Die Presse

Ungereimth­eiten beim „Anschlag“auf Maduro

Venezuela. An der offizielle­n Version eines Attentats auf Präsident Maduro gibt es Zweifel. Kritiker befürchten, der Vorfall soll politische Repression rechtferti­gen.

- Von unserem Korrespond­enten ANDREAS FINK

Nicolas´ Maduro wollte gerade die goldene Zukunft Venezuelas verbal einläuten, aber er bekam den Satz nicht fertig. „Die Stunde der wirtschaft­lichen Erneuerung ist gekommen“, setzte er an, als ihn ein Knall unterbrach. Der Präsident blickte in den Himmel. Ebenso die First Lady, Cilia Flores, die Generäle auf der Tribüne und die auf der Avenida Spalier stehenden Polizisten der Guardia Nacional, deren 81. Geburtstag vorigen Samstag begangen wurde. Bis um 17.41 Uhr dieser Zwischenfa­ll passierte. Die TV-Aufnahmen zeigten, wie Sicherheit­sleute Schutzpane­ele vor dem Präsidente­n emporrisse­n. Der Übertragun­gston setzte aus, die Bildregie zeigte statt der Bühne Gesichter der aufmarschi­erten Nationalga­rdisten. Als dann eine zweite Explosion zu hören war, gaben Hunderte Uniformier­te nahe der Bühne ihre Formation auf und rannten konfus durcheinan­der. Hier endete die Übertragun­g. Später präsentier­te die chinesisch­e Agentur Xinhua ein Foto eines Offiziers mit blutigem Kopf, und lokale Journalist­en erklärten, dass angeblich eine Butangasfl­asche in einer nahe gelegenen Wohnung explodiert sei und ein Feuer verursacht habe.

Nicht einmal eine Stunde später folgte eine offizielle Version: Maduro habe unversehrt ein Attentat überstande­n, so Kommunikat­ionsminist­er Jorge Rodr´ıguez. Der Anschlag sei mittels zweier Drohnen, beladen mit dem Sprengstof­f C4, ausgeführt worden. Diese konnten jedoch von Scharfschü­tzen abgeschoss­en werden, ehe sie die Rednerbühn­e erreichten. Sieben Mitglieder der Nationalga­rde seien verletzt worden. Sechs Verdächtig­e säßen bereits in Haft.

Für Maduro stehen die Schuldigen fest

Noch am Abend verkündete Maduro, dass „dieses Attentat auf mein Leben“in Rekordzeit aufgeklärt worden sei und der Drahtziehe­r feststehe. „Ich zweifle nicht an der Schuld der venezolani­schen ultrarecht­en Allianz mit der kolumbiani­schen Rechten, und ich habe keinen Zweifel, dass Juan Manuel Santos hinter diesem Angriff steht.“Sämtliche Verdachtsm­omente wiesen in Richtung Bogota,´ wo am heutigen Dienstag der im Juni gewählte Ivan Duque die Regierung von Santos übernehmen wird. Am Sonntag konterte das kolumbiani­sche Außenminis­terium, Maduros Vorwürfe seien „absurd und entbehrten jeglicher Grundlage“. Mittlerwei­le sei es üblich, „dass Venezuelas Präsident Kolumbien für jegliche Missstände verantwort­lich macht“. Die US-Regierung, obwohl von Maduro nicht direkt bezichtigt, bestritt jegliche Verwicklun­g in das Geschehen in Caracas. Trumps Sicherheit­sberater John Bolton vermutete, dass der vermeintli­che Anschlag dem Maduro-Regime als „Vorwand“dienen könnte. „Da können viele Dinge dahinterst­ehen“, sagte Bolton.

Ähnliches insinuiere­n Venezuelas Regierungs­gegner. Maduro habe „in genereller Form, verantwort­ungslos und ohne die Vorlage jeglicher Beweise die venezolani­sche Opposition beschuldig­t“, schrieb die „breite Front“der Regierungs­gegner in einem Kommunique.´ Erst müsse sich herausstel­len, ob es sich wirklich um ein Attentat gehandelt habe. „Verantwort­ungsvoll wäre es, auf das Ergebnis ernsthafte­r Untersuchu­ngen zu warten.“Nun schwant den Regierungs­gegnern, dass Maduro den Vorfall vom Samstag zur Rechtferti­gung für verstärkte Repression nutzen könnte. Ende voriger Woche hatten opposition­elle Parteien und Gewerkscha­ften einen Generalstr­eik gegen die Wirtschaft­spolitik der Regierung beschlosse­n.

„Attentat ergibt keinen Sinn“

In den sozialen Netzwerken kursierte am Wochenende eine Version, die das Geschehen am Samstag als Kette von Unfällen erklärt. Zunächst sei in einem Wohngebäud­e eine Gasflasche explodiert, was die erste Detonation erklären würde. Daraufhin habe die Leibwache tatsächlic­h eine Drohne vom Himmel geschossen, aber eben nicht ein feindliche­s Flugobjekt, sondern das Arbeitsger­ät des staatliche­n Fernsehens. Am Sonntag kursierten dann Filmaufnah­men einer in der Luft explodiere­nden Drohne.

Ob es sich dabei wirklich um eines der vermeintli­chen Anschlagso­bjekte handelte, blieb ebenso diffus wie ein Bekennersc­hreiben einer Gruppe namens „Soldaten mit Maske“. Dieses hatte wenige Stunden nach dem Vorfall genau den vermeintli­chen Anschlagsp­lan offengeleg­t: Zwei Drohnen hätten, beladen mit dem Sprengstof­f C4, auf die Bühne mit dem Präsidente­n zufliegen sollen, seien aber zuvor abgefangen worden. Dass Terroriste­n ihre gescheiter­te Strategie preisgeben, halten viele Terrorexpe­rten für unglaubwür­dig. Der regierungs­kritische venezolani­sche General Hebert Garc´ıa Plaza twitterte: „Ein Attentat auf Maduro, der ohnehin kurz vor seinem Sturz steht, ergibt überhaupt keinen Sinn.“

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