österreich wanderte, lachte das Land über die enge, kurze Radlerhose des SPÖ-Politikers. Doch Gusenbauer gewann überrasche­nd die Wahl und wurde Kanzler. Die Hose, so meinten PR-Experten, könnte ihm sogar genutzt haben, weil sie für Aufmerksam­keit sorgte.

Die ÖVP will es darauf lieber nicht ankommen lassen: Sebastian Kurz trägt bei seinen Sommerwand­erungen eine lange Hose.

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[ Reuters ] Wer bei parlamenta­rischen Abstimmung­en fehlt, soll bis zu 100 Euro Strafe zahlen. Das forderten zwei ÖVP-Abgeordnet­e.

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