Vietnamesen-Entführung wird zur Staatsaffäre
Slowakei. Ex-Innenminister Kalinˇ´ak soll in die Verschleppung eines Vietnamesen in einem Regierungsflugzeug vor einem Jahr verwickelt gewesen sein. Die Opposition fordert den Rücktritt der gesamten Regierung.
Der vietnamesische Geschäftsmann Trinh Xuan Thanh ist vor einem Jahr aus Berlin über Bratislava nach Vietnam entführt und dort von einem Gericht zu zweimal lebenslanger Haft wegen Korruption verurteilt worden. Der Verdacht, dass höchste slowakische Stellen bis hin zum damaligen Innenminister, Robert Kalinˇa´k, in die Verschleppung verwickelt waren, sorgt nun in Österreichs Nachbarland für den größten politischen Skandal seit dem Mord am Enthüllungsjournalisten Jan´ Kuciak Ende Februar.
Ein Berliner Gericht erklärte Ende Juli, ähnlich wie zuvor schon das Landeskriminalamt Berlin, die schon seit Monaten gehegte Annahme für erwiesen, dass der vor angeblicher politischer Verfolgung nach Deutschland geflüchtete ehemalige KP-Funktionär im offiziellen Regierungsflugzeug der Slowa- kischen Republik aus dem Schengen-Raum nach Moskau geflogen wurde. Vor einer Woche machten Berichte der deutschen „FAZ“und der slowakischen Tageszeitung „Denn´ık N“diese Erkenntnisse, angereichert durch weitere Recherchen, öffentlich. Die wichtigste Frage in Bratislava ist nun, ob sich Kalinˇa´k und die ihm unterstellten Polizisten wissentlich mitgespielt hatten, um dafür lukrative Wirtschaftsverträge mit Vietnam abschließen zu können.
Nach monatelangen Dementis könnte nun ein Köpferollen beginnen. Am Montag gab Innenministerin Denisa Sakova´ zunächst bekannt, sie habe den Chef des staatlichen Personenschutzes, Peter Krajcirovic, für die Dauer der Ermittlungen außer Dienst gestellt.
Das überraschte umso mehr, als das von Sakova´ geführte Ministerium zunächst die Medienberichte als „Unsinn und Lüge“von sich gewiesen hatte. Opposition und Medien warfen Sakova´ darauf- hin vor, nur Erfüllungsgehilfin ihres Vorgängers und ehemaligen Chefs Kalinˇa´k zu sein. Auch dem parteilosen Staatspräsidenten, Andrej Kiska, ist Sakovas´ Schritt nun zu wenig, er forderte noch am selben Tag den Kopf der Ministerin selbst. Sakova´ habe sein Vertrauen verloren, erklärte das Staatsoberhaupt nach einem Gespräch mit dem sozialdemokratischen Regierungschef, Peter Pellegrini.
Es war nicht das letzte Krisentreffen auf höchster Ebene. Denn Generalstaatsanwalt Jarom´ır Cˇizˇna´r hat inzwischen Präsident, Regierungschef und Parlamentspräsident gemeinsam zu sich gebeten.
Die zwei größten Oppositionsparteien fordern den Rücktritt der gesamten Regierung sowie die Verhaftung von Robert Kalinˇa´k.
Dieser widerspricht inzwischen schon fast täglich über Facebook und sieht in den Medienberichten eine „Kampagne“gegen ihn und „die ganze Slowakei“. Die regierungskritische Zeitung „Denn´ık N“hat anonyme Polizisten, die damals die vietnamesische Delegation zu begleiten hatten, nach ihren Erinnerungen befragt. Unter anderem sagten diese aus, ihnen sei ein verletzter und unter Drogeneinfluss stehender Vietnamese, vermutlich das Entführungsopfer, aufgefallen. Der Mann sei von anderen Vietnamesen in das Regierungsflugzeug geschleppt worden.
Als die Polizisten einschreiten wollten, seien sie von Vorgesetzten mit dem Hinweis zurückgewiesen worden: „Kali weiß Bescheid.“Der damalige Innenminister habe selbst die Zusammenarbeit mit den Vietnamesen „im Staatsinteresse“angeordnet.
Die Verletzungen des Mannes erklärte man offenbar damit, dass er betrunken gestürzt sei und nun „wegen der Peinlichkeit“vom vietnamesischen Innenminister unbemerkt ins Flugzeug für die Heimreise gebracht werden müsse.