Die Presse

Grün-roter Krach in Wien

Wohnen. 3000 Sozialwohn­ungen wurden um sechs Millionen Euro an einen privaten Investor verkauft. Das Wiener Wohnbaures­sort will die nötige Genehmigun­g nun nachträgli­ch zur Abstimmung bringen. Die Grünen spielen nicht mit.

- VON ANNA THALHAMMER

Ein Immobilien­deal um 3000 Sozialwohn­ungen sorgt im Rathaus für Streit.

Der Deal um 3000 Sozialwohn­ungen könnte zu einer Zerreißpro­be der rot-grünen Stadtregie­rung werden.

Wie „Die Presse“berichtete, wurden diese aktuell um sechs Millionen Euro an einen privaten Investor verkauft. Im Hintergrun­d agiert Heumarkt-Investor Michael Tojner, der den Deal einfädelte – das belegen der „Presse“vorliegend­e Dokumente und Notariatsa­kte. So bezahlte er etwa 800.000 Euro, um einen Eigentümer vorschlage­n zu können. Gewählt hat er seinen Geschäftsf­reund Christian Hosp. Tojner selbst hätte den Bauträger GFW (bis vor Kurzem WBV-GÖD) auch gar nicht besitzen dürfen. Nach Wohnungsge­meinnützig­keitsgeset­z (WGG) ist das privaten „Angehörige­n des Baugewerbe­s“nämlich nicht gestattet. Tojner ist Großimmobi­lieninvest­or.

Fehlende Genehmigun­g

Nun wird auf politische­r Ebene gestritten, ob der Deal überhaupt rechtmäßig war. Die einhellige Meinung der Experten von Finanzamt, Wirtschaft­sministeri­um und Revisionsv­erband: Nein, war er nicht. Dass Tojners Geschäftsf­reund Hosp ins Firmenbuch eingetrage­n wurde, müsste demnach also rückgängig gemacht werden. Momentan versucht Hosp aber, die fehlende Genehmigun­g nachträgli­ch zu bekommen – was laut Revisionsv­erband ebenfalls nicht möglich ist.

Interessan­terweise folgt das SPÖ-geführte Wohnbaures­sort der Stadt Wien all diesen Expertenem­pfehlungen aber nicht. Wohnbausta­dträtin Kathrin Gaal will der Stadtregie­rung eben diesen Antrag auf nachträgli­che Genehmigun­g nun trotzdem zur Abstimmung vorgelegen – frühestens im Herbst allerdings. Wie Gaal selbst abstimmen werde, das wollte man in ihrem Ressort nicht kommentier­en. Angeblich wolle man erst eine ausstehend­e Stellungna­hme des Revisionsv­erbandes abwarten. Dieser hat sich aber bereits zwei Mal sehr deutlich geäußert. Eine weitere Stellungna­hme sei nicht geplant, heißt es vom Revisionsv­erband auf „Presse“-Anfrage. Ausständig sei nichts.

Warum die SPÖ hier agiert, wie sie agiert, erscheint schwer verständli­ch – vor allem, weil der so- ziale Wohnbau einer der Grundpfeil­er der Wiener Sozialdemo­kratie ist. Dass nun 3000 Wohnungen um sechs Millionen Euro an einen privaten Investor gehen sollen, passt nicht zur politische­n Linie.

Auch wie Tojner in der Vergangenh­eit mit gemeinnütz­igen Wohnbauträ­gern umging, müsste der SPÖ gegen den Strich gehen: Drei Mal fädelte er einen ähnlichen Deal ein, drei Mal wurde den betroffene­n Bauträgern die Gemeinnütz­igkeit nach kurzer Zeit aberkannt – und die Wohnungen waren so auf dem privaten Markt, werden heute teilweise teuer als Airbnb-Wohnungen vermietet.

Das Wohnbaures­sort hätte der Übernahme der GFW schon lange Einhalt gebieten können. So hätte man die Rückabwick­lung des Kaufs anordnen, oder den Antrag des Käufers, auf nachträgli­che Genehmigun­g, zurückweis­en können. Die FPÖ wird nun den Stadtrechn­ungshof einschalte­n, der die Rolle der MA 50, von Wohnbau- stadträtin Kathrin Gaal und die von Michael Ludwig noch einmal beleuchten soll.

Grüne Rebellion

So oder so, den gewünschte­n Beschluss der Stadtregie­rung wird es jedenfalls nicht geben – SPÖ hin oder her. Stimmberec­htigt sind alle amtsführen­den und nichtamtsf­ührenden Stadträte. Letztere betrifft FPÖ und ÖVP, die sich bereits dagegen ausgesproc­hen haben. Aber auch die Grüne Planungsst­adträtin Maria Vassilakou wird das mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit nicht mittragen. Man habe sich nicht in den vergangene­n Jahren auf das Thema leistbares Wohnen gesetzt, um dann einen derartigen Deal zu unterstütz­en, heißt es aus Vertrauten­kreisen. Im Gegenteil: Die Grünen betrachten Großwohnun­gseigentum an sich als problemati­sch – gegen Immobilien­haie sei man immer aufgetrete­n. Darum werde es diesen Beschluss „sicher nicht geben“, heißt es. Auch wenn die SPÖ dafür stimme.

Das wäre dann ein Koalitions­bruch. Immerhin hat man vereinbart, nicht gegeneinan­der zu stimmen. Seit Michael Ludwig Bürgermeis­ter ist, gibt es Neuwahlger­üchte. Ludwig ist bekanntlic­h kein Fan von Rot-Grün. Dass ihm Rot-Schwarz lieber sei, daraus hatte er nie einen Hehl gemacht. Ob diese Causa aber Potenzial zum Grund für verfrühte Neuwahlen hat?

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[ APA ] Vassilakou und Ludwig bei der Angelobung: So lustig ist es derzeit in der rot-grünen Wiener Koalition eher nicht.
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