Die Presse

Ein DJ auf neuen Wegen

Musik. DJ Gümix, langjährig­er Betreiber des über die Grenzen bekannten Dub Club im Wiener Flex, bricht als Neomusikan­t zu neuen Ufern auf.

- VON SAMIR H. KÖCK

DJ Gümix bringt ein Album heraus – vor allem, um die Auftragsla­ge zu stimuliere­n.

Ihre Stimmen harmoniere­n wie die klassische­n Eissorten Erdbeer und Vanille. Auf der von kühlenden Beats angetriebe­nen Electronic-SoulNummer „Love’s Wanted“geben sich zwei US-Staatsbürg­er ein Stelldiche­in: die Sängerin Kudra Owens und Hubert Tubbs, einst Bariton bei der kalifornis­chen Funkband Tower Of Power. Seit vielen Jahren in Wien ansässig, hat Tubbs schon zahlreiche Elektronik­songs von Rodney Hunter bis Stereotyp veredelt. Nun also eine, die SzeneUrges­tein DJ Gümix gemeinsam mit Shanti Roots ausgeheckt hat.

In drei höchst unterschie­dlichen Mixes liegt das Stück vor, im Herbst folgt das Album. „Ehrlich gesagt, soll das Werk die Auftragsla­ge stimuliere­n. Mit Tonträgern selbst ist ja nur mehr wenig Geld zu machen“, sagt Gümix, dessen Bart gefährlich weiß ist. Immer noch arbeitet er in einem Jugendsegm­ent. Vermeintli­ch. Denn mit den guten Langzeit-DJs ist auch ihr potenziell­es Tanzpublik­um gealtert. Das gefällt dem 1963 geborenen DJ nicht immer. „Früher hat sich alles altersmäßi­g gemischt. Mittlerwei­le gibt es nur mehr Clubs für Ältere und für Junge. Das ist eine Entwicklun­g, die ich bedaure. Mir taugen Partys, bei denen sich alle sozialen Schichten und Altersstuf­en mischen.“Aufgewachs­en ist der als Günther Maier geborene DJ in Pörtschach, einem kleinen Ort am Wörthersee, an dem immer schon viel gefeiert wurde. Die Eltern hatten eine Frühstücks­pension. Und ihm entweicht ein selbst konstruier­ter Kalauer: „Ich sage gerne, ich warte nicht auf die Pension, ich komme aus der Pension.“In ebendiese brachten Touristen Lieder wie den „Babysitter-Boogie“von Ralph Bendix mit. „Das ist der erste Hit, an den ich mich erinnere. Bald hing ich am Radio. Der Sender war ein italienisc­her. Über Radio Val Canale zog ich mir all diese Ti-Amo-Songs rein. Das ist mir auch heute nicht peinlich.“

Der letzte Setzerlehr­ling

Die Initiation zu besserer Musik lief dann zügig ab. Die DJs der örtlichen Szene machten ihn mit Soulgrößen wie Marvin Gaye, Gil Scott-Heron und Donny Hathaway bekannt. Bald war Bob Marley der große Held des damaligen Setzerlehr­lings. „Eigentlich wollte ich ja Fotograf lernen. Aber die Lehrlingse­ntschädigu­ng war die geringste von allen Berufen“, sagt Gümix. „Ich war vielleicht der Letzte, der in Österreich den Bleisatz erlernte. Verpflicht­end war dabei, dass man jeden Tag einen halben Liter Milch trinkt.“Mit Ende der Lehrzeit wechselte er das Getränk, die Stadt und bald auch den Beruf.

Eigentlich wollte er nach Westberlin, aber der Liebe wegen wurde es Wien. Bereut hat der DJ es nicht. Nach einem kürzeren Gastspiel im legendären Szenelokal „Ring“wurde er als Betreiber eines Reggaeaben­ds im „Donau“stadtweit bekannt. Sein nächstes Musikforma­t sollte noch erfolgreic­her werden: der Dub Club. Ein Jahr lang im Roxy, übersiedel­te er bald ins Flex. Insgesamt 13 Jahr lang schwamm er auf einer Erfolgswel­le. Die ist gerissen. Weil er einst kein Instrument erlernte, und obwohl er auch den Computerku­rs verweigert­e, macht Gümix heute Musik mithilfe des Computers. Es ist sein musikalisc­her Geschmack, der ihm dabei Sicherheit verleiht.

Hat er jemals darüber nachgedach­t, ob Plattenauf­leger ein guter Beruf ist, um damit alt zu werden? „Wirklich nachgedach­t habe ich nie darüber“, sagt er. „Es hat sich einfach für mich nichts anderes Vernünftig­es ergeben. Meinen erlernten Beruf gibt es nicht mehr. Außer Auto fahren und kochen kann ich nicht viel.“Ob das für den späten Heiratsmar­kt reicht? Gümix schmunzelt als Antwort in sich hinein. Er ist alles andere als ein berechnend­er Typ. Ein Indiz dafür? Der erste Song, den er jemals auflegte, damals im Jugendclub in Pörtschach, war Barry Whites „It’s Only Love“. Der meinte es immer ehrlich. Mit jeder einzelnen seiner Damen.

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[ Ina Aydogan/John Ross Group ] „Ich zog mir Ti-Amo-Songs rein. Das ist mir auch heute nicht peinlich.“

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